Wilma Burk

Rätsel um Malipu


Скачать книгу

Jojotu und Babahu waren längst durch die Mauer geschwebt und saßen wartend auf der Straße vor dem Haus, da kam Imada noch immer nicht heraus. Vom Schornstein holten sie ihn am Ende herunter. Wie war er da nur hingekommen? Dann flogen alle drei an Mond und Sonne vorbei, weiter durchs Universum, heim nach Magihexanien.

      *

      Währenddessen saß Malipu, der Wissende, in den Bergen von Magihexanien vor seiner Höhle und schaute in sein schlaues Buch. Darin notierte er sich alles Wissenswerte. Jetzt aber konnte er nichts mehr darin lesen.

      „Verdreibelte Magiwut! Was ist das nur?“, schimpfte er vor sich hin.

      Er nahm seine Brille ab, wischte sich über die Augen und setzte sie wieder auf. Doch nichts hatte sich verändert. Das Buch war voll. Gestern hatte er noch mit Müh und Not eine Notiz unterbringen können. Wo war sie heute? Er blätterte die Seiten um und um. Doch die Buchstaben drängelten sich. Sie tanzten umeinander, rutschten hinauf oder hinunter, verschwanden und kamen wieder. Wörter drehten sich um sich selbst. Er glaubte sogar, sie stöhnen zu hören. Wie konnte er da noch etwas lesen. Wie aber sollte er weiterhin alles neue Wissen um die Welt, die Erde und die Menschen im Kopf behalten, war der doch auch voll genug. „Herr des Lebens, hilf!“, dachte Malipu, schlug das Buch zu und schaute sich um.

      „Aber, flixdiwix! Ich kann sonst alles um mich herum deutlich erkennen. Was ist los mit mir?“, murmelte er vor sich hin. Und er sah die Berge mit ihren bunten Gipfeln, die funkelten, als wären sie aus lauter Edelsteinen zusammengesetzt. Auch bei dem Lebensstrom im Tal war ihm, als könne er darin verfolgen, wie die goldenen Lebenstropfen, die aus dem ewigen, unendlichen See des Lebens kommen, zum schwarzen Loch fließen. Danach schweben sie als kleine Nebel zur Erde, dringen ein in alles, was wachsen soll, und bringen ihm die Lebenskraft, ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze zu werden. Malipu konnte auch den höchsten Berg mit dem gelben Gipfel und darunter die Quelle erkennen, von der sich alle Geistwesen ernährten. Nur lesen konnte er nicht mehr. Dabei war ihm im Kopf so seltsam zumute. Noch einmal nahm er die Brille ab und fuhr sich über die Augen. Es änderte sich nichts. Mutlos setzte er sie wieder auf. Den andern wollte er davon noch nichts sagen. Sie, die Respekt vor ihm hatten und auf ihn hörten, würden sich sicher ängstigen, weil es so etwas bei ihnen noch nie gegeben hatte. Bereits damals, als ihm Magifa, der Magier, - der für sie alle auch Arzt und Heiler ist - seine Brille herbeigezaubert hatte, waren sie darüber sehr erregt gewesen und jeder hatte befürchtet, es könnte ihm ebenso ergehen. Dabei hatte er die Brille nur gebraucht, weil er so viel in seinem schlauen Buch lesen musste. Nein, es war besser, wenn er ihnen davon noch nichts sagte. Also erst einmal abwarten. Vielleicht war das ja morgen wieder vorbei.

      So hoffte Malipu, streckte sich und schwebte hinunter zu dem Platz am Ufer des Lebensflusses, an dem die Magihexer gern zusammenkamen, wenn ein Heimkehrer erzählte, was er auf der Erde erlebt hatte.

      Kaum saß er dort und blickte das Tal zum schwarzen Loch entlang, ob die von Oma Berta heimkehrenden Magihexer zu sehen wären, schwebte Magifa heran. Auch er wollte nach den dreien Ausschau halten. „Sorgst du dich um sie?“, fragte er Malipu, plusterte sich auf und ließ sich neben ihm nieder.

      „Nein, nein! Nicht, wenn sie bei Oma Berta und den Kindern waren.“

      „Bisher ist auch noch keiner von uns auf der Erde verloren gegangen, seit all der Magizeit, die es uns gibt.“

      „Das stimmt! Dennoch, die Erde ist nicht ungefährlich für uns. Nicht allein die Eisluchse können uns Schaden zufügen. Denk nur an das Wasser von Seen und Flüssen und das Eis darauf im Winter, mit dem wir nicht in Berührung kommen dürfen. Es kann einfach zu viel geschehen. Sicher sein können wir nie“, gab Malipu zu bedenken.

      „Aber dass sich unsere Wolkenkörper im Wasser auflösen, dass wir beim Berühren von Eis erstarren und dann auf der Erde verdampfen würden, das ist jedem von uns bekannt. Und was die Eisluchse angeht, verletzen können sie uns, doch wann haben sie gegen uns gesiegt?“, fragte Magifa. Dann schaute er irritiert zu Malipu.

