Rubinius Rabenrot

... und dann für immer!


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Vom Vertrag mit Kazumi, der ihr das Tor nach Japan öffnen würde.

      Gegen 23:00 Uhr brachte Lisa den Freund bis vor seine Haustür, sie verabschiedeten sich und verabredeten sich zum Frühstück, im Café Rottenhöfer, in der Residenzstraße, bevor es weiter nach Röhrmoos zum Sender Schickeria ging.

      Freitag, 14.06., um 23:05 Uhr. Auf Janas Balkon

      Einsamkeit war schon lange nichts Besonderes mehr für Jana. Aber heute wurde sie von der Langeweile, gepaart mit der Einsamkeit, fast erdrückt. Der Jaguarfilm war traurig und eine willkommene Ablenkung gewesen. Als der Film zu Ende war, kamen die Sehnsucht und die Einsamkeit zurück. Die Gedanken kreisten unaufhörlich um Ralf. Sie sehnte sich nach seinem Blick, seinem Lächeln. Was hätte sie gegeben, seine Haut berühren zu dürfen. Diese Einsamkeit, die sie schon so lange begleitete, mit der sie sich bereits arrangiert hatte, lag jetzt wie ein schwerer Stein auf ihrer Brust. Sie sollte ins Bett gehen, um dieser Stimmung zu entgehen. Sich hinlegen, an Ralf Rössler denken und dabei in den Schlaf fallen.

      Stattdessen stand Jana mit einem Glas Rotwein in der Hand auf dem Balkon und schaute hinunter auf die Mandelstraße. Auch dort unten war nichts mehr los. Die Bürgersteige nach elf bereits hochgeklappt. Das einzig Spannende war der rotfarbene 1er BMW, der ein Haus weiter angehalten hatte. Die Beifahrertür öffnete sich. Aber der Beifahrer stieg nicht aus. Wahrscheinlich ein junges Pärchen, das sich an diesem sommerlich warmen Junitag noch sehr viel zu erzählen hatte, bevor sie sich mit einem langen Kuss verabschiedeten. Wie würde es wohl sein, wenn Ralf Rössler sie nach einem Date nach Hause fahren würde? Jana atmete tief durch die Nase ein.

      Hinter ihr klingelte das Handy. Sie drehte sich um und schaute ins dunkle Wohnzimmer. Das Display leuchtete. Sie hatte keine Lust auf Quatschen. Jana ließ es einfach weiter klingeln und schaute wieder auf die Straße hinunter. Der BMW fuhr los. Ob jemand ausgestiegen war, wusste sie nicht.

      Ein aufgekratztes Pärchen ging unten am Haus vorbei. Laut waren sie, aber nicht laut genug, damit Jana verstehen konnte, was sie sagten. Das Paar lachte und bald verschwanden sie hinter der nächsten Häuserecke.

      Es war Zeit ins Bett zu gehen. Jana ging gelangweilt ins Wohnzimmer. Sie hatte nicht mal Lust auf den Wein. Sie stellte das Weinglas auf den Tisch und nahm das Mobiltelefon. Sie wischte über die gläserne Oberfläche des Displays und sah, dass ihre Freundin Kathi versucht hatte, sie zu erreichen.

      „Hey, ich bin´s, die Kathi wollt dir nur Bescheid geben, dass ich morgen um 12 bei dir bin. Muss dir unbedingt was erzählen“, hörte sie die angeheiterte Stimme der Freundin sagen. Jana schmunzelte.

      Im Bett dachte sie noch lange an die Augen, an das Gesicht von Ralf Rössler. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt waren die Bilder und die Sehnsucht nicht mehr stark genug, um gegen den Schlaf anzukommen.

      Samstag, 15.06. um 05:10 Uhr. Morgendliches Joggen

      Ralf Rössler genoss den frühen Morgen. Still war´s jetzt, um dieser Zeit in der Stadt und in seiner Straße, direkt am Englischen Garten. Im Osten stieg die Sonne als knallroter Feuerball auf. Wieder konnte München einen sommerlichen Tag erleben.

      Auf dem Balkon trank er in kleinen Schlucken ein Glas warmes Wasser. Wann würde er die Frau mit den smaragdgrünen Augen wiedersehen? Auch in dieser Nacht war er in seinen Träumen mit ihr vereint. Wo, wusste er nicht. Von den Traumbildern flogen nur noch vernebelte Bilder durch seine Erinnerung.

      Er Verließ seine Wohnung und joggte die Mandelstraße entlang, bis er in den Englischen Garten einbiegen konnte. Vögel zwitscherten. Es roch nach taufeuchtem Gras. Enten watschelten gemächlich über den Weg, hin zum See.

      Ralf sah auf seine Puls-Uhr. Alles lief perfekt. Er war heute so fit, dass es ihm leicht fiel, das Tempo zu erhöhen, ohne gleich über den gewünschten Bereich zu flutschen und angepiept zu werden.

