Michael Geigenberger

Tres Amigos 1


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beleidigt ihren Mantel und lässt die Türe hinter sich in das Schloss fallen. So etwas muss sie sich nicht gefallen lassen! Auch wenn der Notar ihren Mann schon über fünfzig Jahre kennt, ist dies kein Grund das Walburga Ester in dieser Art beleidigt. Bertl und Maximilian kennen sich bereits aus dem Sandkasten. Sie gingen gemeinsam in die gleiche Schule, waren zusammen im Studium, zusammen bei der Beerdigung von Bertls Mutter. Also eine gewachsene Freundschaft, wie man so sagt. Dass sich der Graf vor achtzehn Jahren in Ester verliebt hat, war Walburga gar nicht recht. Nach dem Tod von der ersten Gräfin hätten sie es lieber gesehen, wenn er sich eine Frau gesucht hätte, die vom Alter mehr zu ihm passt. Maximilians erste Frau war eine echte Gräfin.

      Nicht nur ihr Auftreten und ihr Einsatz für Hilfsbedürftige haben Walburga beeindruckt, sie hatte auch Ausstrahlung und Format. Was man von Ester nicht unbedingt sagen kann. Das mit dem Unfall war eine tragische Angelegenheit. Irene, so der Name von Maximilians erster Frau, hatte gerade eine Schönheitsoperation hinter sich. Nur eine Kleinigkeit wurde repariert. Die Sorgenfalten auf der Stirn wurden geglättet. Am nächsten Morgen nach der Operation durfte sie schon wieder nach Hause. Ein kleiner Verband auf der Stirn erinnerte noch an die Operation. Sie fuhr auf der Autobahn von Starnberg nach München, da löste sich der Verband und rutschte ihr über die Augen. Was folgte war ein heftiger Knall. Irene raste mit dem Jaguar blind auf einen Alleebaum zu.

      Ein Freund der Familie meinte später: „Gott sei Dank hat sie es nicht gesehen.“ Ester sitzt auf der Couch im Wohnzimmer und überlegt, wo sie die Trauerwochen verbringen wird. Vielleicht die Malediven oder Sansibar? Aber sie könnte auch in ihr Chalet nach Luzern fahren. Da war sie schon lange nicht mehr, obwohl es vom Notar bereits auf Ester überschrieben wurde. Es war eine Schenkung ihrer Eltern zum Hochzeitstag. Maximilian mochte es nicht, da es von Esters Eltern stammte und entsprechend eingerichtet war. Die Einrichtung gehört auf den Müll!“, so seine Aussage.

      Daraufhin meinte Ester: „Du musst ja nicht hinfahren!“ Ester hat plötzlich eine Idee und geht in Maximilians Büro im Parterre der Villa und sucht nach den Kontoauszügen. In einem Fach des Schreibtischs wird sie fündig. „Ach, da ist ja noch das Konto in der Schweiz! Wie praktisch! Dass kennt außer ihr niemand.“ Ester hat es mit ihrem Mann vor etlichen Jahren eingerichtet, damit sie flüssig ist, wenn sie in Luzern residiert. Ester stellt erfreut fest, dass da doch tatsächlich noch zweihunderttausend Schweizerfranken drauf sind. „Also doch Luzern“, sagt sie laut zu sich selbst. Am nächsten Morgen um elf ist der Notar Termin. Ester stylt sich extrem jugendlich. „Soll Bertl nur sehen, dass ich noch jung und frisch bin!“, meint sie zu sich selbst, als sie in den Spiegel sieht. Sie schnappt sich ihren Pass und wirft einen Blick hinein. Keiner würde auf die Idee kommen, dass sie zweiundvierzig ist. Sie sieht aus wie dreißig, zumindest hat das Maximilian immer behauptet. Sie entscheidet sich dafür den Jaguar zu nehmen. Jetzt, wo sie nicht ständig kritisiert werden kann. Maximilian war ein schlechter und ungeduldiger Beifahrer. Nur selten durfte Ester in seinem Beisein das Steuer übernehmen. Sie parkt den Wagen so, dass ihn jeder sehen kann, der zur Testamentseröffnung kommt. Sie geht auf die Türe des Notars zu und Bertl öffnet persönlich.

      „Da bist du ja, bitte entschuldige den Ausspruch von Walburga gestern Abend! Du weißt ja, sie hatte den Maximilian immer besonders gemocht.“ „Ist schon recht, lass uns jetzt zur Tat schreiten, damit ich anschließend nach Luzern fahren kann.“ „Ach du fährst in das Haus, welches dir deine Eltern damals geschenkt haben?“ „Ich muss jetzt für mich sein, das verstehst du ja sicher.“ Bertl geht voran und bittet Ester Platz zu nehmen. Ester ist entsetzt, als sie den überfüllten Saal sieht. „Was ist denn hier los?“

