Wilma Burk

Rätsel um Malipu


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die Menschen in dem Haus erfahren, wo Pepe zu Hause war und dass er sehr vermisst wurde. Schon bald danach brachten sie ihn zu Josi zurück. Was war sie selig, dass sie ihren Pepe wiederhatte.

      Doch nicht so Miriam. Was war das für ein Tamtam um diesen kleinen Vogel?! Erst war es nicht mit anzusehen, wie alle noch mehr um Josi herum waren und sie bedauerten, nur weil so ein alberner Vogel weggeflogen war, und nun freute sich jeder auch noch überschwänglich mit ihr, dass dieses blöde Tier zurück war. Und was war mit ihr? Wofür eigentlich war sie bestraft worden, wo dieser piepsende Schreihals wieder da war? So grollte sie.

      Doch bald waren die Eltern mit ihr nachsichtig. Da Josi wieder glücklich war, hoben sie den Hausarrest für Miriam auf. Großzügig erließen sie ihr die Strafe. Die Art allerdings, wie sie es ihr verkündeten, so gnädig, so herablassend, weil ja nun Josi nicht mehr ihretwegen um Pepe trauern musste, das stachelte in Miriam nur den eifersüchtigen Hass auf Josi an. Sie fühlte sich zu Unrecht bestraft. Eigene Zweifel daran, verdrängte sie. Nein, darüber wollte sie nicht nachdenken, sie war unschuldig und damit basta! Es war allein Josis Schuld, dass man sie so ungerecht behandelte.

      Tief saß der Groll in ihr. Als sie wieder zusammen im Garten der Großmutter waren, gab sie im Rennen Josi einen Schubs, weil sie ihr beim Laufen zur Schaukel im Wege war. Josi schwankte, balancierte auf ihrem kranken Bein und fiel am Ende hin. Hilflos, unfähig allein aufzustehen, saß sie an der Erde. Miriam aber sprang unbekümmert auf die Schaukel.

      Plopp, da sprang der Eisluchs ebenfalls zur Schaukel. Jetzt war er schon näher bei ihr. Drohend schwang er vor Pontulux und Jojotu seinen Eispickel und fauchte: „Kommt ihr nicht zu nah!“

      „Was kannst du jetzt noch tun, Pontulux?“, jammerte Jojotu und der Koboldiner zog sich zurück, sah nur noch aus der Ferne zu. Er hatte, wie alle Koboldiner, mit Eisluchsen zwar nichts zu tun, aber wusste man, was sie taten, wenn man ihnen zu nahe kam? Seine Aufgabe hier war erledigt: Pepe war wieder glücklich bei Josi. Wie Jojotu, warteten auch er nur noch darauf, dass Pontulux etwas unternahm, damit Miriam nicht zur Beute für den Eisluchs wurde, um dann zurück nach Magihexanien fliegen zu können.

      „Seid nicht so ungeduldig! Passt auf, gleich bekomme ich die Gelegenheit, etwas zu tun. Der Eisluchs ist zwar ziemlich dicht bei Miriam, aber kann er mit ihr mitschaukeln? – Nein, das kann er nicht! Er kann sich zwar mit seinem magischen, langen Schwanz abstoßen und springen von einem Punkt der Erde zu einem beliebig weit entfernten anderen Punkt, doch sonst klebt er mit seinen zotteligen Beinen am Boden und kann nicht schweben wie wir.“ Aufmerksam verfolgte er, was weiter geschah und wartete ab. Er lachte höhnisch, als der Eisluchs unruhig wurde und ihn nicht aus den Augen ließ.

      Miriam zögerte einen Moment auf der Schaukel. Fast sah es aus, als wollte sie Josi helfen. Da kam bereits Annika angerannt und schrie sie an: „Was hast du wieder getan?“ Dann wandte sie sich liebevoll Josi zu. „Komm, ich helfe dir!“ Doch es war nicht so leicht, die weinende Josi mit der steifen Schiene am Bein wieder auf die Füße zu stellen.

      Trotzig gab Miriam der Schaukel einen Schwung, dass sie hoch in die Luft flog und rief störrisch zurück: „Was willst du, ihr ist doch nichts passiert!“

      Der Eisluchs feixte sich eins und vergaß darüber einen Moment lang, Pontulux zu beobachten. Das war die Gelegenheit. Blitzschnell glitt Pontulux hoch, an ihm vorbei und gab Miriam einen so heftigen Stoß, dass die Schaukel sich fast überschlug. Der Eisluchs wollte noch reagieren, schlug schon mit dem Schwanz zum Sprung auf. Doch wohin sollte er springen? Die Schaukel schwang mit Miriam schlingernd hin und her. Pontulux war längst wieder zur Seite geschwebt und beobachtete, was nun geschah. Miriam konnte sich nicht mehr halten, wollte den Schwung abbremsen, kam aber so unglücklich auf der Erde mit ihren Beinen auf, dass sie heftig umknickte und hinfiel. Gellend schrie sie auf, so weh tat das. Sie versuchte aufzustehen, es ging nicht.

