Nadja Christin

Natascha


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ich weiß wo ich beide finden kann.« Justin wirbelte mich an den Schultern herum, bis ich ihm gegenüber stand. Er blickte mir fest in die Augen.

      »Wo wir die Beiden finden, meinst du wohl.« Sein Mund war nur ein Strich.

      »Ich erledige das alleine«, sagte ich kalt, »das hier geht dich nichts an, Justin. Das ist meine Angelegenheit. Du hast damit nichts zu tun.«

      »Tascha, ich dachte, wir gehören zusammen.« Sein Blick war voller Verzweiflung und Angst.

      »Ich dachte«, fuhr er leise fort, »wir beschützen einander, sind Gefährten. Mit allem, was dazugehört.« Er legte seine Stirn in Falten. »Ich dachte … du liebst mich«

      Ich schluckte, und überlegte wie ich ihm sagen sollte, dass ich ihn nicht dabei haben wollte, dass ich es für zu gefährlich hielt. Ich würde Frank auf jeden Fall umbringen. Er, der auch mal Justins Herr war. Würde er dabei mitmachen, es verkraften, mich verstehen?

      Als könnte er meine Gedanken lesen, umarmte er mich und flüsterte: »Ich will Frank auch tot sehen. Er hat mir … uns zu viel Schlimmes angetan. Dafür soll er in der Hölle brennen.«

      Ich hielt Justin auf Armeslänge fest und fragte mit zusammengekniffenen Augen:

      »Bist du dir da ganz sicher?«

      »Ja. Ganz sicher. Und jetzt komm, wir müssen die beiden suchen, es wird bald hell.«

      Tatsächlich war es in dem schäbigen Wohnzimmer immer heller geworden. Die Sonne ging bald auf, dann würde sie ihre goldenen Strahlen über die vier verbrannten, jungen Körper gleiten lassen. Ich fragte mich, wieso Frank das gemacht hat, warum hat er sie nicht einfach nur getötet, er brauchte sie nicht auch noch anzuzünden.

      Das war ekelhaft.

      Ich glaubte, er ist völlig verrückt geworden. Ich musste ihn erwischen, bevor er noch mehr Unheil anrichtete und noch mehr Leid verbreitete.

      Ich musste ihn töten.

      Wir gingen die Treppen hinunter und stiegen wieder in den Mustang. Ich überlegte fieberhaft, wo Frank sein könnte, und im Besonderen, wo Dennis sich befand. Ich nahm an, dass Frank in seinem Haus war, wahrscheinlich mit meinem Sohn. Die Gedanken wirbelten nur so in meinem Kopf umher.

      Dann fiel mir noch etwas anderes ein.

      »Wir müssen Ralph noch loswerden«, damit zeigte ich mit dem Daumen hinter mich, in Richtung Kofferraum. Justin blickte mich zerstreut an.

      »Wen?«

      »Dein Nachtmahl, der Typ im Kofferraum.« Wie konnte er ihn nur so schnell vergessen haben?

      Im selben Augenblick fiel mir ein, dass mich ein leerer Körper auch nicht mehr interessierte, sobald ich fertig mit ihm war. Da wird auch ein ganz neuer Vampir keine Ausnahme sein.

      »Auf jeden Fall fahre ich keine Leiche spazieren. Bald fängt er da hinten an zu stinken, das brauche ich nicht.« Ich presste die Lippen aufeinander und grübelte darüber nach, wo ich ihn hin verfrachten könnte.

      Da fiel mir Josh ein, er und sein geheimnisvoller Keller. Mein Freund Josh, der bestimmt erfreut sein würde, mich so schnell wiederzusehen, aber wird er auch von Justins Anwesenheit begeistert sein? Ich wagte es zu bezweifeln.

      Er konnte Justin jetzt nicht mehr anfallen, ihm nichts mehr zu leide tun. Aber würde er noch genauso freundlich zu mir sein? Würde er mir helfen? Trotz allem?

      Wir werden sehen, ich war gespannt, und ein wenig nervös.

      Langsam fuhr ich durch die immer heller werdenden Straßen, bis ich vor Joshs Geschäft anhielt. Ich stellte den Motor ab und wartete. Justin hatte schon den Türgriff in der Hand. Als er bemerkte, wie ich zögere, blickte er mich fragend an.

      »Was ist, willst du doch nicht rein?«

      Ich war unschlüssig und blieb sitzen. Mit meinem Daumen trommelte ich auf das Lenkrad. Josh und Justin, zusammen, in einem Raum, würde das gut gehen? Würde das auch gut für mich sein?

