Rubinius Rabenrot

... und dann für immer!


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      „Und er ist der Sohn vom Chef!“, jubilierte Kathi triumphierend.

      Jana winkte ab. „Ach, was. Er ist für den weltweiten Vertrieb verantwortlich. Auf der Firmenseite steht, dass er Ralf Rössler heißt, viel in Amerika und Asien unterwegs ist. Ach, und das Foto von ihm! Die halblangen dunklen Haare und diese feurigen Augen! 32 Jahre ist er alt. Kathi, ich sag dir: wirklich ein Traum von einem Mann.“

      Jana legte den Teller mit dem Kuchen auf den Couchtisch, sprang auf holte den Laptop. Ungeduldig starrte sie auf den Bildschirm während der Computer hochfuhr und die Homepage sich aufbaute. Kathi schaute der Freundin erwartungsvoll zu. Als sie das Bild von Ralf angezeigt bekam, stellte Jana den Laptop vor Kathi auf den Tisch. „Das ist er.“

      Kathi schaute fasziniert auf das Bild des Mannes. „Was für ein Prachtkerl!“, sagte sie staunend. „Keine Angst“, sie lächelte ihre Freundin an. „Der Jungspund ist nichts für mich. Ich steh mehr auf die älteren Modelle.“ Zufrieden sah sie Jana an. „Das klingt mir aber sehr gut“, fuhr Kathi fort. „Ist ja gar nicht so ein Phantom der Ralf Rössler. Du weißt wo er arbeitet, weißt wie er heißt. Du gehst einfach in den vierten Stock, stellst dich vor und fragst ob er nicht Lust hat, mit dir auf ein Glas Wein auszugehen.“

      Entsetzt sah Jana ihre Freundin an. „Kathi, bist närrisch. Das trau ich mich nicht. Das ist es ja, was mich so verzweifeln lässt. Ich würd mich nicht trauen, auf ihn zu zugehen.“

      Eine Zeitlang beobachtete die Freundin die liebestrunkene Jana. Mitleidig schaute sie Jana an, die gedankenversunken an ihrem Glas nippte. „Bist verliebt?“, fragte sie.

      Jana nickte und hob die Schultern, als würde sie fragen: „Und was soll ich machen?“

      Beide schwiegen, und aßen den köstlichen Kuchen und tranken den Kaffee.

      „Und wie soll es jetzt weitergehen?“

      „Keine Ahnung, mich hat´s ganz schön erwischt. Immer, wenn ich den Fahrstuhl in der Firma benutzt hab´, war die Hoffnung da, dass Ralf Rössler drin ist und ich war enttäuscht, wenn der Aufzug leer war. Obwohl ich genau wusste, und das ist wirklich zu bescheuert, dass er bis gestern Abend in London war. Wie ein Teenie, Kathi, wie ein unreifer Teenager.“

      Jana stand auf und ging zum Fenster. Sie schaute hinaus auf den Englischen Garten.

      „Vielleicht ist er da draußen irgendwo, ganz in der Nähe. Kathi, mir ist so, als wäre er ganz in meiner Nähe und ich kann ihn nicht sehen.“

      Kathi ging zur Freundin und legte ihr freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Lange schauten sie hinüber in Münchens schönsten Park und schwiegen.

      Jana mochte Kathi sehr. Mit ihr konnte sie immer alles besprechen. Wie gut, dass sie eine Freundin gefunden hatte, die älter war als sie selbst. Ganz zufällig war ihr Kathi auf einer Party begegnet. Für Jana war die Freundin in der Zeit nach Matthis Tod ein riesiger Glücksfall gewesen und mehr und mehr wurde sie der wichtigste Mensch in ihrem Leben.

      „Jana, vertrau drauf. Wenn er der Richtige ist, dann wird es die Liebe schon richten“, sagte Kathi leise, um das Schweigen zu brechen. „Wollen wir spazieren gehen?“

      „Gern.“

      Jana drehte sich um und Kathi nahm sie in den Arm.

      Samstag, 15.06, um 10:00 Uhr. Im Nobelcafé

      Am Schaufenster des Nobelcafés wartete Lisa von Gräfing, Ralfs Freundin, auf ihn. Interessiert betrachtete sie die kunstvoll arrangierten Vollmilchpralinen auf dem blauen Samt.

      Wie ein Top-Model sah sie aus, das professionell locker auf ihren Einsatz für das Fotoshooting wartete. Ihre langen, blonden Haare bewegten sich leicht im Wind. Die hautengen Jeans und das eng anliegenden T-Shirt betonten ihre Figur. Diese Frau war an diesem Vormittag der Hingucker in dieser Straße. Elegant trug sie die Handtasche aus ihrer eigenen Kollektion an ihrem Arm. Lisa war spürte all die Blicke, die sie auf sich zog und genoss es, der Welt ihre Vorzüge zu zeigen. Ralf ging auf die Freundin zu.

