Genèvieve Dufort

Amélie - Wo Schatten ist


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vormachen kann, dachte sie bei sich. Bist so ein feiner Pinkel, hast so viele Leute, die für dich arbeiten. Ja, du sollst ein ganz abgerissener Hund sein. Kommst du aber zu deiner Inès, dann bist du wie alle anderen Kerle. Aber mir soll das egal sein. Du bist wie eine Kuh, die man melken kann. Keiner ist so großzügig wie du. Da kann ich schon mal Honig um den Bart schmieren.

      Der Mann sah Amélie an. »Ist das deine Schülerin?«

      Inès lachte. »Bist du verrückt! So etwas brauche ich doch nicht!« Sie zwinkerte ihm mit ihren falschen Wimpern zu. »Was ist denn jetzt? … Gehen wir oder gehen wir nicht?«

      »Nur, wenn sie mitkommt!« Immer noch fixierte er Amélie, die verschüchtert auf der Mauer saß.

      Durch Inès ging ein heftiger Ruck. »Soll das heißen, du willst tatsächlich sie?«

      Amélies Wangen röteten sich, als sie begriff, was der Mann wollte.

      »Nein, Inès, dich will ich … Aber ich glaube, es wird noch schöner, wenn sie mit dabei ist. Es gibt mir dann so etwas Prickelndes. Es soll nicht zu deinem Schaden sein.«

      »Du willst also mehr zahlen als üblich?«

      »Ja, werde ich.«

      Inès wandte sich Amélie zu, die sie perplex anstarrte. »Hast du nicht eben erzählt, dass du Geld verdienen willst?«

      »Ja.«

      »Tja, das kannst du jetzt!«

      Amélie riss den Mund auf.

      »Jetzt zier' dich nicht länger und komm' mit!« Inès kannte jetzt keine Zurückhaltung. Sie dachte auch nicht darüber nach, dass es für Amélie ein Schock sein könnte, wo sie schon seit langem nur ›besondere‹ Kunden bediente. In diesem Moment dachte sie jedenfalls nur an die schnell und leicht verdienten Scheinchen. »Wie heißt du noch mal?«

      »Amélie.«

      *

      Unterwegs kamen sie an dem Eckladen vorbei.

      »Gib mir mal einen Schein, ich bin gleich wieder zurück.« Inès hielt ihrem Kunden abwartend die Hand entgegen.

      Der elegante Mann reichte ihr einen Zwanzig-Euro-Schein, mit dem sie direkt im Geschäft verschwand.

      Als sie wenig später wieder herauskam, lächelte sie zufrieden – mit einer Flasche unterm Arm. »Na dann mal los!«, grinste sie Amélie an.

      *

      Inès lebte in einem der Hinterhofblöcke. Sie hatte das Zimmer wohl schon länger nicht mehr gelüftet, denn die Luft war zum Schneiden.

      Ungefragt riss Amélie einen der Fensterflügel auf, ehe sie die Einrichtung betrachtete.

      Sie lebte daheim ja schon recht schäbig, aber was sie hier vorfand, empfand sie als noch viel schlimmer. Es war ein heruntergekommenes Loch in dem nicht einmal ein Tier leben sollte. Es schüttelte sie. Ich gehe lieber, dachte sie. Das halte ich nicht aus.

      »Wenn es mir nichts ausmacht«, lächelte der in der Tür stehende Mann, »dann dürftest du dich hier auch wohlfühlen.«

      Ungläubig starrte sie ihn an.

      Inès hatte inzwischen hastig einen Cognac getrunken und seufzte zufrieden, als sie das Glas auf den wackeligen Tisch stellte. Dann drehte sie sich herum und fixierte den Freier. »Na, dann beginnen wir mal den Budenzauber!«, grinste sie. »Und du, Amélie, setzt dich dort drüben hin und rührst dich nicht von der Stelle.«

      Sie war schon immer ein gehorsames Kind gewesen, um nur nicht anzuecken und tat wie ihr geheißen. Zwar konnte man sie mit ihren achtzehn Jahren wirklich nicht mehr als Kind bezeichnen, aber weil sie so hager war, wurde sie immer für sehr viel jünger gehalten – und das war bei Inès' Kunden vermutlich auch nicht anders.

      Bei ihr zu Hause machte man sich nicht viel Mühe, etwas vor den Kindern zu verbergen. Ihre Eltern hatten sich immer ganz ungeniert benommen. Wenngleich sie selbst auch noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, so hatte sie doch unwillkürlich des Öfteren bei den Eltern etwas mitbekommen. Für sie war das ganz normal, so wie Kinder auf dem Lande zusehen, wenn ein Kalb geboren wird. Aber nun bekam sie etwas zu sehen, was sie maßlos verblüffte.

