Nadja Christin

Natascha


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und es war wunderschön hier.

      Ein guter Platz zum Sterben.

      Thomas war mir dicht auf den Fersen. Mitten auf der Lichtung drehte ich mich um und erwartete ihn.

      Am Rande der Lichtung stoppte Thomas. Er griff mit einer Hand über seine Schulter und zog nun seinerseits eine Waffe. Es war ein Schwert, aber ein ganz Besonderes.

      Er erzählte mir früher schon Geschichten über diese Waffe. Es war ein sogenanntes Richtschwert und wurde ausschließlich zur Enthauptung von Verurteilten benutzt. Nicht schwer zu erraten, woher es kam und wie es in Thomas’ Besitz gelangte.

      Auch nicht schwer zu erraten, was er jetzt damit vorhatte.

      Er hielt sein Schwert mit beiden Händen über seinen Kopf und kam auf mich zugerannt. Ich stellte mich in Position und erwartete ihn. Es erklang ein hohes, kreischendes Geräusch, als unsere Waffen zusammenprallten. Ich drückte ihn mit aller Kraft wieder von mir weg. Er stand mir gegenüber, mit erhobenem Schwert. Auch ich hob mit einer Hand meine Machete an. So umkreisten wir uns, ganz langsam.

      »Hallo Tom«, sagte ich und fixierte sein Gesicht, um auf jede Bewegung von ihm, sofort zu reagieren.

      »Lust auf ein bisschen Sterben?«, meine Stimme hatte einen ironischen Unterton.

      »Tascha, schade, dass wir uns auf diese Weise wiedertreffen. Wir hätten Freunde werden können. Aber jetzt …« Thomas lächelte grausam, »muss ich dich leider töten. So leid es mir tut und dann werde ich mich um deinen Menschenfreund kümmern.«

      Wir umkreisten uns immer noch. Langsam, abwartend und lauernd. Wie zwei Raubtiere.

      »Hat Frank dich geschickt?«

      »Nein«, antwortete er, »er hat mich beauftragt deinen Sohn zu töten. Aber ich dachte mir schon, dass wir uns hier treffen.«

      Ich machte blitzschnell einen Schritt nach vorne und schlug seitlich meine Machete zu seinem Körper. Er parierte und führt seinerseits einen Hieb zur anderen Seite aus. Meine Waffe hielt das Schwert auf. Wir sprangen gleichzeitig einen Schritt zurück um unsere abwartenden Umkreisungen wieder aufzunehmen.

      Wieder und wieder wagte ich einen Vorstoß. Jedes Mal parierte er meine Schläge. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, ich suchte nach einem Ausweg. Nach einer Lösung, wie ich Thomas ausschalten konnte und zwar schnell.

      Plötzlich bemerkte ich eine kleine Bewegung zwischen den Bäumen. Nur eine Lidschlaglänge hatte ich mich davon ablenken lassen. Das war genau die Schwäche, auf die Thomas wartete, um mir sein Richtschwert in die Seite zu rammen.

      Eine Flut des Schmerzes überrollte mich, vor meinen Augen explodierten kleine Kreise. Die Machete entglitt meinen Händen. Ich ließ mich auf die Knie fallen, presste meine Hand auf die Wunde und war erstaunt, wie tief ich in meinen Körper fassen konnte. Thomas hatte nicht mit voller Wucht zugeschlagen und ich hatte mich währenddessen ein paar rettende Zentimeter zur Seite bewegt. Eine überaus verzweifelte Reaktion.

      Thomas stand erneut mit erhobenem Schwert in Position. Ich kämpfte noch mit den Schmerzen. Jetzt hätte er ein leichtes Spiel mit mir. Er könnte mir den Kopf abschlagen und mein verdammtes Dasein mit einem Schlag beenden. Aber er blieb fair und wartete.

      Lauerte darauf, dass ich mich erholte. Da trat plötzlich die Bewegung, die ich eben bemerkt hatte, aus dem Wald und auf die Lichtung.

      Es war Elisabeth mit Justin. Sie hatte ihn am Kragen gepackt und zerrte ihn hinter sich her. Justin sah schwer angeschlagen aus, er blutete aus verschiedenen Wunden, die auf seinem ganzen Körper verteilt waren.

      Bei seinem Anblick verkrampfte sich etwas in meinem Körper. Ich sah, wie Elisabeth, Justin auf die Lichtung schleuderte. Er rappelte sich schnell in eine hockende Position hoch, kaum dass er auf dem weichen Boden landete. Er sah mich an, verschlang meine Augen mit seinem Blick.

      »Es tut mir leid.«, hörte ich ihn leise sagen.