      „So hilf mir doch! Siehst du nicht, was passiert ist?“, rief sie Annika zu.

      Doch Annika wandte sich ab.

      Josi blieb stehen. „Schau, sie kann wirklich nicht aufstehen!“, sagte sie zu Annika.

      „Sag bloß, ich soll ihr helfen! Hat sie dir etwa geholfen?“

      In diesem Augenblick kam die Großmutter dazu. „Was ist das hier für ein Geschrei, man hört euch ja meilenweit. Könnt ihr euch nicht wenigstens für kurze Zeit vertragen?“ Sie war verärgert.

      „Miriam hat Josi umgestoßen!“, petzte Annika.

      „Sooo?“ Mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß, sah sich die Großmutter nach Miriam um.

      „Jetzt ist sie selbst hingefallen und kann nicht mehr aufstehen“, erklärte Josi.

      Doch das war nicht mehr nötig. Die Großmutter erkannte die Hilflosigkeit von Miriam und war schon bei ihr. „Ich schaffe das nicht allein. Los, hilf mir!“, befahl sie Annika. So musste Annika, wenn auch widerwillig, ihrer großen Schwester aufhelfen. Aber damit nicht genug, sie musste sie auch noch stützen, denn laufen konnte Miriam nicht mehr, nur noch auf einem Bein hüpfen.

      „Geschieht dir recht!“, zischte Annika ihr boshaft zu, doch so, dass es die Großmutter nicht hören konnte.

      *

      Miriam hatte sich so verletzt, dass der Fuß für einige Zeit in einen festen Verband musste. Nur mit Hilfe von zwei Krücken konnte sie sich mühsam fortbewegen. Nun hatte sie Gelegenheit, am eigenen Leib zu erleben, wie es war, wenn alle andern schneller sind und an ihr vorbeirennen.

      Zuerst nutzte das Annika noch hämisch grinsend aus. Doch Josi, die es aus eigener Erfahrung kannte, hatte Mitleid mit Miriam, ausgerechnet sie bemühte sich, ihr zu helfen. Ja, sie brachte sogar Annika dazu, ihren Groll gegen Miriam zu vergessen.

      Das alles machte Miriam sehr nachdenklich und sie besann sich.

      Daraufhin musste sich der Eisluchs grollend zurückziehen. Er hatte vergebens gehofft. Die Magihexer hatten ihn wieder überlistet. Triumphierend lachten sie ihn aus, als er sie anfauchte. Dann aber schlug er mit seinem Schwanz auf den Boden und verschwand wie ins Nichts.

      „So gut haben sich die Schwestern ja seit langem nicht vertragen“, stellte die Mutter nach kurzer Zeit fest.

      „Na hoffentlich hält der Denkzettel bei Miriam eine Weile vor“, meinte der Vater skeptisch dazu.

       ***********

      Die Magihexer aber ließen den Koboldiner allein nach Magihexanien heimfliegen. Neugierig wie sie waren, mussten sie noch nach Oma Berta und den Kindern sehen. Vielleicht erzählte sie ja gerade eine Geschichte von ihnen. Ob sie das wirklich konnte, davon wollten sie sich zu gerne überzeugen.

      Doch Oma Berta erzählte keine Geschichte. Sie fanden sie mit den Kindern in einem Park, in den sie oft bei schönem Wetter gingen.

      Oma Berta saß an einem kleinen See auf einer Bank und las in einer Zeitschrift. Pauline hockte davor am Ufer und fütterte die Fische. Paul aber war ein Stück abseits von ihnen auf einem Platz mit Sport und Spielgeräten. Hier gab es Schaukeln, Wippen, sogar ein Bolzplatz war dabei. Nur ein paar Kinder spielten dort als Paul dazukam. Er konnte dies und das von den Geräten ausprobieren. Gerade balancierte er auf einem Schwebebalken herum, da kam ein wesentlich größerer Junge als er, zischte drohend: „Verschwinde!“ und stieß ihn hinunter.

      „Warum?“ Paul stieg unbeeindruckt wieder auf den Balken.

      „Hörst du schwer?“ Erneut stieß der Junge Paul hinunter.

      Paul wollte sich aber nicht verjagen lassen. So taumelte er zunächst zwar etwas, stieß den andern dann aber zur Seite, als der sich auf den Balken setzen wollte.

      Die Magihexer kamen gerade dazu und sahen das. „Sollten wir nicht eingreifen?“, überlegte Jojotu.

      „Warte!“, meinte Pontulux und verfolgte aufmerksam, was geschah.

      „Du willst es wohl nicht anders?“, knurrte der fremde Junge, packte Paul am Kragen und zog ihn weg, ob er nun wollte oder nicht.

      Paul zappelte, versuchte sich