      Der Mann trat an den Tisch, legte sein Jackett ab und hängte es über die Lehne von einem der Stühle. Er schien sich bei seinem langsamen und bedächtigen Entkleiden in sich selbst zurückzuziehen, so als müsse er sich für etwas wappnen.

      Amélie verstand nicht warum. Denn alles was sie bislang über Sex wusste, erklärte das nicht. Da war nichts von stürmischer Eile und Hast, und sie hatte eigentlich gedacht, dass Inès ihm beim Ausziehen behilflich sein würde.

      Als er nun nackt mitten im Raum stand, wartete er auf deren Befehle.

      Amélie sah wie jede Autorität, die er zuvor noch ausgestrahlt hatte, von ihm abfiel, und wie er zu einer Marionette seiner Bedürfnisse wurde.

      Über mehrere Minuten ließ Inès ihn einfach nur mit gesenktem Kopf auf der Stelle stehend warten.

      Auf Amélie machte es den Eindruck, als würde Inès die Situation und Macht, die sie in diesem Augenblick über ihn hatte sehr zu genießen. Sie bemerkte, wie sie förmliche aufblühte und in ihren Augen eine Art zufriedenes Leuchten erstrahlte.

      »Wer hat dir erlaubt zu stehen, du Hund ...«, herrschte Inès ihn unvermittelt an.

      Pierre fiel wie ein nasser Sack in sich zusammen und ging auf alle Viere. Er versank im Sumpf sklavischer Demut, die er brauchte, um seine Erfüllung zu finden.

      »Und jetzt, Sklave?!« Direkt vor ihm stehend, hatte Inès ihre Hände in die Hüften gestemmt. »Du weißt, was ich von dir erwarte! Begrüße deine Maîtresse!«

      Wortlos senkte er seinen Kopf und küsste ihr mehrfach mit kurzen Berührungen die Stiefelspitzen, bis sie ihn grob mit einem Fuß von sich stieß.

      »Hast du denn schon alles verlernt?!«, fauchte sie ihn an. »Jetzt sind meine Stiefel nass geworden! … Du bist einfach zu nichts zu gebrauchen!«

      Er fing sich sofort, rutschte wieder vor sie und verharrte in ergebener hündischer Haltung, auf seine Züchtigung wartend.

      »Ich frage mich ernsthaft, warum ich mich mit dir abgeben sollte! Du kannst deine Maîtresse ja nicht einmal richtig begrüßen und ihr die Stiefel küssen!«

      Auf Amélie wirkten ihre Worte gemein und verletzend. Sie fühlte sich zunehmend unwohler und wäre am liebsten davongelaufen, um der Situation zu entkommen. Aber die Aussicht auf gutes Geld ließ sie bleiben. Sie zog sich in die hinterste Ecke des Raumes zurück. Nach wenigen Minuten wandte sie sich ab und blickte aus dem Fenster hinter sich.

      Pierre genoss sichtlich, dass sie während seiner ›Session‹ dabei war. Ihre Anwesenheit verdoppelte seine Empfindungen. Ihm gefiel, dass sie ihn und Inès beim Spiel beobachtete.

      »So erbärmlich wie du dich anstellst, frage ich mich, ob du Hund überhaupt noch einen hochkriegst.« Sie lachte verächtlich auf. »Tja, wäre geil, wenn du dir von all deiner Kohle mal einen richtigen Schwanz kaufen könntest, nicht wahr?« Sie hatte sich eine Reitgerte vom Tisch genommen und betastete seine Männlichkeit abschätzend mit der genähten Lederspitze. »Als Gott die Schwänze verteilt hat, hast du wohl jeden vorgelassen und dich mit dem kümmerlichen Rest begnügt! … Meine Fresse! … Das ist aber auch mickriges Teil!« Gespielt angewidert schüttelte sie missbilligend den Kopf.

      Mit jedem weiteren Satz, den sie ihm an den Kopf warf, steigerte sich seine Lust. Er spürte, wie sich das Blut in seinem Schritt sammelte und sein Glied langsam erigierte.

      Aber auch damit zeigte sich Inès unzufrieden. »Wie kannst du es wagen, vor mir einen Steifen zu kriegen, du Schwein!«, schrie sie ihn an und schlug ihm mehrfach mit dem Paddel der Gerte gegen die baumelnden Hoden, worauf er schmerzhaft das Gesicht verzog. »Du widerliches Kriechtier hast kein Recht dazu! Habe ich dir das erlaubt?!«, fuhr sie mit gehässigem Unterton fort.

      »Nein,