Wilma Burk

Rätsel um Malipu


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während Annika erbost von Miriam forderte, es der kleinen Schwester zu geben.

      Miriam aber dachte nicht daran. „Was kann ich dafür? Du hättest ja für Josi rennen können, du hast doch gesunde Beine“, lehnte sie es ab. Sie wollte nicht einsehen, dass sie Rücksicht nehmen musste. Und sie konnte nie genug bekommen. Wo es etwas gab, da war sie die Erste, die es sich holte. Wo sie auch hinkamen, sie setzte sich auf den besten Platz und langte vor allen andern nach dem größten Stück Kuchen auf dem Kuchenteller oder nahm das letzte Stück Schokolade, ohne zu überlegen, ob auch die andern etwas abbekommen hatten.

      „Warum soll ich darüber nachdenken? Ihr denkt ja dauernd an Josi. Das reicht doch!“, meinte sie trotzig und steckte sich die ersten und zurzeit einzigen Erdbeeren in den Mund, die im Garten der Großmutter wuchsen. Wieder einmal war sie vorgerannt, um diese Erdbeeren zu bekommen, während Josi und Annika nur langsam folgen konnten.

      „Oh, ich wusste nicht, dass ihr auch kommt“, bedauerte die Großmutter erschrocken.

      „Natürlich, das hat Miriam dir nicht gesagt“, schimpfte Annika.

      „Lass nur, die nächsten Erdbeeren reifen bestimmt. Die bekommst du dann, wenn du das nächste Mal kommst“, versuchte die Großmutter, Josi zu trösten.

      „Josi hatte sich aber heute auf die Erdbeeren gefreut. Du hast es gewusst! Du bist gemein!“, fuhr Annika Miriam an.

      „Josi, Josi! Immer dreht sich alles um Josi. Wenn du das gewollt hättest, dann hättet ihr früher hier sein müssen. Ist doch nicht meine Schuld“, verteidigte sich Miriam.

      „Ich kann aber nicht schneller laufen“, wandte Josi leise ein.

      „Das scheint Miriam zu vergessen. Diese ... diese ...“ Zornig suchte Annika nach einem bösen Wort.

      „Kinder, hört auf zu streiten! Es waren nicht die letzten Erdbeeren, bald sind andere reif. Geht lieber zur Schaukel. Ich mache inzwischen Kaffee, habe gerade einen Kuchen gebacken“, sagte die Großmutter und ging ins Haus.

      Sie hörte nicht mehr, wie Annika böse sagte: „Hoffentlich lässt Miriam uns davon überhaupt ein Stück übrig!“ Doch auch Miriam hörte das nicht mehr. Sie saß längst auf der Schaukel und schwebte zum Himmel, noch ehe Annika und Josi sich der Schaukel nähern konnten.

      „Schaukelst du auch ein bisschen mit mir?“, fragte Josi bescheiden.

      „Wenn es deine große Schwester gnädigerweise zulässt“, antwortete Annika bitter.

      Miriam tat so, als hörte sie es nicht, und schaukelte weiter.

      Da kam die Großmutter aus dem Haus und brachte für Josi einen kleinen künstlichen Vogel, den man aufziehen konnte und der dann ein Lied trällerte. „Schau, was ich für dich gefunden habe zum Trost für die entgangenen Erdbeeren“, sagte sie.

      Kaum hatte Miriam gesehen, dass die Großmutter etwas brachte, war sie einfach von der Schaukel gesprungen, wäre fast hingefallen, und rannte zu ihr. Diesmal musste sie allerdings zusehen, wie die Großmutter Josi das kleine Spielzeug gab. „Dafür bist du schon zu groß“, meinte sie zu Miriam.

      Miriam aber sah nur neidisch, dass Josi wieder etwas geschenkt bekommen hatte und sie nichts.

      Josi freute sich sehr und ließ den kleinen Vogel sein Liedchen trällern. „Wenn der lebendig wäre, ach, wäre das schön!“, rief sie begeistert aus.

      Das erzählte Annika zu Hause den Eltern. So dauerte es nicht lange und in Josis Zimmer trällerte ein kleiner Kanarienvogel sein Lied. Josi nannte ihn Pepe und war glücklich.

      Nicht so Miriam. Wie sehr hatte sie sich einen Hund gewünscht. Aber nein, der war ihr abgelehnt worden! Sie hatte ja auch kein schlimmes Bein und wurde deshalb vorgezogen, dachte sie böse. Ungerecht war das, ganz einfach ungerecht! Und je glücklicher Josi mit ihrem Kanarienvogel war, umso neidischer wurde Miriam.