      „Bist spät dran“, sagte sie mit einem Schmunzeln und sah auf ihre Armbanduhr.

      „Wartest du schon lange?“, erkundigte er sich ein wenig beschämt.

      „Kein Problem. Bin vielleicht zehn Minuten hier.“

      „Oh, tut mir leid.“ Ralf umarmte Lisa.

      „Ich bin früh aufgestanden. Bin durch den Englischen Garten gejoggt und habe mit meinem Boss telefoniert wegen London. Paul wartete schon völlig gespannt, was aus der Geschichte in London geworden ist. Ich bin mit einer Tasse Tee auf den Balkon gegangen und hab die Zeit verträumt. Lisa, bitte entschuldige.“

      „Is scho´ gut, bleib locker. Komm, lass uns frühstücken gehen. Ich hab einen Bärenhunger.“

      Ralf nahm die Hand der Freundin und sie gingen in das Café. Kurz schauten sie sich nach einem gemütlichen Platz um. Im unteren Bereich des Cafés gab es keinen freien Tisch mehr. Von der Bedienung wurde sie in die erste Etage geschickt und dort fanden sie den Platz, den sie gesucht hatte.

      Perfekter konnte ein Frühstück nicht sein, und nachdem sie ihren Bauch mit allerlei Köstlichkeiten vollgeschlagen, und das wichtigste für den Tag besprochen hatten, machten sie sich mit Lisas Auto auf den Weg Richtung Dachau nach Röhrmoos. Der Radiosender Schickeria hatte sich dort einen Bauernhof ausgebaut.

      „Warum in Röhrmoos, warum so weit draußen, außerhalb der Stadt, am Arsch der Welt?“

      „Um von den Kosten runter zu kommen, haben sie das Studio in München aufgegeben und sich den Bauernhof gekauft, wie Rosa sagt“, erklärte Lisa. „Und im Zeitalter des Internets ist es einerlei, wo man die Meldungen empfängt, um sie in die Radios, egal wo, in Bayern weiterzuleiten.“

      „Wo liegt denn dieses Röhrmoos überhaupt?“

      „Nördlich von Dachau, glaub ich.“ Ralf sah Lisa an und verdrehte die Augen.

      „Hab´ dich nicht so. Das wird spaßig.“ Lisa lachte ihr strahlendes Lachen.

      „Du musst ja nicht deinen hübschen Arsch hinhalten.“

      „Mein lieber Ralf, gern täte ich demjenigen meinen Arsch hinhalten, in den ich mich so verliebt hätte.“ Sie zwinkerte ihm zu.

      Die Landschaft wurde immer ländlicher. Wolkenlos war der Himmel und jetzt, im Frühsommer, sahen die Wiesen und die Bäume so satt und grün aus, als könnte es nie mehr Winter werden.

      Samstag, 15.06., um 11:50 Uhr. Sender Schickeria

      Vor dem sanierten Bauernhof saß Rosa Theresa Überschlag, die Sprecherin und Redakteurin des Senders Schickeria in einem wuchtigen Gartensessel, mit ein paar losen Din-A-4 Blättern und einem Glas Latte macchiato vor sich auf dem Tisch.

      Sie wartete auf Lisa und deren Freund Ralf. Mal sehen, wie sich das neue Format innerhalb von ein paar Stunden lancieren ließ. Seit dem Vormittag betrieb sie massiv Werbung für die Sendung, die sie erst einen Tag zuvor mit ihrem Chef und ab-und-zu-Liebhaber, Raul Wurzelschläger, besprochen hatte.

      Raul hatte sich sofort begeistert an die Arbeit gemacht. Eine fantastische Idee, ein Radiomagazin zu etablieren, in dem Verliebte nach Menschen suchten, denen sie zufällig begegnet waren. Ein Magazin für Liebende am Samstagnachmittag, unterlegt mit drei Stunden Interviews über Sex, Liebe, Liebesliedern und natürlich Werbung.

      Von weitem erkannte sie Lisas rötlichen BMW. Rosa Theresa lächelte, denn sie freute sich auf die Freundin. Als der Wagen auf dem Parkplatz vor dem Sender einparkte, ging Rosa auf ihren Besuch zu.

      „Servus, Lisa“, sagte sie, als die Freundin die Tür des Autos öffnete.

      „Grüß Gott Rosi, des is der Ralf Rössler, mein Freund. Kennt ihr euch schon?“

      „Na, no net“, sagte