Nadja Christin

Natascha


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bin nicht so, ich nutze jede Chance, ich bin ein Schweinehund.

      So stieß ich dem, immer noch himmelwärts brüllenden Thomas, im vollen Lauf meine Machete tief zwischen die Rippen. Sein Gebrüll ging in ein Ächzen über und sein Oberkörper klappte nach vorne. Ich zog die Machete aus seinem schon lange toten Körper, hob sie an und ließ sie auf seinen, nun frei liegenden Nacken, niedersausen.

      »Ich hatte dich gewarnt«, brüllte ich ihn an.

      Sein abgetrennter Kopf flog mindestens sechs Meter weit, ehe er auf der Lichtung liegen blieb, wie ein vergessener Fußball. Erst Sekunden später fiel sein, nun wirklich toter Körper, in sich zusammen.

      Ich atmete stoßweise aus, ließ die Machete achtlos fallen. Dann hob ich meine Hände zum Himmel und ließ ein lautes Brüllen erklingen.

      Ein Siegesgebrüll.

      Die zwei toten Körper, die über die Lichtung verstreut waren und die abgetrennten Köpfe fingen, wie aus dem Nichts, Feuer. Sie brannten, nun waren sie endgültig vernichtet.

      Es war vollbracht, ich kam siegreich aus der Geschichte heraus.

      Jetzt lag noch eine schwere Aufgabe vor mir. Ich ließ meine Arme kraftlos sinken, drehte mich um und betrachtete den einzigen herumliegenden Körper, der nicht brannte:

      Justin.

      Lebte er noch? Ich lauschte. Ja, ich konnte sein Blut rauschen hören.

      Er atmete unregelmäßig, Thomas hatte ihn schwer verletzt.

      Justins Geruch wehte über die Lichtung, hüllte mich ein. Überall um mich herum roch es nach seinem Blut, nach Angst und Verzweiflung … und nach Tod.

      Langsam ging ich auf Justin zu, je näher ich kam, umso stärker roch ich die Verzweiflung und die Angst. Als ich über ihm stand merkte ich mit einem Mal, dass der Geruch nicht von ihm stammte.

      Er kam von mir und es strömte aus jeder Pore meines kalten Körpers.

      Ich roch nach Verzweiflung und Angst.

      Ich war verzweifelt, ich hatte Angst, sogar sehr große Angst.

      Leben, Sterben, Tod

      Langsam fiel ich auf die Knie vor Justins blutenden Körper. Er atmete noch, auch sein Blut hörte ich rauschen, wenn auch schon leiser. Sein Herz machte einige Stolpergeräusche, dann schlug es wieder regelmäßig, aber sehr schwach.

      Ich strich vorsichtig eine Haarsträhne aus seiner Stirn. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Ich blickte ihn einfach nur an.

      Thomas hatte ihn übel zugerichtet, am ganzen Oberkörper hatte er Bisswunden. Die schlimmste war an seinem Hals, unermüdlich trat Blut aus der Wunde. Es sah so aus, als hatte Thomas vor, ihn aufzufressen. Die Wunden waren alle zu tief, um von mir geheilt zu werden. Außerdem hatte er schon zu viel Blut verloren. Seine eigenen Selbstheilungskräfte werden erst voll entwickelt sein, wenn er ein Vampir war.

      Erneut fragte ich mich, was ich machen konnte, wie es jetzt weiterging. Er murmelte etwas Unverständliches und öffnete endlich die Augen. Ich sah in seine tiefen Brunnen, die für mich keine mehr waren.

      »Justin«, ich musste einfach lächeln, »na, wieder unter den Lebenden?«

      Er lächelte flüchtig zurück, aber vor Schmerzen verzog er das Gesicht und schloss krampfhaft die Augen.

      Als er sie wieder öffnete, lag bereits ein leichter Schleier über dem schönen Braun seiner Augen.

      »Wie schlimm?«, fragte er gepresst, ich konnte sehen und riechen, wie ihn eine erneute Schmerzenswelle erfasste.

      »Du siehst …« Was solle ich sagen? Dass er aussah wie durch den Fleischwolf gedreht? Dass er auf jeden Fall sterben würde? Dass er aber noch qualvollere Schmerzen ertragen musste, bis er endlich erlöst würde? Sollte ich ihm das wirklich sagen? Oder sollte ich ihn einfach anlügen und ihm beruhigend zureden bis … bis zu seinem Ende? Mein innerer Kampf dauerte an.

