Nadja Christin

Natascha


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ich freundlich.

      »Guten Abend, die Herren«, ich schenkte ihnen einen verführerischen Augenaufschlag, »wärt ihr bitte so freundlich und meldet mich dem hohen Rat? Ich habe eine Aussage, vielmehr einen Vorschlag zu machen, der von äußerster Wichtigkeit ist.«

      Die Zwei tauschten einen verwunderten Blick aus.

      »Kommt mit«, sagte einer von ihnen, wahrscheinlich der Wortführer.

      Sie zogen die Doppeltür auf und ich stand in einem kleinen Vorraum mit Stühlen. Auch hier wurde die Decke von Säulen gestützt und alles war ebenso mit Mosaik verziert. Durch die Säulen hindurch, konnte ich in eine riesige Halle sehen.

      Auf der linken Seite stand ein großes Podest, es war stufenförmig angeordnet und der hohe Rat saß dort, nach Rang und Stellung geordnet. Alle trugen einen braunen Umhang, ähnlich einer Ordenstracht.

      Auf der rechten Seite waren, wie in einem Stadion, Sitzreihen aufgestellt. Nach hinten immer höher werdend und halb rund.

      Auf ihnen saßen Vampire, jede Menge Vampire. Ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor, aber die meisten kannte ich nicht.

      Der Wächter deutete mir an, hier zu warten, er ging hinter das Podium und stieg eine Treppe hoch, zum obersten Ratsmitglied, ich dachte, das war Alarich.

      Ich besah mir die anderen, die auf dem Podium saßen.

      Plötzlich bemerkte ich jemanden, der daneben stand. Er hatte die Beine leicht gespreizt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickte stur geradeaus. Er trug eine weiße Tunika und weiße Hosen.

      Ansgar, dachte ich und hoffte, dass er mich nicht hören konnte. Ich sah, wie sich sein Körper straffte, er blickte vor sich auf den Boden.

      Natascha? Bist du das? Seine Stimme in meinem Kopf klang erstaunt und ich glaubte auch, ein bisschen erfreut. Aber sofort schlug die Stimmung um und er wurde wütend.

       Was machst du hier? Josh wusste nicht, das du kommen würdest …

      Inzwischen hatte der Wächter, Alarich erreicht und ihm meine Bitte vorgetragen. Alarich teilte es den Anderen mit und ein Stimmgemurmel entstand auf dem Podium.

      »ANSGAR!« Die Stimme von Alarich durchschnitt die Luft und unterbrach Ansgars Stimme in meinem Kopf.

      Er drehte sich um und ging zu seinem Obersten, ebenfalls die Treppe hinter dem Podium hoch. Er beugte sich zu ihm und Alarich flüsterte in sein Ohr.

      Ich konnte nichts von der Unterhaltung verstehen, so betrachtete ich nur Ansgars Züge und wie sie sich in Sekundenbruchteilen veränderten. Mal zogen sich seine Augenbrauen düster zusammen, dann schüttelte er schnell mit dem Kopf, schlug die Augen nieder, nickte. Nur das letzte Wort konnte ich verstehen, vielmehr von seinen Lippen ablesen: Ja, Herr.

      Ansgar ging langsam die Treppe wieder herunter und kam in meine Richtung. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und blickte mit leicht gesenktem Kopf, düster an mir vorbei, in seinen Augen konnte ich eine wahre Feuersbrunst erkennen.

      Als er bei mir war, packte er mich am Arm und zog mich zurück, durch die Doppeltür und in die kleine Halle.

      Dort schleuderte er mich unsanft gegen die Wand.

      »Was zum Teufel machst du hier? Du weißt genau, dass der Rat noch hinter dir her ist, egal was ich denen erzählt habe. Also, was tust du hier.« Ich stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt und starrte zu Boden. Ich wusste nicht genau, was ich ihm sagen sollte.

      »ANTWORTE!«, brüllte er. Seine Stimme dröhnte in meinen Ohren und prallte hundertfach von den Wänden und der Decke in der kleinen Halle ab. Fast erwartete ich, dass die Säulen umstürzten und alles in sich zusammen krachte.

      Ich blickte ihn an und sah, wie er zurück zuckte. Sofort war seine Stimme in meinem Kopf, sie klang sanft und besorgt:

       Was ist mit deinen Augen geschehen? Was hast du gemacht?