      Einen Radiospot sollte er machen. Eigentlich fand er die Idee witzig und Lisa hatte Recht. Keiner, der ihn kannte, hörte den Münchner Sender Schickeria. Und wenn auch, war doch egal. Ein Spaß würde es auf jeden Fall werden.

      Er musste heute unbedingt Paul wegen des Aufenthalts in London anrufen. Gestern war sein Chef nicht mehr zu erreichen. Wahrscheinlich probte er mit dem Kirchenchor. Ralf freute sich sehr darauf, Paul den Verlauf des Gesprächs zu schildern. Der alte Henning würde Augen machen. Hatte er ihm doch vor der Abfahrt gesagt, dass er an das Geschäft nicht so recht glaube. Dass der Engländer ein knallharter Brocken sei. Nett, aber unerbittlich!

      Ralf lief bis zum Monument des Monopteros vor und genoss die dunstige Skyline Münchens. Immer mehr Jogger begegneten ihm und rannten grüßend und grinsend an ihm vorbei, als stünden sie alle unter Drogen. Er lief bis zum Hofgarten und wieder zurück. Die Sonne sog den Dunst auf, der wie ein Schleier über den Wiesen des Englischen Gartens lag. Der Himmel hatte dieses einmalige Blau, wie Ralf es nur von seiner Heimatstadt München kannte.

      In der Bäckerei in der Mandelstraße kaufte er sich die Tageszeitung und zwei Croissants.

      Nach den üblichen Dehnübungen auf dem Balkon seiner Wohnung duschte er und bereitete einen starken Kaffee zu. Er goss einen Schuss Sahne hinein und genoss das Gebäck zum Latte Macchiato, draußen am Balkontisch mit Blick über den Park.

      Gegen acht rief er Paul an.

      Mit einem trockenen „Henning“, meldete sich Paul Henning.

      „Guten Morgen, Paul.“

      „Ah, mein Lieblingsvertriebsmanager. Hab bereits gestern mit einem Anruf von dir gerechnet. Wie schaut es aus?“ Ein wohlwollendes Lächeln lag in Pauls Stimme. Er konnte aber auch die Neugierde und die Spannung in den Worten des alten Hennings heraushören.

      „Paul, halt dich fest: Wir haben den Auftrag und sollen für die kommende Woche einen Vertrag vorbereiten.“

      „Ralf, bist narrisch!“, jauchzte Paul durchs Telefon. „Das ist ja fantastisch. Sehr gut, Ralf.“ Triumphierend stieß Henning noch ein kurzes „Ja“ aus. „War´s schwer?“ Die Frage Pauls sollte wirklich nur rhetorischer Natur sein.

      „Einfach ist etwas anderes. Ich hätt es fast vermasselt, aber es war dann alles perfekt.“

      „Was meinst du, ‚du hättest es fast vermasselt?‘“ Es endstand eine kurze Pause. Ralf räusperte sich.

      „Oh, das ist delikat“, fuhr er etwas unsicher fort. „Ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen soll.“

      „Wie du möchtest, Ralf. Wunderbar, dass du das Geschäft unter Dach und Fach gebracht hast. Jetzt erzähl ich dir was. Vor 12 Jahren bin ich selber am Gerald Owen gescheitert. Der hatte so eine Art zu verhandeln, die mich völlig überfordert hat.“

      Ralf lachte. „Das kann ich dir sagen! Ich dachte, den Owen knack ich nie.“

      „Und? Können wir mit den Konditionen leben?“

      „Mehr als das. Ein richtig gutes Geschäft ist draus geworden. Ich musste bei Weitem nicht bis zu dem Limit gehen, das du mir erlaubt hattest. Gerald hat mir den Zuschlag gegeben, ohne am Preis herum zu feilschen. Wirklich ein netter Mann, der Gerald.“

      „Gerald? Meinst du, dass du mit Owen bereits per du bist?“

      „Ja, warum net?“

      „Weil er dafür berühmt ist, immer Geschäftliches und Privates strickt zu trennen. Jetzt interessiert mich aber schon, wie du diese Verhandlung so hingekriegt hast.“

      Rössler errötete. Wie sollte er Paul erzählen, dass er sich in eine Frau verliebt hatte, obwohl der festgesetzte Termin erst Mitte Juli stattfand. Aber war es doch genau dieses Verliebt sein, das ihm den Vertrag doch noch ermöglichte. Durch Ralfs Bekenntnis seiner Liebe zu der unbekannten Frau hatte sich Gerald Owen vom knallharten Verhandler wieder in den Mister Owen verwandelt, den er am Anfang kennengelernt hatte.

      „Soll ich es dir wirklich erzählen?“

      „Natürlich.