      Der fuhr sich gerade unter der Brille heftig über die Augen und legte für einen Moment seine Hand auf die Stirn.

      „Was machst du? Stimmt etwas mit deinen Augen nicht?“, fragte Magifa besorgt.

      „Ach, nein! Mir war nur ein Moment so komisch. Es ist wieder vorbei“, wich Malipu aus, blinzelte aber noch, als könne er nichts richtig erkennen. Dann sah er in einiger Entfernung die drei heimkehrenden Magihexer angeschwebt kommen. „Da, schau, jetzt sind sie bald hier“, lenkte er ab.

      „Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung?“, hakte Magifa noch einmal eindringlich nach.

      „Wenn ich es dir sage!“, knurrte Malipu.

      Weiter konnten sie nicht miteinander reden. Auch die andern Magihexer hatten mitbekommen, dass die drei nach Hause kamen. So schwebte einer nach dem andern heran, plusterte sich auf, setzte sich dazu und sah erwartungsvoll den drei Ankömmlingen entgegen.

      *

      Als Erster von ihnen schwebte Babahu, der Schabernack, heran. Er plusterte sich auf und setzte sich in den Kreis. Ebenso, aber erschöpft, ließ sich Jojotu, der Tröster, nieder. Dann kam Imada, der Eifrige. Verschusselt, wie er war, streckte er sich zuerst. Das tat er auch noch so hastig, dass er ein Stück in die Höhe schoss. Dort plusterte er sich zu früh auf, verlor das Gleichgewicht, rief angstvoll: „Oh! Oh!“, drehte sich wie eine Kugel um sich selbst und fiel herab. Die andern zogen schnell ihre Köpfe ein, nur Pontulux, dem Zwicker, nützte es nichts, Imada landete genau auf ihm, rutschte an ihm ab und fiel um.

      „Verdreibelter Tollpatsch! Kannst du nicht aufpassen!“, schimpfte Pontulux und hielt seinen Zipfelhut fest.

      Alle lachten. Besonders schadenfroh Babahu. „Flixdiwix! Das war komisch! Nein, war das komisch!“ Er schüttete sich aus vor Lachen. Das gönnte er Pontulux, der oft missmutig herummeckerte. Das war ja besser als jeder Streich, den er ihm hätte spielen können.

      „Verzeih! Das wollte ich nicht!“, murmelte Imada, setzte sich und duckte sich schuldbewusst.

      Pontulux warf ihm einen unversöhnlichen Blick zu. Er geriet schnell in Rage. „Beinahe hättest du mir meinen Zipfelhut vom Kopf geschlagen. Was bist du für ein Magihexer? Weißt du nicht, wie gefährlich das ist, dass die Zipfelhüte ein Eigenleben haben und versuchen werden, uns zu entfliehen, wenn wir den Kontakt zu ihnen verlieren?“

      „Doch, doch!“, murmelte Imada und quoll verlegen hin und her.

      „Nun, es ist ja noch einmal gut gegangen und nichts passiert“, griff Jojotu, der Tröster, ein.

      Und Malipu wollte endlich wissen: „Warum seid ihr so lange weg gewesen?“

      „Es ging nicht schneller“, antwortete hastig Babahu. „Außerdem hat Imada wieder … Aber willst du nicht lieber selbst erzählen, wie das war?“, forderte er Imada auf.

      Der druckste herum.

      „Wie soll er das?“, kam ihm Jojotu zu Hilfe. „Soll ich es erzählen?“

      „Ja, mach das!“, beeilte sich Imada zuzustimmen und lief rot an.

      Da grinsten schon einige Magihexer. Das schien eine lustige Geschichte zu werden. Manchmal konnte man sich ja über die Tollpatschigkeit von Imada richtig ärgern, doch oft war es einfach zum Lachen.

      Imada schwieg verlegen, während Jojotu davon berichtete, wie Imada davor zurückscheute, bei Oma Berta durch die Wand ins Haus zu gleiten. Aufgeregt hatte er nach einem offenen Fenster gesucht und war um das Haus geschwebt. Doch da war kein Fenster offen. An die Hand haben sie ihn schließlich genommen und mit durch die Wand gezogen.

      Darüber amüsierten sich bereits alle. Für jeden von ihnen war es selbstverständlich, dass sie auf der Erde durch jede Mauer gleiten konnten. Nur durch gewachsenen Felsen, Lebendiges und Glas war ihnen das unmöglich. Keinem hat es jemals etwas ausgemacht, in einer Mauer nichts sehen zu können. Das war nicht anders als im schwarzen Loch. Dort dauerte es sogar viel länger, bis sie wieder herauskamen. Wie alle glitt auch Imada dort hindurch. Warum er auf der Erde vor einer Mauer in Panik geriet,