      Ich habe geduscht und dann sahen sie so aus, dachte ich kurz. Laut sagte ich: »Ich weiß es nicht, Ansgar. Sie sahen einfach plötzlich … so aus.«

      »Das sind die Augen der desperatio, der Verzweiflung. Wusstest du das?«, sagte er leise.

      »Nein.« Verzweiflung, dachte ich, ich bin doch gar nicht verzweifelt. Vielleicht eher Zweigespalten. Flüchtig dachte ich an die unterschiedlichen Stimmen in mir, die sich nicht einigen konnten. Scheinbar nicht flüchtig genug, ich hatte wieder einmal die Tatsache vergessen, dass Ansgar meine Gedanken liest.

      Das ist nicht dein Ernst. Es klang fassungslos, dann drehte er sich um und ging mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch die kleine Halle. Den Kopf hielt er gesenkt, die Augen geschlossen. Seine Lippen bewegten sich, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Ich starrte ihn nur an und wusste weder, was ich sagen, noch was ich denken sollte.

      Ganz plötzlich war er bei mir und drückte mich mit seinem Körper gegen die Wand. Er sah mich an, das Feuer in seinen Augen loderte, flackerte immer wieder auf, der rote, feine Rand um die Iris pulsierte, als konnte er sich nicht entscheiden.

      »Ich kann dir nicht mehr helfen, Natascha«, flüsterte er,

       Du musst tun, was du tun musst.

      »Ich kann dich nicht zurückhalten«,

       Ich habe keine Macht über dich.

      »Ich habe versagt.«

      Der schnelle Wechsel zwischen seinen gesprochenen Worten und seiner Stimme in meinem Kopf machten mich nervös.

       Ich habe verloren, alles verloren.

      »Nein«, schnell legte ich ihm meine Finger über den Mund und hoffte, damit auch die Stimme in meinem Kopf zu stoppen.

      »Du hast nichts verloren, alles ist noch da. Du hast auch nicht versagt, du hast dein Bestes getan.«

      Du bist der, der du bist, schon vergessen? Schickte ich ihm in Gedanken nach. Er lächelte ein bisschen und das Feuer der Pupillen war kurz verschwunden. Er umarmte mich mit seinen kalten Armen und drückte mich an sich. Auch ich schlang meine Arme um ihn.

      »Natascha, warum bist du so verzweifelt, das sogar das Feuer der desperatio in dir brennt?«

      »Ich weiß es nicht«, ich wusste es wirklich nicht, nicht bewusst, ich ahnte etwas, aber genau wusste ich es nicht.

      »Du lässt mir keine andere Wahl.« Seine Stimme klang verzweifelt, und bevor ich noch reagieren konnte, schlug er mir seine Zähne in den Hals.

      Ich zuckte zusammen und stöhnte auf. Da war es wieder, dieses Gefühl, wenn er mein Blut saugte, das mich fast an den Rand des Wahnsinns trieb.

      Die Zeit dehnte sich aus, ich sah Feuer vor meinen Augen, alles verzehrendes Feuer. Als Ansgar von mir abließ und die Wunden verschloss, ging das Feuer langsam aus, es brannte nieder.

      Ich zwinkerte ein paar Mal, dabei rutschte ich langsam an der Wand nach unten, bis ich auf dem Boden saß. Ansgar hatte mich losgelassen und war gegangen, ich sah gerade noch die Doppeltüren zufallen.

      Mein Kopf war leer, eine totale Leere, ich sah mich verwundert um und wusste nicht, wo ich mich befand und was ich hier wollte.

      Die Doppeltür flog auf und Ansgar kam auf mich zu. Er packte mich am Arm und zerrte mich auf die Beine. Dann ging er mit mir die Treppen hoch. Er riss mich einfach mit. Ich stolperte ständig, ich blickte nach unten und überlegte, wozu die zwei dünnen Dinger da waren, die sich ständig bewegten.

      Beine, schoss es mir durch den Kopf, das sind meine Beine und ich kann sie bewegen.

      Wir waren oben angekommen, er zog mich durch die hölzerne Tür, den Gang entlang und dann durch den Ausgang. Wir standen im Freien. Tief atmete ich die süße Nachtluft ein.

      »Du kannst mich jetzt wieder loslassen«, ich runzelte meine Stirn, »ich kann alleine gehen.«

      »Nein, kommt nicht