Nadja Christin

Natascha


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hatte.

      »Weil du niemals den Kodex einhalten wirst, egal wo du bist. Weil du schlechtes Blut hast … und … weil du böse bist!« Verachtung war in seiner Stimme zu hören. Meine Gedanken kreisten wie Bienen um den Honig.

      Ich bin schlecht?

      Ich habe schlechtes Blut in mir?

      …

      Aber es war doch sein Blut, was mich letztendlich zu dem gemacht hat, was ich bin. Also ist sein Blut schlecht.

      In meinem Kopf klickte es kurz, als wenn ein Schalter einrastete.

      Es war nicht, dass er Angst hat, seinen Clan zu verlieren, oder seine Macht. Es hatte auch nichts damit zu tun, das ich Unschuldige aussaugte. Oder den Kodex mit Füßen trat.

      Es war einzig und alleine seine Angst ER könnte schlechtes Blut haben. Er könnte ein Träger des bösen Blutes sein.

      Seit es Vampir gab, existierte die Angst, einer von ihnen könnte der sogenannte Träger des bösen Blutes sein. Das waren Vampire, die böses Blut in sich trugen, keiner wusste, wo es her stammte, sie müssten es noch nicht einmal selber spüren, aber bei einer Verwandlung gaben sie es weiter. Der Vampirneuling mutierte zum mordenden Monster, das nur zwei Dinge kannte, töten, und den Hass auf seinen Erzeuger.

      Träger des bösen Blutes zu sein, war mit einem Todesurteil gleichzusetzen.

      Wenn der neugeborene Vampir den Träger nicht erwischte, sprach es sich irgendwie herum und der hohe Rat machte Jagd auf ihn. Träger des bösen Blutes zu sein war eine Schande.

      Frank hatte mir, bei der endgültigen Verwandlung, ein paar Tropfen seines Blutes zu trinken gegeben, so wurde das gemacht, damit die Verwandlung vollständig war.

      Und jetzt hatte er Angst, ja Panik, sein Blut könnte verunreinigt sein.

      Ich musste grinsen, das war der totale Schwachsinn. Der größte Blödsinn, den ich je hörte.

      Ich fing an zu kichern, ich konnte nichts dafür, es überkam mich einfach. Frank starrte mich entsetzt an. Das fand ich noch viel witziger und lachte lauthals.

      Ich blickte in Franks hasserfüllte Augen und musste nur noch mehr lachen.

      »Ein uralter Vampir hat eine hysterische Angst, dass sein Blut, das er einem Grünschnabel verpasst hat, schlecht geworden ist.« Ich prustete vor mich hin, dann kam der nächste Lachanfall.

      »Ha, ha, ha«, ich konnte nicht mehr, gleich konnte ich mich vor Lachen nicht mehr auf den Beinen halten.

      Plötzlich sah ich, im hellen Licht der Sonne, etwas glitzern. Zwei Stimmen schrien gleichzeitig: »Vorsicht!«

      Ich hatte eine von den Stimmen erkannt, es war Justin, er schien wieder normal zu sein. Die andere kam abermals aus meinem Inneren.

      Von den Stimmen kurz abgelenkt, konnte ich nicht mehr reagieren. Das Glitzern zischte durch die Luft und traf mich am Hals. Ich spürte einen Druck, dann sah ich Blut spritzen. Mein Blut.

      Frank stand lächelnd vor mir und hielt ein zweischneidiges Messer in seiner Hand. Ein Blutstropfen rann langsam die Schneide herunter, hinterließ eine kleine Blutspur und wurde dabei immer kleiner.

      Fasziniert starrte ich auf das Sterben des Tropfens.

      Dann kam der Schmerz. Es war ein Gefühl, als hätte er mir den Kopf abgeschnitten. Es brannte wie Feuer, es war unerträglich. Dennis ließ mich los und ich fiel nach vorne auf meine Knie. Stützte mich mit den Händen auf den weichen Waldboden ab. Blut schoss in einem Sturzbach aus der offenen Wunde an meinem Hals. Blut hatte sich auch in meinem Mund gesammelt, ich öffnete ihn und ließ es abfließen.

      Mein eigenes Blut schmeckte scheußlich.

      »Tascha.« Es war Justin, er kam auf uns zugelaufen. Abermals erfüllte Dennis seine Pflicht als Leibwächter und packte ihn, bevor er uns erreichte. Aber Justin war stärker, als ich, er wehrte sich, er windete sich in Dennis’ Umklammerung. Frank kam Dennis zu Hilfe, gemeinsam hielten sie ihn in Schach. Dennis beugte sich zu Justin und flüsterte leise in sein Ohr.

