Nadja Christin

Natascha


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Ich durchforstete mein Gehirn nach Erinnerungsfetzen, aber es herrschte weiterhin eine dumpfe Leere da drin.

      Ansgar zog und zerrte mich hinter sich her. Mittlerweile stolperte ich nicht mehr so viel, da ich mich wieder erinnern konnte, wie man die Beine benutzte.

      Er hielt erst an, als wir bei Joshs Hinterhof ankamen, er stieß mich noch durch die Türe, dann ließ er mich endlich los.

      Ich rieb mir den Arm, es schmerzte etwas. Ansgar holte eine Konserve aus dem Kühlschrank, goss sie in ein Glas und erwärmte sie. Das Licht der Mikrowelle fiel auf ihn und ich beobachtete fasziniert den Teller, der sich unaufhörlich drehte. Mir war, als hätte ich das noch nie gesehen, als wäre das völlig neu für mich. Das leise Pling der Mikro erschreckte mich ein bisschen.

      Ansgar nahm das Glas heraus und reichte es mir.

      »Nein, danke, ich habe keinen Durst«, sagte ich und hob abwehrend die Hände.

      »Trink es bitte.«

      »Nein, wirklich ich …«

      TRINK! Die Stimme in meinem Kopf dröhnte wie hundert Kirchenglocken. Ich hielt mir die Ohren zu, ich musste meinen Kopf festhalten, sonst explodierte er. Langsam öffnete ich wieder die Augen, die ich vor lauter Angst zusammengekniffen hatte. Er hielt mir erneut das Glas hin, diesmal nahm ich es an mich, ich mochte nie wieder diese laute Stimme in meinem Kopf hören.

      Ich nippte kurz, dann stürzte ich das Blut in einem Schluck herunter. Sofort breitete sich eine herrliche Wärme in mir aus und mit ihr kamen die Erinnerung zurück, die Erkenntnis, wer und was ich war und an die vergangenen Stunden. Meine Augen wurden immer größer, je mehr ich mich erinnerte. Ich musste mich an der Theke festhalten, um nicht umzukippen. Ansgar stand hinter dem Tresen und beobachtete mich, er lächelte, das Feuer war verschwunden, nur der rote Rand pulsierte noch leicht.

      »Geht’s wieder?«, fragte er irgendwann.

      »Ich glaube schon«, meine Stimme war ein einziges Krächzen.

      »Komm mit, du musst dich ausruhen«, er packte erneut meinen Arm und zerrte mich zur Kellertür.

      Wir gingen den Gang entlang, am Ende öffnete Ansgar eine Tür und wir standen in Joshs Schlafzimmer. Jedenfalls dachte ich, dass es das Schlafzimmer von Josh war, nur wusste ich nicht, was er damit wollte, da er genauso, wie alle anderen Vampire, nicht schlief.

      Keine Sorge, es ist nur sein Gästezimmer. Ansgars Stimme klang amüsiert. Dann warf er mich auf das weiche Doppelbett, ich versank fast in der Daunendecke.

      Ich federte noch ein bisschen auf und ab, da lag Ansgar auch schon neben mir, zog mich zu sich heran, umarmte mich mit einem Arm und blickte zur Decke.

      Ich lag auf seiner Schulter, nur wenige Zentimeter von seinem Hals entfernt. Ich starrte auf seine reine, weiße Haut und sah das Blut darunter pulsieren, ich zog die Luft durch die Nase ein, dann erinnerte ich mich, dass er ja nach nichts roch. Außer, man küsste ihn, dann war sein Geruch überwältigend. Vielleicht, wenn ich ganz nah ranging, vielleicht roch ich dann doch etwas.

      Ich rückte ein bisschen näher an ihn heran. Er starrte weiterhin zur Decke, legte nur seinen Arm etwas enger um mich. Ich war ganz nah bei ihm und an seinem Hals, ich hörte das Blut unter der Haut rauschen, ich schloss meine Augen und bewegte meinen Kopf noch näher zu ihm hin. Meine Lippen berührten ganz leicht seinen Hals, ich küsste ihn auf die kalte Haut.

      Lust durchschoss mich, umso mehr, als ich ihn aufstöhnen hörte. Ich fuhr mit den Lippen über seinen Hals, spürte die Muskeln darunter zucken, hörte sein Blut noch schneller rauschen. Sein Arm zog mich näher zu sich hin, dann drehte er sich blitzschnell auf die Seite und sah mich an. Blickte mich an, mit diesen hungrigen Augen, in denen das Feuer loderte und die braune Farbe sich träge im Kreis drehte, der Rand pulsierte heftig.

