Wilma Burk

Tauziehen am Myrtenkranz


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Mama wollte mich nicht so schnell hergeben. „Wie soll ich in dieser kurzen Zeit alles zu einer Hochzeitsfeier beschaffen, wo das gerade jetzt besonders schwer ist?“, versuchte sie einen letzten Einwand.

      „Wir brauchen nicht viel, um zu heiraten“, wehrte Konrad ab. „Bitte, verstehen Sie meine Ungeduld“, fügte er hinzu. Dabei sah er mich vielsagend an. Ich verstand, was er meinte. Hier vor Mama und Papa war mir das peinlich. Wenn sie es errieten. Verlegen schlug ich die Augen nieder und errötete heftig.

      „Eine Hochzeit ohne Feier - das, Herr Haideck, ist nicht Ihr Ernst?“, machte Mama noch einen letzten Versuch.

      Bis hierher hatte ich schweigend dabeigestanden. Alles wäre mir recht gewesen, aber heiraten ohne eine Feier? „Nein“, rief ich dazwischen und blickte Konrad beschwörend an. „Ich möchte eine richtige Hochzeit haben, mit Freunden und Verwandten.“ Meinen Traum von Kranz und Schleier wollte ich nicht aufgeben, nicht einmal Konrad zuliebe.

      Noch ehe Konrad antworten konnte, mischte sich Papa ein. „Das können wir immer noch besprechen“, beschwichtigte er.

      Jetzt erst wunderte ich mich, dass Papa einer schnellen Heirat nicht widersprochen hatte. Konrad musste ihn im Sturm erobert haben.

      „Wir lassen euch erst einmal allein“, bestimmte Papa sichtlich großzügig und schob Mama und Bruno zu Tür hinaus. „Du auch, Traudel“, musste er sie ermahnen. Sie stand neben uns mit großen Augen, wie fest gebannt auf ihrem Platz. Sie wollte nichts, aber auch gar nichts versäumen.

      Die Tür schloss sich hinter ihnen. Traudels eifriges Plappern und Brunos herablassende Reden verloren sich zur Küche hin. Er fand das alles übertrieben feierlich. „So 'n Blödsinn!“ hörte ich ihn noch sagen.

      Konrad und ich sahen uns stumm an. Hier, in der Nähe meiner Familie, bekam ich es nicht einmal fertig, ihm wie sonst in die Arme zu springen. Fast verlegen wie am ersten Tag, stand ich am selben Fleck. Konrad spürte es. Ein amüsiertes Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich fragte mich, ob er wie Bruno dies feierliche Getue auch für Blödsinn hielt. Doch als er in seine Jackentasche griff und ein kleines Kästchen herauszog wurde er ernst. Zwei silberne Trauringe lagen darin.

      „Ich hoffe, wir können sie einmal in goldene Ringe umtauschen“, sagte er und streifte mir den schmalen Reif über den Ringfinger der linken Hand. Nun war auch er feierlich geworden. Als ich ihm auch seinen Ring übergestreift hatte, besiegelte ein warmer liebevoller Kuss - kein leidenschaftlicher - unser unausgesprochenes Versprechen, nun unseren Lebensweg gemeinsam zu gehen.

      Dann stand Mama mit der Kanne voll dampfendem Kaffee in der Tür und mahnte, dass es Zeit sei, am Kaffeetisch im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Bald saßen wir alle in gemütlicher Runde und es war, als hätte Konrad schon immer zu uns gehört. Auch Konrad fühlte sich offensichtlich nicht fremd.

      Als der Kaffeetisch abgeräumt war, packte Konrad seine Tabakpfeife aus. Dazu holte er ein Kästchen mit Tabak hervor und bot Papa an, sich daraus auch seine Pfeife zu stopfen. „Das ist aus eigenem Anbau“, betonte er stolz.

      Papa nahm das Kästchen entgegen und roch daran. „Donnerwetter“, lobte er, ,,wenn der Tabak so schmeckt, wie er riecht.“

      Damit hatten sie ihr Gesprächsthema gefunden, Tabakanbau und seine Fermentierung. Papa pflanzte selbst im Hof unseres Häuserblocks jedes Jahr ein paar Stauden an. In dieser Zeit, da selbst Tabakwaren rationiert waren, hatte jeder Mieter ein Stückchen des ehemaligen Rasens zugeteilt bekommen. So war der sehr geräumige Hof - denn Hinterhäuser gab es in unserer Siedlung nicht - zu einem Schrebergarten geworden. Da wuchsen Radieschen, Tomaten, Gemüse oder eben Tabak.

      Tabak, Tabak! - Es war ja schön, dass Papa und Konrad sich gleich so gut verstanden, aber allmählich ging mir dieses ausdauernde Gerede darüber auf die Nerven. Sie ereiferten sich dabei, während wir gelangweilt herumsaßen. Gab es denn an diesem Tag unserer Verlobung nichts Wichtigeres als Tabak? Eigentlich dachte ich, Konrad könnte jetzt nur noch Augen für mich haben und nicht von meiner Seite weichen. Dabei begann ich schon zu befürchten, sie würden noch in den Hof gehen, um das Stückchen Erde mit den jungen Pflanzen zu begutachten. Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Mama sah es. Sie rettete wieder einmal die Situation, indem sie Konrad nach seiner Firma fragte, bei der er arbeitete.

