Rubinius Rabenrot

... und dann für immer!


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dezent ihre Augen und die Lippen. Sie betrachte sich im Spiegel. Ob sie Ralf Rössler so gefallen würde? Jana nahm ihre Handtasche und sah auf die Uhr. Spät war sie dran. Aber sie zuckte mit den Schultern. Egal, die meisten Telefonate und den Großteil des Schreibkrams waren bereits seit gestern erledigt. Heute wollte sie früher von der Arbeit nach Hause gehen. Wenn Kathy am Samstag vorbei schauen würde, sollte die Wohnung glänzen, dass sich ihre Freundin darin spiegeln konnte.

      Sommerlich warm war es und ein Tag, wie sie ihn liebte und wie ihn alle Münchener liebten. Azurblauer Himmel und Sonne satt, für alle ausreichend, um die Biergärten zu bevölkern. Jana ging am Wedekindplatz vorbei, hin zur U-Bahn-Station Münchner Freiheit.

      ‚Endlich wieder Freitag‘, konnte sie in den erleichterten Gesichtern der Leute lesen. Sie nahm die Rolltreppe und fuhr zur kühlen U-Bahn-Station hinunter. Von der rüttelnden Treppe aus hörte sie das Herankommen der Bahn. Jana schritt so rasch sie konnte auf den wackligen und kantigen Treppenstufen hinab auf den Bahnsteig, lief bis zum letzten Wagen und stieg in die dicht gefüllte U-Bahn ein.

      Mürrisch starrten die Fahrgäste aus den Fenstern, als gäbe es außer der Schwärze der Tunnelwand noch vieles anderes da draußen zu sehen. Es roch im Wagon, wie an jedem Tag, wenn sie zur Arbeit fuhr, nach Deodorants, spottbilligem bis hin zu teuren Parfüms, und nach dem unverkennbaren Duft von menschlichem Schweiß.

      Am Petuelring stieg sie aus Bahn und begab sich wieder hinauf in das sonnige Tageslicht. Jana schlenderte gemütlich auf das Gelände der Henning-Manufaktur zu. Ihre Gedanken verloren sich in einer Welt, in der sie mit Ralf Rössler über die Berge und Almwiesen schwebte. Von weiten kam ihr der Duft des Henningschen Werkes entgegen. Jana liebte den Geruch nach Schokolade. Sie ging über den Parkplatz der Firma und betrat früher als gedacht die Schokoladefabrik.

      „Frau Blum, guten Morgen“, grüßte sie der Portier. „Des is für sie abgegeben worden.“

      Jana errötete. Hatte Ralf ihr eine Nachricht hinterlassen?

      „Servus, guten Morgen, Franz.“ Sie ging auf den Pförtner zu und nahm das Kuvert.

      „Danke.“ Jana nahm den Brief, steckte ihn in ihre Handtasche. Sie stempelte ihre Karte ab und ging zum Aufzug. Diesmal musste sie auf den Fahrstuhl warten, und als er sich langsam öffnete, begann ihr Herz zu pochen. Aber der Fahrstuhl war leer.

      „Schade“, flüsterte sie. Aber sie hatte ja Herrn Owen geschrieben, dass Ralf Rössler zum Termin nach London kam. Also hielt sich ihre Enttäuschung in Grenzen.

      Im dritten Stock angekommen, stellte sie die Handtasche auf den Schreibtisch ab und fing an, alles Nötige für das Tagwerk einzurichten.

      Jana wollte gerade aus der Handtasche das Kuvert nehmen, als es an der Tür klopfte.

      „Herein“, rief sie und drehte sich um.

      „Guten Morgen, Jana.“

      „Guten Morgen, Evelyn, wie geht’s?“

      „Ach, geht so. Hab‘ an Anschiss bekommen, weil ich gestern an Fehler gemacht hab. Egal.“

      „Was ist denn passiert?“

      „Hab das Fax nach Mailand geschickt und nicht mehr nachgeschaut, ob es auch gesendet worden war. Heut Morgen riefen die Mailänder hier an und probten einen riesigen Aufstand. Naja, kennst ja die Italiener. Ein riesen Trara wegen so einer Kleinigkeit.“ Evelyn lächelt. „Jana, hast Lust mit uns Weibern heut nach der Arbeit zum Chinesischen Turm zu gehen?“

      „Oh, das passt heut‘ nicht so recht. Bekomm morgen Besuch und da wollt ich meine Wohnung sauber machen.“

      „Ach, schad‘. Bist schon lang nicht mehr mit uns mitgegangen.“

      „Tut mir leid. Vielleicht nächstes Wochenende.“

      „Versäumst was, garantiert.“

      Jana zwinkert der Arbeitskollegin zu. „Hundertprozentig.“

      „Na dann, mach´s gut, Schatzerl. A schön´s Weekend wünsch ich dir.“

      „Servus, Evelyn. Dir auch und viel Spaß.“

      Jana mochte Evelyn und es machte immer Spaß, mit der Ulknudel unterwegs zu sein.