      *

      Wie es dann geschah, wusste später niemand zu sagen. Als Josi ihren kleinen Vogel im Zimmer umherfliegen ließ, öffnete Miriam, ohne zu überlegen, ein Fenster. Sofort flog der kleine Vogel zielsicher darauf zu und hinaus in eine verlockende Freiheit.

      Plopp, da sprang ein Eisluchs näher, der schon seit einiger Zeit bei Miriam auf der Lauer lag. Denn wer weiß, vielleicht würde sie noch so böse Gedanken haben, dass sie für ihn zur Beute werden konnte. So hoffte er.

      Josi schrie auf, als sie ihren Pepe davonfliegen sah. Annika ging wütend auf Miriam los. Doch Miriam wehrte sich und schlug zurück. Die beiden Mädchen prügelten sich und Josi weinte und jammerte um ihren kleinen Pepe.

      Entsetzt kamen die Eltern dazu und brachten die beiden Mädchen auseinander.

      „Das hat sie mit Absicht getan!“, rief zornig Annika.

      „Habe ich nicht! Wusste gar nicht, dass der Vogel aus dem Bauer war“, stritt Miriam es ab.

      „Und doch hast du es getan, du hast ihr den Vogel nicht gegönnt“, beharrte Annika.

      „Das reicht jetzt, Miriam! Bis auf Weiteres hast du Hausarrest und das neue Fahrrad kannst du dir auch aus dem Kopf schlagen“, entschied der Vater erzürnt.

      „Aber ich habe ihn nicht wegfliegen lassen!“, bockte Miriam. Doch wenn sie ehrlich zu sich gewesen wäre, dann hätte sie zugeben müssen, dass sie selbst dies nicht so genau wusste.

      „Du hättest besser aufpassen müssen!“, wies auch die Mutter sie zurecht und nahm tröstend Josi in den Arm.

      „Das ist ungerecht, mich so zu bestrafen!“, machte Miriam einen letzten Versuch, die Eltern umzustimmen.

      Doch der Vater sagte nur: „Es reicht, Miriam!“

      *

      Miriam grollte, fühlte sich zu Unrecht bestraft. Sie musste zusehen, wie Annika und Josi aus dem Haus gingen, musste hören, wie schön es bei der Großmutter gewesen war, dass nun alle Erdbeeren abgeerntet waren und sie keine mehr abbekommen konnte. Annika sparte nicht mit Triumph und Hohn dabei.

      Das vertrug Miriam am allerwenigsten. Sie hatte Zeit, viel Zeit, sich Schikanen gegen die beiden auszudenken, in denen sie die Schuldigen für ihre Bestrafung sah. Als Erstes ging der kleine Spielzeugvogel aus unerklärlichem Grund kaputt. Dann verschwanden wichtige Schulhefte. Und jedes Mal leugnete sie, damit etwas zu tun zu haben.

      Das ließ den Eisluchs näher an sie heranrücken. Seine Hoffnung stieg, sie ganz für sich gewinnen zu können. Jede Bosheit von ihr erfreute ihn. Er rechnete sich bereits eine Chance aus, sie am Ende zu erbeuten. Wenn ihm das gelang, dass sie keinem guten Gedanken mehr zugänglich war, würde ihre Seele am Ende ihres Lebens zu einem grauen Eistropfen gefrieren und er könnte sie mitnehmen in sein eisiges Reich. Dann würde sie nicht, wie die Seelen anderer Menschen, als kleiner Nebel zum Herrn des Lebens am ewigen, unendlichen See des Lebens schweben und noch nach ihren Lieben auf der Erde sehen können. Sie würde nur ewig ein Eistropfen mehr in dem eisigen Reich der Eisluchse sein. Alles könnte sie mit ansehen, doch niemand würde sich um sie kümmern.

      Lediglich die Magihexer könnten ihr dieses Schicksal noch ersparen, wenn es ihnen gelänge, rechtzeitig einzugreifen. Das wusste der Eisluchs. Doch sie sollten nur kommen, diese wolkigen Gebilde, so leicht würde er nicht aufgeben.

      *

      Was auch geschah, alles traute Annika Miriam inzwischen zu. „Mir kannst du nichts erzählen!“, erklärte sie drohend, wenn Miriam wieder leugnete, an etwas schuld zu sein.

      Josi trauerte sehr um ihren Pepe. Nichts konnte sie trösten. Immer wieder stellte sie das Vogelbauer ans Fenster und hoffte, dass er zurückkäme.

      Das hatte die Magihexer, Pontulux, den Zwicker, Jojotu, den Tröster, und einen Koboldiner zu Josi gerufen.

      Der Eisluchs schlug wütend mit seinem Schwanz auf, als sie herangeschwebt kamen. Er ärgerte sich, dass er noch nicht näher an Miriam herangekommen war, um die Magihexer erst gar nicht an sie heranzulassen.

      Die taten zunächst