      Thomas richtete sich auf, steckte sein Schwert in den weichen Boden und ging gemächlich zu Justin.

      »Lass ihn in Ruhe, Tom«, presste ich zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.

      »Ich warne dich!«

      Langsam richtete ich mich auf und zuckte zusammen, als eine neue Schmerzwelle meinen Körper überrollte. Die Wunde war sehr tief, mein Körper musste sie von innen her heilen, das konnte ein bisschen dauern.

      Noch bevor ich richtig stand, war Elisabeth auch schon bei mir. Sie riss mir die Arme auf den Rücken und stemmte sich mit ihrem Knie dagegen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, da die Schmerzen aus meiner Seite mich immer noch lähmten. Ich spürte zwar schon, wie mein Körper den Heilungsprozess begann, aber ohne frisches Blut, das ich trinken könnte, dauerte das Ganze ohnehin noch länger.

      Thomas hatte Justin erreicht und riss ihn an den Haaren hoch. Er stöhnte auf, ohne seinen Blick von mir abzuwenden. Seine schönen Augen sahen mich immer noch wie um Verzeihung bittend an.

      Ich konnte es kaum ertragen.

      Thomas sah zwischen Justin und mir hin und her. Dann wendete er sich mir zu. Er hielt das Halbblut immer noch bei den Haaren gepackt:

      »Ihr zwei seid ja ein schönes Pärchen, wahre Gefährten der Nacht.« Thomas lachte laut auf, auch Elisabeth, in meinem Rücken, gackerte wie ein Huhn.

      Abrupt stoppte Thomas sein Lachen und blickte mich grimmig an. »Und wann sterbt ihr?«, er wendete seinen Blick zum Himmel, »am hellen Tag!«

      Ich sah noch, wie seine Zähne zu Dolchen wurden, dann hatte er sie Justin auch schon in den Hals geschlagen.

      Justins Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Schmerzes. Ich sah sein Blut spritzen, jedes Mal, wenn Thomas erneut zubiss. Voller Schrecken erkannte ich, dass Thomas ihn nicht aussaugen wollte, er wollte ihn zerkauen, ihn zerfleischen, er würde ihn töten.

      Immer wieder sah ich Justins Blut spritzen, roch es, atmete seinen Duft ein.

      Plötzlich war es da, das Monster in mir, ich hörte mich brüllen. Laut und stark, unmenschlich und voller Wut.

      Die Kraft war wieder da, ich bückte mich und schleuderte Elisabeth über mich hinweg. Sie schlug einen halben Salto, ließ meine Arme aber nicht los. So vollführte auch ich einen halben Salto und landete mit meinem Rücken krachend auf ihrem Oberkörper. Unter mir hörte ich die Knochen knacken und Rippen brechen. Das würde ihr nicht viel ausmachen, nur ein bisschen Schmerzen zufügen. Wie auf Kommando brüllte Elisabeth unter mir laut auf.

      Endlich ließ sie meine Arme los. Schnell ergriff ich meine Machete, die neben uns im Gras lag.

      Ich war frei und schoss auf Thomas zu. Das Ganze hatte nur ein paar Sekunden gedauert und Thomas war bei Justin in einen regelrechten Blutrausch verfallen, so konnte er nicht mehr zeitnah reagieren. Meine Chancen standen gut.

      Mitten im Lauf hob ich vom Boden ab und traf Thomas mit meinen Füssen an der Brust, das schleuderte ihn einige Meter nach hinten. Justin fiel in sich zusammen. Ich beachtete ihn nicht, hatte nur Augen für Thomas, auf den ich langsam zuging.

      Meine Sinne waren aufs äußerste gespannt. So nahm ich das Geräusch hinter mir wahr, beinahe, noch ehe es erklang.

      Es war eine einzige, fließende Bewegung: Mich umdrehen, die Machete anheben und Elisabeth damit den Kopf abschlagen. Ohne in meiner Drehung innezuhalten stand ich Thomas auch schon wieder gegenüber und ging weiter auf ihn zu.

      Erst war sein Blick erstaunt, dann sah ich die Wut, die grenzenlose Wut über den Tod seiner Gefährtin.

      Erneut hallte ein schier unmenschliches Gebrüll über die Lichtung. Diesmal nicht von mir, sondern aus Thomas’ Mund. Er stand vor mir, riss seine Arme in die Höhe und brüllte seine Wut in den Himmel.

      Ich bin keine besonders gute Kämpferin, sonst hätte Thomas mich wohl nicht erwischen können. Mir fehlte einfach die Übung aus den letzten Jahrhunderten, die viele Vampire genossen.

      Aber vor allem bin ich keine faire Kämpferin.