      Ich war in meinem Entsetzen und in meinem Schmerz gefangen, viel zu sehr, als das ich etwas von Dennis’ Worten verstand. Ich sah nur, wie Justin sich langsam entspannte. Dennis führte ihn, immer noch am Arm haltend und unablässig auf ihn einredend, von der Lichtung fort.

      Ich wollte ihnen hinterher rufen, aber meine Stimmbänder versagten mir noch ihren Dienst. So wurde daraus nur ein krächzender Laut, Justin drehte sich nicht mal um.

      Frank hockte sich vor mich. »Wir nehmen ihn mit, dein Liebchen, er kann sich noch als nützlich erweisen.«

      Abermals kam aus mir nur ein helles Krächzen. Ich konnte noch nichts machen, war nur ausgefüllt mit Schmerz.

      In ein paar Minuten, sollte Frank dann immer noch vor mir hocken, wäre ich wieder soweit hergestellt, das ich ihn angreifen könnte. Aber jetzt war ich noch die Geisel meines Schmerzes.

      Frank stand auf und lief Justin und Dennis nach.

      Es würde noch ein wenig dauern, bis ich die Verfolgung wieder aufnehmen könnte.

      Noch ein bisschen Zeit.

      Ich mochte schlafen, ich war so müde, so tot. Der starke Blutverlust schwächte mich zusätzlich. Er machte mich nicht bewegungsunfähig, aber er ließ meine Kräfte schwinden. Ich musste ganz schnell etwas Blut trinken, sonst brauchte ich den Beiden gar nicht erst gegenüber zu treten.

      Auf der Lichtung war es ruhig geworden, die Vögel schienen mich nicht als Bedrohung zu empfinden, sie zwitscherten weiter ihre fröhlichen Lieder.

      Wie aus einem Disney Film entsprungen hoppelte plötzlich eine Hasenfamilie über die Lichtung. Sie schienen meine Anwesenheit nicht zu spüren. Gab’s denn so was? Frisches, warmes Blut hoppelte einfach so an meinen Reißzähnen vorbei. Ich war begeistert.

      Jetzt nur keine falsche Bewegung, verfolgen könnte ich die Langohren nicht mehr, sie müssten schon zu mir kommen.

      Ich beobachtete aus den Augenwinkeln die gesellige Bande. Sie mümmelten das Gras und den Klee, genossen ihr Abendessen und kamen weiter hoppelnd in meine Richtung.

      Ich konnte es vor Gier kaum noch aushalten, aber ich musste regungslos verharren, ich durfte nicht riskieren, dass sie die Flucht ergriffen.

      Ich schloss meine Augen und versuchte mein inneres Monster zu beruhigen. Tatsächlich wurde ich ruhiger, konnte wieder klar denken. Als ich die Augen öffnete, sah ich einen Prachtburschen von Hasen keine zwei Meter neben mir. Er drehte mir seinen Rücken zu und suchte mümmelnd im Gras. Ich spannte meinen Körper und schnellte vorwärts. Seine langen Ohren wurden ihm zum Verhängnis, ich packte ihn daran, er strampelte wie wild. Die anderen Hasen ergriffen die Flucht, wie schnell sie waren, ich hätte niemals einen von ihnen erwischen können. Nicht in meinem Zustand.

      Ich ging mit meiner zappelnden Beute in Richtung Bäume. Dann packte ich den Hasen an seinen Hinterläufen und schlug ihn einmal kurz mit seinem Kopf gegen den Baum, das betäubte ihn.

      Ich setzte mich mit meinem Mahl unter den Baum, eigentlich fiel ich mehr hin, soviel Kraft hatten mich der Fang und der Gang hierhin gekostet. Dann schlug ich dem Häschen meine Reißzähne in den Bauch und trank sein Blut.

      Es schmeckte gar nicht mal so schlecht, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Leider war er ziemlich schnell leer, aber es war doch ausreichend. Genug um meine Wunde schneller verheilen zu lassen, genug, damit ich auf die Jagd gehen konnte, nach Frank, Dennis … und Justin.

      Ich stand auf und ging in die Richtung, in der die Vampire die Lichtung verlassen hatten.

      Langsam ging ich durch den Wald, zuerst waren meine Schritte schleppend, dann kam ich aber immer besser vorwärts. Ich wollte es nicht riskieren, schnell zu laufen, das wär Energieverschwendung.

      Krampfhaft versuchte ich mich zu orientieren, versuchte mich zu erinnern, wohin der Weg führte. Ich wusste noch, dass