      Plötzlich fühlte ich seine Lippen auf meinen, ich stöhnte auf und umarmte ihn, drängte mich noch näher zu ihm hin.

      Da war er wieder, dieser köstliche Duft, tief saugte ich ihn in mich ein. Seine Hände schienen überall auf meinem Körper zu sein, er wühlte in meinen Haaren, strich über meinen Rücken, krallte die Finger in mein Fleisch und schien mich nie wieder loslassen zu wollen.

      Es war ein zu schönes Gefühl, ein reines Gefühl, nur die pure Lust zu verspüren, ohne schmerzliche Gefühle. Ich ließ mich einfach fallen, genoss seine Berührungen, seine Küsse, seinen Geruch, ohne an irgendetwas dabei zu denken. Mein ganzer Körper, auch mein Kopf, waren nur erfüllt mit Lust. Ich ließ es zu, nur zu gerne.

      Er drehte mich plötzlich herum und lag auf mir, unsere Hände waren ineinander verschränkt. Seine Lippen lösten sich von meinen, aber nur um meine Wangen, mein Ohr und meinen Hals zu küssen und zu streicheln.

      Er atmete schneller, sein Blut rauschte in einem irren Tempo durch seinen Körper, ich konnte es hören, auch mein eigenes Blut hörte ich. Er stöhnte kurz an meinem Ohr und pustete dabei seinen kalten Atem auf meine Haut.

      Ein unheimlicher Schauer jagte durch meinen Körper, ich stöhnte laut auf.

      Plötzlich hörte ich wieder seine Stimme in meinem Kopf:

       Du weißt, dass das hier nicht sein darf.

      Ja, ich weiß, mach bitte weiter. Ich zog ihm meine Fingernägel über den Rücken nach unten. Er warf den Kopf in den Nacken, bäumte sich auf und ich sah seine Zähne blitzen, sie waren lang und spitz. Dann hörte ich sein Stöhnen, ein Knurren. Ein anderes Geräusch, wie ich es bereits von ihm kannte, eher wie ein Löwengebrüll.

      Ganz plötzlich stand er vor dem Bett.

      Ich spürte kurz noch seinen festen, harten Körper auf mir, dann war auch das Gefühl weg.

      Er blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an.

      Noch mal… sein Atem ging viel zu schnell, du weißt, dass das hier nicht sein darf. Erklang es in meinem Kopf, seine Stimme war wütend.

      Ich atmete prustend aus und drehte mich auf die Seite. Ich wollte ihm keine Antwort geben, noch nicht einmal eine denken.

      »Ich soll mich ausruhen, hast du eben noch gesagt. Das werde ich jetzt auch tun.«

      Ich zog die zerwühlte Decke über mich und beschloss ihn zu ignorieren. Genervt schloss ich die Augen und versuchte an nichts zu denken. Versuchte mich zu beruhigen und meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Das Bett bewegte sich leicht, er legte sich zu mir, auf die Decke, nicht so nah wie eben noch. Trotzdem konnte ich ihn spüren und ein Schaudern durchlief mich erneut. Sofort rückte er ein wenig ab von mir.

      »Verzeih mir«, flüsterte er, »ich wollte nicht so weit gehen. Ich… ich hätte mich nicht mehr lange beherrschen können. Es tut mir wirklich leid.« Er schluckte kurz, »Bitte …«

      Da gibt es nichts zu verzeihen, ich schickte ihm meine Antwort in Gedanken, ich hatte keine Lust zu reden, meine Stimme würde mich verraten. Immer noch brannte mein ganzer Körper, eine kleine Berührung von ihm würde mein Feuer neu entfachen, es wieder auflodern, mich lichterloh brennen lassen und dann könnte ich mich wahrscheinlich nicht mehr beherrschen.

      Da gibt es nichts zu verzeihen, dachte ich nochmals, du hast wahrscheinlich recht.

      Er berührte ganz sachte meine Schulter unter der Decke.

       Danke, lass uns jetzt ein bisschen ausruhen.

      Er legte locker seinen Arm um meine Mitte, das konnte ich aushalten.

      So in die Decke geschmiegt erwartete ich die rote Wolke der Erinnerungen, vielleicht konnte ich die letzten Minuten noch einmal erleben, in meiner Fantasie.

      Ich wünschte es mir.

      Erschrocken riss ich meine Augen auf, es klopfte an die Tür.

      Ich spürte, wie Ansgar aufstand und zur Tür ging, vorsichtig öffnete er sie und zog sie hinter sich genauso leise wieder zu. Stimmengemurmel war zu hören, Joshs Stimme wütend und eindringlich, Ansgars beruhigend und