Nadja Christin

Natascha


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hatte ihn erkannt.

      »JUSTIN!«, brüllte ich zu den Dächern der Häuser, »zeig dich! Oder bist du zu feige, Auge in Auge gegen mich zu kämpfen?« Ich hängte noch ein hämisches Lachen hintendran und wunderte mich im Stillen über mich selber.

      Ich bekam keine Antwort von ihm, jedenfalls keine mit Wörtern, seine Erwiderung bestand aus einem weiteren Feuerstrahl. Ich drehte mich noch weg, aber die Flammen trafen mich mitten auf den Rücken. Ein höllischer Schmerz durchzuckte mich, ich warf mich gegen die Hauswand um die Flammen zu ersticken, ich konnte mein verbranntes Fleisch riechen.

      »Na, wie gefällt dir das Feuer?« Justins Stimme war beißend und von einem Knurren untermalt. Ich wusste genau, worauf er anspielte.

      Erneut zwei Feuerstrahle, einer kam von rechts, einer von links, dazwischen stand ich. Sie kamen schnell und glühendheiß auf mich zu. Ich blickte mich nach einem Fluchtweg um, aber ich sah keinen. Der Strahl war jetzt breiter, nahm fast die gesamte Gasse ein, von Hauswand zu Hauswand.

      Ich wusste nicht wo ich hin sollte.

      Die Flammenwände kamen erbarmungslos auf mich zu, ich schloss die Augen, legte meinen Kopf in den Nacken, breitete die Arme aus, so gut es ging und atmete die heiße, rauchgeschwängerte Luft ein. Ich werde immer bei dir sein, egal was geschieht.

      Ja, genau, egal was geschieht…

      Ich lief los, auf die Flammenwand zu, kurz davor hob ich vom Boden ab und sprang kopfüber durch das Feuer. Ich fühlte, wie die Hitze mir die Haut verbrannte, spürte die Schmerzen, überall an meinem Körper. In meinen Ohren hörte ich das Rauschen und Fauchen des Feuers. Dann war ich durch. Ich machte einen Salto, stand wieder auf den Füßen und rannte los, lief wie eine Verrückte in Richtung Fluss. Die Flammen waren auf mir, ich spürte, wie sie versuchten durch mich durchzudringen, mein Fleisch verbrennen wollten.

      Dann war nur noch Kühle um mich herum, ich hatte das rettende Wasser erreicht und mich in den Fluss gestürzt.

      Das kalte Wasser hatte das Feuer auf mir gelöscht und kühlte meine Wunden. Ich ließ mich tiefer hinab gleiten.

      Ich konnte nicht ertrinken, aber ich war zu schwach um an die Oberfläche zu gelangen. Das Feuer hatte mich stark geschwächt. Meine Füße trafen auf den Grund, ich ließ mich im Schneidersitz darauf nieder, die Hände lagen locker auf den Knien und dachte nach. Das war wirklich clever gemacht, mich in der Gasse zu überfallen.

      Mit Flammenwerfer hatte ich niemals gerechnet, Josh wahrscheinlich auch nicht. In meinem Kopf hörte ich noch Justins enttäuschtes Knurren, als er mich nicht erwischte. Und wie seine Stimme klang, mit diesem grenzenlosen Hass darin. Feuer, wirklich clever von ihm.

      Ich musste hier raus, raus aus dem Wasser, ich musste etwas trinken, wieder zu Kräften kommen. Langsam bewegte ich mich zurück an die Oberfläche, zwischendurch legte ich eine Pause ein, ließ mich einfach treiben.

      Das Wasser trug keine Gerüche, ich roch die Welt außerhalb nicht, man konnte mich im Wasser aber auch nicht riechen. Das war mein Glück.

      Als ich kurz vor der Wasseroberfläche war, bemerkte ich, dass am Ufer jemand aufgeregt auf und ab rannte. Ich hielt mich an der Kaimauer fest und bewegte mich nicht mehr. Ich lauschte, die Geräusche drangen durch das Wasser zu mir durch, es hörte sich nur so an, als hatte ich mir die Ohren voller Watte gestopft. Aber ich konnte hören, dass es Justin und Dennis waren, sie suchten nach mir.

      »Ich habe genau gesehen, dass sie hier rein gesprungen ist«, hörte ich gerade Justins knurrende Stimme.

      »Ich auch«, antwortete ihm Dennis, »wo kann sie nur sein, ich kann sie nicht riechen.«

      »Das du sie aber auch nicht erwischt hast«, regte sich Justin auf, »sie war genau vor dir, wie konntest du sie nur verfehlen?«

      Ein ungeheures Knurren von Dennis. »Du warst auch nicht besser, also halt deine Klappe.«

      Das Heulen eines Hundes in einiger Entfernung war zu hören.

