Jennifer Scheil

P.E.M. Projekt Evolution Mensch


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Blick, den Samantha hatte. „Sie sagte dann, sie ginge noch Malen. Dabei hatte sie einen Blick, der mir Angst machte, dass sie wieder in dieser Phase sein könnte!“

      Jonas seufzte. Er saß in der Klemme. Zum einen war da seine Tochter, die gekommen war, um einen Rat von ihm zu bekommen. Zum anderen, war da aber

      auch Samantha. Diejenige, die die Gabe besaß! Die Einzige seit drei Generationen, in der sie so stark ausgeprägt war. Und dann war da das Versprechen, das ihm seine

      Enkelin damals abgenommen hatte. Das Versprechen, zu schweigen. Solange zu Schweigen, bis sie ihn von diesem Gelöbnis entband!

       Oh Sammy, musst du mich wieder einmal da mit hinein ziehen? Wann sagst du es deiner Mutter. Schließlich ist sie meine Tochter und somit Überträgerin dieser Gabe, auch wenn sie bei ihr nicht ausgeprägt ist. Oh ja, bei deinem Onkel; meinem geliebten Sohn Daniel, Gott sei seiner Seele gnädig, wäre das alles kein Problem. Er besaß sie auch, diese Gabe. Doch sollte sich Anna daran erinnern können. Schließlich waren Daniel und sie, bis zu seinem tragischen Tod, unzertrennlich gewesen.

      „Nun Anna, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sammy ist, genau wie dein Bruder es war. Sie ist nicht verrückt und hat schon gar nicht irgendwelche verrückten Phasen! Oh, ich weiß genau, wie Karlo sie genannt hatte. Eine Hexe und geisteskrank. Das war sie in seinen Augen seit diesem Tierparkbesuch gewesen.

      Nichts hätte ihn vom Gegenteil überzeugen können. Damals hattest du zu deiner Tochter gehalten. Jetzt verteufelst du sie genauso wie er. Das enttäuscht mich, Anni! Sie ist etwas Besonderes, was ganz Außergewöhnliches, Einzigartiges und als genau das solltest du sie sehen. Sammy ist ein Teil eines großen, für uns oft unerklärlichen Ganzen, genau wie es Daniel war.“

      „Daniel! Was hat es Daniel gebracht, dass er diese Gabe, wie du sie nennst, hatte? Was? Er ist tot! Und das viel zu früh. Ich will nicht meine Tochter auf so eine Art und Weise verlieren. Nur weil sie Stimmen hört!“ Die letzten Worte kamen gequetscht und verbittert heraus. Für Anna war das ein Thema, das für sie nicht einfach anzusprechen war.

      „Mehr kann ich nicht für dich tun, Anna. Sammy hat mir vor langer Zeit ein Versprechen abgenommen, das ich halten werde. Wenn es sein muss bis in den Tod!“

      „Vater, bitte!“

      „Tut mir Leid, Anni!“ In seiner Stimme schwang wirkliches Bedauern mit.

      Samantha war, nachdem sie noch eine Zeitlang gemalt hatte, zu Bett gegangen. Sie war müde, doch schlafen konnte sie nicht. Vor ihrem inneren Auge sah sie das lächelnde Gesicht von John und hörte noch einmal die Worte. Die, von denen sie

      glaubte, nein wusste, dass sie von ihm stammten. Sein Versprechen an sie und dann dieses Gefühl, von dem sie nicht wusste wo sie es einzuordnen hatte. Warum kommt sie jetzt zurück. Wo ich doch gehofft hatte, sie sei für immer weg und ich könnte ein

       normales Leben führen? Hat das was mit dir zu tun, John? Wer bist du?

      Nach einer Weile übermannte sie dann aber doch die Müdigkeit und sie fiel in einen traumlosen Schlaf.

      Auch John fand lange Zeit keinen Schlaf. Er rang mit sich. Sammy, dich zu verlieren, bevor ich über deine Gefühle im Klaren bin, wäre nicht zu ertragen. Doch dich zu verlieren, wenn ich einen Vorgeschmack dessen bekommen habe, was du geben kannst? Nein, das kann ich uns beiden auch nicht antun. Wenn ich doch nur endlich wüsste, warum ich verletzt im Wald gelegen hatte und wem ich dies zu verdanken habe. Dann könnte ich auch erfassen, was meine Identität für dich und deine Familie zu bedeuten hat.

      Doch hüllte der Schlaf auch ihn bald ein und führte ihn in eine ruhige und erholsame Nacht.

      Überschrift 3

      John machte sich am nächsten Morgen gleich daran, den Unterstand zu reparieren. Das Holz dafür nahm er von einem Stapel Altholz und sägte sich aus Baumstämmen, die hier überall herum lagen, die passenden Bretter und Verbindungsstücke.