      Als Konrad ging, begleitete ich ihn ein Stück die Straße entlang. Ein Weilchen noch hatte ich ihn allein für mich. Fest hakte ich mich bei ihm ein, als würde ich ihn nun besitzen. Ein Glücksgefühl erfüllte mich. Ich meinte, jeder Vorübergehende müsste es erkennen: Ich war verlobt!

      *

      Diesen Eintritt Konrads in unsere Familie konnte man als gelungen bezeichnen. Doch mit diesem kleinen Kreis hatte er noch nicht alle erobert. Es gab zwei „Käuze“ in der weiteren Familie. So nannte sie Bruno. Doch durften weder Mama noch Papa das hören, denn Mama wollte keineswegs von ihrer Schwester Emmy lassen, noch Papa von seinem Bruder Anton.

      Tante Emmy war in jungen Jahren verheiratet gewesen. Dunkel erinnere ich mich an einen Onkel Emil, von dem sie sich jedoch scheiden ließ. Danach war sie im Laufe der Jahre verbittert geworden. Männern und Ehe stand sie fast feindlich gegenüber. Sie war Lehrerin und leitete inzwischen als Direktorin eine Schule. Sie ging ganz auf in ihrer Arbeit und bildete sich auf ihren Erfolg viel ein.

      Onkel Anton hatte verstanden, sich im Krieg den richtigen Posten beim Militär zu beschaffen. Als gelernter Hotelkoch war ihm das nicht schwer gefallen. So hatte er in all den Jahren in der Militärküche seine beleibte Figur beibehalten. Auch jetzt noch, als Koch in der Kantine eines großen Werkes tätig, war er nicht viel schlanker geworden. Onkel Anton war die größte Hoffnung Mamas neben Tante Luise vom Lande, was die Tafel der Hochzeitsfeier betraf.

      Tante Emmy und Onkel Anton standen zueinander wie Hund und Katze. Tante Emmy pflegte von ihm zu sagen: „Wenn ihr wissen wollt, wie die Männer sind, gewissenlos und egoistisch, dann seht euch Anton an. Der neue Fuchskragen seiner so genannten Haushälterin spricht doch Bände. Oder glaubt ihr tatsächlich, sie sei nur das?“

      Niemand zweifelte an der Beziehung Onkel Antons zu seiner Haushälterin. Doch außer Tante Emmy sprach niemand mehr darüber. Einmal hatten Mama und Papa ihn gefragt, warum er sie nicht heiratet. Da hatte Onkel Anton gelacht und gemeint: „Heiraten, mit Ring und so, das ist ungemütlich. Das hat so viele Pflichten und so wenig Liebe.“ So ergab es sich, dass die Haushälterin auch in die Familie eingeladen wurde. Nur gelegentlich fragte noch einer hinter vorgehaltener Hand, wie sich diese Person nicht schämen könne?

      Onkel Anton bezeichnete Tante Emmy stets als typische alte Jungfer. „Wenn man nicht wüsste, dass sie einmal verheiratet war“, setzte er jedoch augenzwinkernd hinzu. Im Männerkreis konnte man ihn vieldeutig flüstern hören: „Armer Emil, der wäre ich auch davongerannt.“

      Welche Reaktion auf unsere Verlobung und baldige Hochzeit war von diesen beiden zu erwarten?

      Onkel Anton lachte, schlug sich auf seine fetten Schenkel und rief: „Wieder ein Unglücklicher ins Netz gegangen!“

      Beinahe hätte ich mich darüber geärgert. Aber Onkel Anton nahm man seine Worte nicht so leicht übel. Meistens zwinkerte er dabei mit einem Auge, so dass man nie genau wusste, ob er es scherzhaft oder ernst meinte.

      Wie anders dagegen Tante Emmy. „Sssst!“, schnalzte sie ungehalten mit der Zunge. „Wie kann man nach so kurzer Zeit schon heiraten. Das wird ein Jammern geben, wenn ihr merkt, dass ihr nicht zusammenpasst.“ Nie fand sich auch nur eine Spur von Humor in ihren Worten, beinahe bissig stieß sie die heraus. Wir Kinder waren ihr gern aus dem Weg gegangen.

      Nur Mama hatte Nachsicht mit ihr. „Das müsst ihr verstehen, das Leben hat es eben nicht gut mit ihr gemeint“, verteidigte sie ihre Schwester.

       *

      Was konnte mich das alles verdrießen. Die nächsten Wochen waren für mich voller Erwartung und Seligkeit. Traudel wurde nicht müde, mich forschend anzusehen und zu fragen: „Wie fühlt man sich als Braut?“

      Konrad gab bald meinem Betteln nach und war einverstanden mit einer Hochzeit mit Kranz,