      »Verdammt«, zischte Dennis, »wir müssen weg hier.«

      »TASCHA!« Justins laute Stimme hallte über den dunklen Fluss, »ich werde dich erwischen und dann töte ich dich!«

      Ich schloss unter Wasser meine Augen, ja, das glaube ich dir unbesehen, du wirst mich töten, wenn ich dir nicht zuvorkomme. Ich fühlte mich nicht stark genug, sonst wäre ich aus dem Wasser gesprungen und hätte mich dem Kampf gestellt.

      Ich hörte sie weg rennen. Kurz darauf erneut das Geräusch von schnellen Füßen, ich blieb lieber unter der Oberfläche, wer weiß, vielleicht waren das ihre Gefolgsleute.

      Unerwartet schoss eine Hand ins Wasser, genau vor meinem Gesicht. Sie packte mich und zog mich, mit einer ungeheuren Kraft, aus dem Wasser.

      Das Erste was ich sah, waren rote, glühende Augen aus Lava. Das Nächste war Ansgars Gesicht und wie er mich angrinste. Er hielt mich am ausgestreckten Arm fest.

      »Du siehst aus, wie ein nasses Kätzchen«, dann zog er mich an seine Brust und umarmte mich. Augenblicklich fühlte ich mich wohler, sicherer.

      Ich bin immer bei dir, egal, was geschieht, schoss mir durch den Kopf.

      Das war mein ernst, hörte ich ihn in meinen Gedanken brummen.

      »Komm, ich bringe dich erst mal nach Hause, ich meine zu Josh.« Er trug mich wie ein kleines Kind auf seinen Armen. Ich versuchte mich zu konzentrieren, damit meine Wunden schneller heilten. Aber die Verletzungen waren schwer, es würde seine Zeit brauchen. Ohne frisches Menschenblut noch länger.

      Willst du was trinken? Hörte ich ihn abermals.

      Ja, schickte ich ihm zurück, dringend.

      Er stellte mich erneut auf die Füße und drückte mich leicht gegen die Hausmauer. Wir waren nicht weit entfernt von der Gasse, in der eben noch Justin und Dennis feuerschwingend über mich herfielen.

      Ansgar legte seinen Finger über den Mund und sagte in meinem Kopf: Sei leise!

      Ich nickte.

      Dann hörte ich die Schritte, leicht und zögernd waren sie, genau neben uns kam sie heraus.

      Sie wollte sich wohl verdrücken, nachdem alle anderen weg waren.

      Ansgar stürzte mit solch einer Schnelligkeit auf sie, dass sie erst einen Schrei ausstieß, als er sie bereits von hinten packte. Seinen Arm um ihre Mitte und über ihren Mund gelegt, kam aber nur noch ein »Hmpf«, heraus.

      Er blickte sich kurz um und kam näher zu mir.

      Er bog der Kleinen den Kopf nach hinten und legte somit ihren Hals vor mir frei.

      Schaffst du es alleine? Seine Stimme klang wirklich besorgt. Ich beugte mich etwas nach vorne und zog den Geruch ein, den das Mädchen verströmte. Sofort war mein Monster wach und schrie mich an. Mein Mund zog sich schmerzlich zusammen und meine Zähne waren plötzlich lang und spitz. Ich sah Ansgar an und musste grinsen, ich denke schon, schickte ich ihm in Gedanken. Dann sah ich, wie sich seine Augen veränderten, wie der Ring anwuchs und das Feuer erstickte, träge im Kreis floss, wie glühende Lava. Er grinste zurück.

      Ich schlug meine Zähne in den Hals des Mädchens, sie zuckte nur kurz, zu mehr war sie gar nicht fähig, in Ansgars stahlharter Umklammerung. Ich saugte das köstliche Blut in mich ein, Wärme breitete sich in meinem Körper aus und ich spürte, wie meine Selbstheilungskräfte sofort anfingen, meine Wunden zu verschließen.

      Dann hörte ich auf und blickte zu Ansgar. Willst du auch? Fragte ich ihn in Gedanken. Er sah mich ein bisschen erstaunt an, lächelte flüchtig und verbiss sich in ihren Hals.

      Mittlerweile war die Kleine ohnmächtig, aber nicht tot, ich hörte noch ihr Blut rauschen.

      Ich beobachtete Ansgar, wie er das Mädchen aussaugte. Ich wagte kaum daran zu denken, aber das war das erste Mal das ich eine Beute mit jemandem teilte, überhaupt bereit war zu teilen. Ich war ein wenig erstaunt über mich selbst. Ansgar ließ von ihr ab, legte mit