      Jonas, der ihm zur Hand ging, beobachtete ihn und stellte fest, dass John sehr verbissen und still arbeitete. Was sonst gar nicht seine Art war. Jonas wunderte sich zwar und hätte auch gerne herausgefunden, worauf dieses Verhalten begründet war, doch schwieg er und störte John nicht in seinen Gedanken.

      Samantha stand an ihrem Zimmerfenster und sah auf den Hof und ihr Herz schlug schneller als sie John sah. Sie wollte ihn heute zu der Stelle führen, wo sie ihn gefunden hatte. Tief durchatmend, straffte sie sich und raffte ihr hüftlanges Haar zu einem lockeren Zopf. Die Vorstellung mit ihm allein zu sein, behagte ihr gar nicht. Das flaue Gefühl im Magen ließ sich einfach nicht vertreiben. Sich umdrehend, warf sie sich einen Blick im Spiegel zu. Von Jonas hörte sie oft, dass sie schön sei. Das fand sie weniger. Die Augenfarbe zum Beispiel. Sie war auf den ersten Blick undefinierbar. Schaute man jedoch genauer hin, sah man, dass die einzelnen Abschnitte des Auges Umrandungen aufwiesen. Die Regenbogenhaut war am äußeren Rand von einem dunklen Grau-Blau. Dieses wurde zu einem Grau-Grün und um den schwarzen Mittelpunkt war ein sich strahlenförmig ausweitender, bernsteinfarbener Ring. In ihnen würde sich ihre Gabe offenbaren, sagte Jonas. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie ihre Augen nicht mochte.

      Das lange, in sanften Wellen schimmernde Haar, war kastanienbraun und das Einzige was sie an ihrem Körper anziehend fand. Sie zupfte das Kleid zurecht und betrachtete sich von allen Seiten. Sie war zwar schlank, doch fand sie ihre Beine und Po zu dick, auch ihr Bauch könnte etwas flacher sein. Weshalb sie meistens Kleider trug, die ihre Figur vorteilhafter zur Geltung brachten. In ihnen fühlte sie sich freier. Ihre Mutter fand diese Begründungen für ihren Kleidertick einfach lächerlich, gab ihr aber nach.

      Vielleicht hatte sie ja auch Recht, doch Samantha bekam immer von ihren

      Mitschülern zu hören sie sei dick. So oft und lange schon, dass sie es mittlerweile

      selbst glaubte. So schön und gut gebaut wie Babette würde sie nie sein.

      Denn weißen Stoff glatt streichend, verließ sie ihr Zimmer und begab sich in die

      Küche. Wie jeden Morgen nahm sie sich das Müsli und ein Stück Obst. Sie setzte sich an den Tisch und begann zu Essen. Die Tasse Tee in den Händen haltend, sah sie zum Fenster. John war noch immer damit beschäftigt, Nägel in Bretter zu schlagen, die ihm Jonas festhielt. Doch außer den monotonen Hammerschlägen und dem Geräusch von aufeinander schlagendem Holz war nichts zu hören.

      John wischte sich den Schweiß von der Stirn und richtete sich auf. Als sein Blick auf die Küche fiel, sah er, dass jemand am Tisch saß. Ohne dass er es genau erkennen konnte, wusste er, das Samantha dort ihr Frühstück einnahm. Woher er das wusste, war ihm nicht klar, doch irgendwie hatte dieses Gefühl etwas Beruhigendes an sich.

      Sammy, mir ist nicht klar, was da gestern Abend passiert ist, aber was es auch war, es hat mir viel genommen und nur wenig gegeben. Er fand es absurd, doch sehnte er sich förmlich danach, ihr wieder so tief in die Augen zu sehen. Das Gefühl in ihnen zu ertrinken, war berauschend gewesen und das Verlangen nach mehr, war kaum zu zügeln. Es schmerzte fast mehr als die Wunden, die längst verheilt waren.

      Jonas bemerkte, wohin Johns Blick wanderte und ahnte in welchen Bahnen seine Gedanken kreisten. „Jungchen, sag mal wie wäre es mit einer Pause? Die Arbeit läuft ja nicht weg und meine Knochen wollen nicht so wie sonst.“

      „ Jonas, mit deinen dreiundsechzig Jahren bist du noch fixer als so manch ein dreißigjähriger. Aber wenn du meinst, mach eine Pause. Ich schaff es auch allein.“

      Erschrocken wehrte Jonas ab. Das war nun wirklich nicht das, was er wollte. „John, seitdem du hier bist, hast du jeden Tag gearbeitet. Oh, ich find das durchaus gut. Es erleichtert mir viel. Doch solltest du dir mal Zeit für dich nehmen und entspannen. Mach mit Sammy doch einen schönen Spaziergang.“

      Geistesabwesend, konnte John nur nicken. Samantha betrat gerade die Veranda und schaute, die Unterarme aufs Geländer gestützt, zu Tom hinüber. Der saß auf der Schaukel, die John aus einem alten Autoreifen und einem Brett