      Ich blickte in Justins Augen und sah sie wieder, die Brunnen, diese tiefen unendlichen Brunnen. Man könnte sich in ihnen verlieren. Sie könnten einen in ihre unruhige, alles verschlingende Tiefe mitziehen, hinunter in diese unergründliche Welt. Eine Seele die nicht darauf vorbereitet war, ein Körper der schwach war.

      Ich aber blieb am Rand der Brunnen, ich blieb oben, und wurde nicht mehr mit hinunter gezogen. Ich wusste nicht, ob ich froh darüber sein sollte.

      »Was nun?«, fragte Justin neben mir, ich seufzte

      »Ja, komm. Lass uns reingehen und sehen, ob er uns helfen kann.«

      Wir stiegen beide aus dem Auto und gingen zur Eingangstüre. Abermals dieses zarte Glöckchen, als ich die Tür aufstieß. Es klang als erwartete einen hier drinnen nur das Schönste und Leichteste. Als verkaufte Josh hier Wolken, Wind und Glück. Gut, dass ich es besser wusste.

      Justin, neben mir, erstarrte, kaum dass er über die Schwelle trat. Es war noch der gleiche Geruch nach Nichts, wie bei meinem letzten Besuch. Nur das ich darauf gefasst war und er nicht.

      Ich ließ ihn stehen und sah mich nach Josh um. Wie immer stand er hinter dem Tresen, auf seine Arme gestützt und blickte mich an.

      Diesmal lag keine Freundlichkeit mehr in seinem Blick. Sein Geruchssinn war scharf genug, sodass er Justin sofort als Artgenossen erkannte. Er würde sich aber auch daran erinnern, dass Justin der Blutsack war, der letztens erst vor seinem Geschäft in meinem Mustang schlief.

      Jetzt war er schon ein Vampir.

      »Hallo Natascha«, sagte Josh leise. Er kam hinter seinem Tresen hervor, seine Augenbrauen düster zusammengezogen, sein Blick war abwartend und misstrauisch.

      »Was führt dich zu so früher Stunde in meinen Laden?«

      Er blickte rasch zu Justin rüber, der staunend seine Augen aufriss.

      Ich lächelte Josh freundlich zu, packte seinen Arm und zog ihn nach hinten zu seinem Tresen. Er ging bereitwillig mit.

      Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern, ich wusste auch nicht warum, aber aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass Justin unsere Unterhaltung mitbekam.

      »Hör mal Josh, ich brauche ganz dringend deine Hilfe. Ich … wir haben da ein klitzekleines Problem, ein 160 Pfund Problem.« Ich blickte Josh gespannt an. Er zog eine Augenbraue bis hoch in seine blonden Harre, sodass sie fast darin verschwand.

      »Ein 160 Pfund Problem?« Josh sah leicht amüsiert aus, um seinen Mund zuckte es ein wenig.

      »Was hast du denn wieder angestellt?« Er schüttelte leicht den Kopf.

      »Ich war das ausnahmsweise diesmal nicht. Justin war das, er ist einfach über ihn hergefallen, in einer Tiefgarage.«

      Ich verdrehte die Augen und entschied mich dafür, Josh die ganze Wahrheit zu erzählen. Lügen brachten mich hier nicht weiter.

      »In meiner Tiefgarage, wo ich wohne. Wir waren gerade auf dem Weg zu mir nach oben, da hat der Kerl die Tür geöffnet und schon war es passiert. Nun kann ich in meinem eigenen Revier ja nicht gut eine Leiche herumliegen lassen, so hab ich ihn in den Kofferraum gepackt.«

      Ich lächelte kurz. »Dann bist du mir eingefallen, du und dein Keller. Könnte ich dir den Kerl überlassen? Du hast doch eine Möglichkeit Leichen verschwinden zu lassen. Du könntest mir diesen Kerl vom Hals schaffen.« Joshs Blick ging abermals in Justins Richtung. Schnell beeilte ich mich, zu sagen:

      »Ich meine den Kerl in meinem Kofferraum.« Irgendwie war mir Josh heute unheimlich. Sein Blick war so anders, so starr und kalt, unnahbar, ja beinahe schon teuflisch.

      »Hm, eigentlich habe ich keinen Zauberkeller, der Leichen einfach so«, er schnippte mit den Fingern, »verschwinden lässt. Ich gehe damit ein großes Risiko ein, die Obrigkeit könnte davon Wind bekommen, dann wäre ich dran.«

      Ein seltsamer Blick traf mich aus seinen schönen blauen Augen.