      Seine blutverschmierte Hand schoss vor und ergriff meinen Unterarm. Ich war ein bisschen erschrocken, von der Bewegung und das sie so erstaunlich kraftvoll war.

      »Tascha«, er suchte meinen Blick, versuchte mich mit seinen Augen fest zunageln.

      »Werde ich das hier überleben?«, sein Blick war ohne Furcht, er kannte die Wahrheit bereits.

      Mein Mund war ausgetrocknet und meine Stimme wie ein Reibeisen.

      »Ich fürchte … nein.«

      Ich blickte in seine Augen und erkannte in diesem Moment die Wahrheit.

      Ich würde ihm nicht nur mein Leben anvertrauen, ich vertraute ihm mein ganzes Dasein an, alles was ich war, alles was ich ausmachte, würde ich in seine Hände legen.

      Diese Erkenntnis riss mich fast um.

      Ohne ihn würde ich nur noch eine Leere fühlen, ich wollte nicht, dass er stirbt, dass er mich verlässt.

      »Justin«, fragte ich ihn ganz ruhig, mein Entschluss war gefasst.

      »Möchtest du sterben?«

      »Nein, Tascha, jetzt nicht mehr.« Seine blutige Hand griff nach meiner kalten. Er drückte sie kurz, dann lag sie schlaff da.

      »Ich liebe dich«, hauchte er und hob seine Hand an, um mir über die Wange zu streichen. Auf halbem Weg verließ ihn die Kraft und er ließ den Arm einfach fallen. Kurz bevor ihm durch den Aufprall eine erneute Schmerzenswelle durchzucken konnte, fing ich den Arm auf und drückte seine Hand an meine Wange. Ich küsste seinen Handrücken und sah ihm erneut in die Augen.

      »Ich will nicht, dass du mich verlässt«, wisperte ich.

      Justin lächelte ein wenig und schloss die Augen.

      »Auf Wiedersehen, Tascha«, murmelte er und war schon fast nicht mehr zu verstehen.

      »Ich muss jetzt gehen, mein kleiner Liebling.«

      »NEIN! Bleib bei mir!« Ich brüllte wie ein Tier, packte seine Schultern, schüttelte ihn durch und machte mir keine Gedanken über Schmerzen, die er haben könnte. Er musste sich unbedingt meine Überlegungen bis zum Schluss anhören. Außerdem wollte ich eine Antwort haben. Er riss seine Augen auf, sie flatterten, er wollte sie wieder schließen, aber das ließ ich nicht zu.

      »Justin, bleib bei mir, bitte«, nochmals schüttelte ich ihn durch. Jetzt zeigte es Wirkung. Er blickte mich fast klar an, nur noch der dünne Schleier lag über seinen Augen.

      »Justin, ich kann dich … verwandeln, wenn du das willst.« Seine Augen wurden größer.

      »Aber du sagtest doch, dass es …«, er leckte sich über die Lippen und suchte wahrscheinlich nach den richtigen Worten, »…dass es nicht sicher ist. Dass ich auch als Monster wiederkommen kann.« Sein Blick war eine einzige Frage.

      »Justin, ich werde aufpassen, dir geschieht nichts. Außerdem könntest du nie böse sein, nicht so richtig.« Ich lächelte ihn an und strich erneut diese Haarsträhne aus seiner Stirn. Justin fielen die Augen zu.

      Aber ich musste jetzt eine Antwort haben, ich konnte das nicht tun, ohne sein Einverständnis. Ich fasste ihn leicht an der Schulter und beugte mich ganz nah zu seinem Ohr.

      »Justin. Möchtest du gerne für immer bei mir bleiben? Möchtest du …«, ich holte tief Luft, »willst du ein Vampir werden, ein Geschöpf der Nacht?«

      Gespannt sah ich ihn an. Er musste mir einfach eine Antwort darauf geben. Er öffnete die Augen und sein Blick ging fieberhaft hin und her, als dachte er scharf nach, dann sah er mich an.

      »Ja, das möchte ich.« Seine Stimme klang sehr fest und entschlossen, er war also bei klarem Verstand. Das machte es mir leichter, hinterher, wenn seine Vorwürfe kamen, Und sie werden kommen, dessen war ich mir sicher.

      Ich nahm