      Ihrer Freundin Kathy schrieb sie eine Mail, dass sie sich sehr auf den Besuch freue. Um zwölf, antwortete die Freundin, würde sie am Samstag bei ihr sein.

      Im Bauch flackerte die Freude, endlich mit jemandem über Ralf Rössler ratschen zu können. Eventuell hatte Kathy eine Idee, wie Jana Kontakt zu Ralf aufnehmen könnte. Das Mittagessen ließ sie ausfallen. War nicht wichtig und lieber ging sie früher, als sich ein Essen hineinzuzwängen, zu dem sie keine Lust hatte. Immer wieder dachte sie an Ralf Rössler und zwischendurch, wenn sie es keinesfalls mehr auszuhalten schien, klickte sie die Homepage der Firma an, um sich das Bild von ihm anzuschauen.

      Zum Arbeiten musste sie sich zwingen und es ging ihr schlecht von der Hand - denn immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, an die Erinnerung des Traumes und des Lächelns von Ralf im Aufzug.

      „Gott, nie hätt ich gedacht, dass es mich nochmal so erwischen kann“, mummelte sie vor sich hin.

      Bis kurz nach drei arbeitete sie die Post ab, räumte den Schreibtisch auf, schaltete den Computer aus und machte sich auf den Weg nach Hause.

      Als sie wieder am Pförtner vorbei ging, erinnerte sie sich an das Kuvert, dass er ihr gegeben hatte. Wie hatte sie es nur vergessen können?

      Mitten in der Eingangshalle blieb sie stehen und öffnete den Briefumschlag. Eine Einladung zu einem Geburtstag von einem Arbeitskollegen, den sie gar nicht so recht kannte. Jana schmunzelte. Wahrscheinlich gab es wieder Männerüberschuss.

      Mit der U-Bahn fuhr sie zurück nach Schwabing. In einem Supermarkt kaufte sie sich ein abgepacktes Sushi. Zum Kochen war keine Zeit und das Verlangen, sich in die Küche zu stellen, viel zu gering.

      Das Wetter war zu herrlich, um zu putzen. Aber morgen würde sie sich über die saubere Wohnung freuen.

      Freitag, 14.06., 17:00 Uhr. Auf der Fahrt zum Flughafen Heathrow.

      Was für ein erfolgreicher Tag lag hinter ihm und was für ein Mann, dieser Owen! Ralf saß zum ersten Mal in einem Rolls-Royce Phantom. Gerald hatte darauf bestanden, dass Ralf von seinem Chauffeur zum Flughafen gefahren, wurde. Um ihn herum nur Walnussholz und feinstes Leder. Sogar der Himmel des Wagens war mit hellem Ziegenleder ausgeschlagen. Gerne wäre er mit diesem Auto bis nach München gefahren. Denn das Fliegen konnte niemals den entspannten Sitzkomfort, die Aussicht aus diesem wunderschönen Auto und vor allem die gut bestückte Minibar ersetzen.

      Jetzt war er auf den Weg nach Hause. Das Gesicht seiner grünen Fee tauchte in der Erinnerung auf. Er sah auf die Uhr. 17:05 Uhr. Um 18:20 startete sein Flugzeug und landete um 18:25 Uhr, wegen der Zeitumstellung am Münchner Flughafen. Er war sehr gut in der Zeit.

      Was für ein Tag! Gerald Owen war beeindruckend in allem, was er tat. Obwohl Ralf ein sehr gutes Business-Englisch sprach, war er froh, dass Gerald Owen fließend und verhandlungssicher Deutsch sprach. Geralds ersten Berührungen mit der deutschen Sprache, so erzählte er ihm, machte er bereits in jungen Jahren an der Universität und hatte sie dann weiterhin gepflegt. Seine Sprechweise bei Besuchen in Deutschland verfeinert und durch das Lesen der Klassiker weiter verbessert. Oftmals hatte er sich mit einer der erstklassigen Erzählungen vor den Kamin gesetzt und sich von der harten Arbeit erholt. Gerald, stellte sich heraus, war ein großer Anhänger der Romantiker und der deutschen Nachkriegsliteratur. Vor allem aber liebte er Büchner und Böll.

      Nachdem Owen seinen Gast durch die Pralinenfabrik geführt und ihm die gesamte Palette an Pralinen erklärt hatte, die bei „Lizzy & Sweet“ hergestellte wurden, kamen sie zum eigentlichen Teil ihres Treffens: zur Verhandlung über den Preis der Kuvertüre, die Owen von den Münchnern abnehmen wollte. Zuerst wurden die Themen nur gestreift und Ralf befürchtete schon, dass es ein sehr langer Arbeitstag werden würde oder dass das Ergebnis gar auf