      „Die Herrschaften wurden von mir laut Testament geladen.“ Bertl beginnt mit dem Verlesen der Namen. Da ist der Dieter vom Dirndlgeschäft, da ist aber auch der Hans-Heinrich aus Frankfurt. Der Notar stellt fest, dass Elvira fehlt. Ester meint: „Die hat sicher verschlafen, aber wir brauchen sie ja sowieso nicht.“ Bertl beginnt mit dem Verlesen des Testaments. Ester ist erstaunt, dass ihr Mann die unehelichen Kinder bedacht hat, obwohl sie ja von Dieter wusste, dass er schon abgefunden wurde. Sogar ein Vertrag besteht, der ihn von einem Erbe ausschließt. Jedes der Kinder sollte einen weiteren Anteil bekommen, so steht es im Testament geschrieben. Aber wo ist Elvira, gerade jetzt wo sie so dringend das Geld gebraucht hätte? Denkt Ester. Aber wer ist Hans-Heinrich, ist er nicht der Mann, der sie gestern auf eine Unterschrift ansprach? Ja, sicher, nur gestern trug er die Haare länger. Er muss wohl beim Friseur gewesen sein. Der Notar liest weiter und kommt nun zum wichtigsten Teil, den einzelnen Summen. Ester wird das Haus mit allen darin befindlichen Gegenständen erhalten und die Hälfte des Geldvermögens. Die andere Hälfte wird zwischen den Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ester will gerade losschimpfen, da meldet sich ein Herr aus der letzten Reihe. „Darf ich mich vorstellen: Hauptkommissar Gerd Wildfang.“ Alle drehen sich zu dem Herrn im eleganten Trenchcoat um. „Was tut der denn hier?“, entfährt es Dieter. „Meine Herrschaften, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Elvira gestern Abend oder besser gesagt, heute Nacht ermordet wurde. Sie müssen mich alle auf das Revier begleiten, zwecks Überprüfung Ihres Alibis.“

      „Aber zuerst gehen wir auf die Bank, denn ich will schon wissen, was ich geerbt habe“, meint Hans-Heinrich. Von den Anwesenden scheint es keinen zu interessieren, was mit Elvira wirklich geschehen ist. Sogar Ester macht keinerlei Anstalten, Fragen zu stellen. Dieter lässt sich sogar zu der Bemerkung hinreisen: „Dann teilen wir nur noch durch zwei.“ Der Notar hat seine Vorlesung beendet und es wurden drei Taxis geordert, die alle Beteiligten in die Ettstraße bringen sollen. Auf dem Revier muss Gerd Wildfang feststellen, dass es jeder der Beteiligten gewesen sein könnte. Nur die Aussage mit dem Schnurbart, irritiert ihn. Aber er macht sofort die Probe aufs Exempel.

      Alle drei, also Ester, Dieter und Hans-Heinrich, werden fotografiert und in den Computer mit den Fotos eingescannt. Der Computer ist ein Spezialgerät, in welchem man die Bilder bearbeiten und verändern kann. „So jetzt machen Sie mal an jedes der Gesichter einen Schnauzer!“, sagt Wildfang zu seinem Assistenten. Dieser gibt den Wunsch seines Chefs, umgehend in den Computer ein und siehe da, nun passt die Personenbeschreibung des Zimmerkellners auf jede Person. Sogar Ester sieht mit Schnauzbart recht gut aus. „Ziemlich herber Typ Frau“, meint ein Kollege von Gerd Wildfang. Es werden Ausdrucke angefertigt, um sie dem Hotelpersonal vorzulegen, vielleicht löst sich der Fall ja viel schneller als man denkt. Das mit der Bank gelingt an diesem Vormittag nicht mehr, da sie bereits Mittagspause hat und geschlossen ist.

      Gerd Wildfang will dabei sein, „was gehen denn den Kommissar unsere Gelder an?“, schimpft Ester. Ein Kollege von Wildfang sprintet zum Hotel hinüber und zeigt die retuschierten Bilder dem Personal. Aber alle Befragten sind sich einig. „Der Typ war viel kräftiger, außerdem trug er einen Blazer und war vom Auftreten her eine stattliche Person. Obwohl oder gerade weil er sich den Kragen fast bis in das Gesicht zog, wirkte er unsympathisch.“ So zumindest äußert sich das Personal. Als Wildfangs Kollege zurückkommt und seine Recherche mitteilt, ist Gerd Wildfang nervös und meint, „Das hätte ich gerne hinter mich gebracht. Spätestens morgen steht der Vorstand der Bank hier und will eine rasche Aufklärung. Der Name der Bank muss herausgehalten werden. Das ist selbstverständlich.“ Um fünfzehn Uhr sollen alle vor der Bank antreten, dann wird in die Schließfächer geschaut und die Konten werden kontrolliert, und alles im Beisein des Kommissars. Ester, Dieter und Hans-Heinrich haben sich schon eine Viertelstunde vorher verabredet.

      Die Bank öffnet um drei. Auch der Kommissar ist gut vorbereitet. Einen Beamten mit einer Kamera hat er auf Position gehen lassen. „Mal sehen, was da passiert. Wie verhalten sich die Personen? Wir werden es festhalten“, meinte Gerd Wildfang zu einem Kollegen, der den Fall für einen „reinen Erbfall“ hält. Der Direktor selbst ist höchstpersönlich anwesend. Das ist er seinem verstorbenen Vorstandsvorsitzenden schuldig. Er hat die Schlüssel in der Hand und geht voraus. Natürlich kennt ihn Ester von diversen Abendessen und etlichen Opernbesuchen, Empfängen und privaten Einladungen. Er nimmt sie an seine Seite und fragt: „Du hast doch hoffentlich den Zweitschlüssel mitgebracht?“ „Natürlich habe ich das. Ich bin schließlich nicht zum ersten Mal hier.“

      Kapitel: 5 Der Safe

      „Dann lass uns mal zur Tat schreiten!“ Der Direktor steckt seinen Schlüssel zuerst