Michael Geigenberger

Tres Amigos 1


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„Kaffee immer, du kennst mich ja.“ Markus ist so in seine Arbeit vertieft, er bemerkt gar nicht, dass Tomas hinter ihm steht. Tomas sieht ihm über die Schulter und stellt fest, dass Markus gerade die Familie des Grafen auf dem Bildschirm hat.

      „Sag mal, wie viel sind das denn?“ „Da staune ich auch gerade. Setzt dich zu mir!“ Sie beginnen in der Historie zu blättern. Die Familie kommt eigentlich aus Wuppertal und war dort Besitzer einer Zeche. Als die Zeit der Zechenstilllegung begann, bekamen sie vom Bund eine beträchtliche Summe als Ausgleichszahlung. Die Summe wurde unter den drei Familien aufgeteilt. Da gab es den Walter, der sich entschloss mit dem Geld in die Pharmacie zu investieren. Außer ihm gab es einen Norbert, der nach Australien ging und dort an die große Zukunft glaubte. Und zu guter letzt gab es den Maximilian, der mit der Summe Bankbeteiligungen kaufte.

      Etwas später ergab es sich, dass er in den Vorstand der Bank berufen wurde, in die er seit Jahren investiert hatte. Mit dieser Bank machte er seine etwas dubiosen Geschäfte in der Schweiz. „Aber das sind Interna, die spielen für uns keine große Rolle“, sagt Markus. „Interessant ist aber, was ist aus den Brüdern geworden“, meint Tomas. Markus ist ganz aufgeregt und sucht im Internet. „Also hör mal, hier steht, dass der Walter die Anteile letztes Jahr verkauft hat und unter seiner Familie aufgeteilt hat. Er selbst ist mit dem Rest des Geldes nach Arizona ausgewandert und hat dort eine Farm erstanden.“ Markus grinst und ergänzt, „Und eine neue Frau gekauft?“

      „Okay, den können wir vergessen. Sieh mal nach, was aus dem Norbert von Weißenhahn geworden ist!“ „Einen Moment… also über den kann ich nichts finden. Der hat anscheinend eine saubere Weste. Sicher hütet er in Australien gerade seine Schafe.“ Dann aber steht Fanny im Türrahmen. „Wie stellt ihr euch das eigentlich mit dem Grillen vor? Soll ich die ganze Arbeit allein machen?“

      „Natürlich nicht, wir kommen ja schon.“ Fanny hat eine Liste mit Dingen zusammengeschrieben, die man für das Grillen braucht. „Hier! Dass besorgst du heute noch!“ Sie reicht die Liste an Tomas. „Wen willst du eigentlich mitbringen?“ „Ach, keine Ahnung, vielleicht die Winny?“ „Aber deine Schwester kommt schon? Hat sie eigentlich immer noch den drahtigen, gutaussehenden Zuhälter?“

      „Du bist gemein! Er ist kein Zuhälter, er hat eine Schrotthandlung und verdient recht ordentlich damit. Außerdem wird er bei uns „Schrotti“ genannt.“ In diesem Moment fällt Tomas ein, dass er einen Termin mit Schrotti vergessen hat. Schrotti rief letzte Woche an und versprach ein Sonderangebot. Ein Mustang sollte eintreffen und da meinte er, das ist der richtige Wagen für Tomas. Tomas hat es nun eilig, schnappt sich die Liste und verspricht: „Bis zum Nachmittag bin ich zurück und hab alles besorgt.“ Sie drücken sich noch und Tomas gibt Fanny sogar einen richtigen Kuss. Natürlich hat Markus es gesehen und so meint er: „Lass gefälligst deine Finger von meiner Braut!“ Tomas fährt mit seiner Rostlaube von Mercedes auf den Hof von Schrotti. „Hey, hast du den Wagen schon?“ „Klar, sieh mal in die Garage da hinten! Tomas zieht seine Jeans etwas in die Höhe, so als wolle er ein Pferd besteigen, aber nur weil das Auto Mustang heißt, lässt er sich noch lange nicht reiten. Das Holztor zur Garage lässt sich nur unter lautem Protest öffnen. Aber dann steht das Prachtexemplar vor ihm. „Wow!“, mehr bringt Tomas nicht heraus. Es kommt nur selten vor, dass es Tomas die Sprache verschlägt, aber in diesem Moment ist er tatsächlich sprachlos.

      Als er sich wieder gefangen hat, fragt er: „Wo hast du den schönen Wagen her?“ „Frag nicht! Sag lieber, welche Papiere du brauchst!“ „Hier… ich hab schon alles hergerichtet“, meint Tomas breit grinsend und zieht aus seiner Hosentasche ein Bündel mit Geldscheinen. Schrotti zählt die vereinbarte Summe. „Cash, das hätte ich nicht erwartet.“ Tomas drückt dem Schrotti noch die Wagenschlüssel und die Papiere vom alten Benz in die Hand und dann rauscht er vom Hof. Kaum im Supermarkt angekommen, stellt er den Wagen direkt vor den Eingang, geht zum Parkwächter, drückt ihm ein Trinkgeld in die Hand. „Hier… für dich. Pass auf, dass er hier noch steht, wenn ich zurückkomme!“ Der Einkaufswagen, mit dem Tomas auf den Mustang zusteuert, ist übervoll. Der Parkplatzwächter kommt unterwürfig auf Tomas zu und fragt, ob er beim Beladen helfen darf. „Klar, das gehört alles in den Kofferraum“, ordnet Tomas an. Fanny sieht gerade aus dem Fenster, als Tomas mit dem neuen Wagen vorfährt. „Habt ihr nicht vereinbart, dass ihr kein Geld ausgebt?“, fragt sie verärgert.

      „Das ist richtig, aber der war nicht teuer, den hab ich von meinem Sparbuch bezahlt.“ Fanny hat eine deftige Brotzeit auf den Tisch gestellt. Sie weiß, wenn Tomas nichts im Magen hat, wird er schnell grantig. Sie sitzen um den runden Tisch und Markus berichtet, dass er sich in wenigen Tagen ein Wohnmobil ansehen wird. „Behindertengerecht“, betont Fanny. „Sogar einen Lift für den Rollstuhl hat das Ding.“ „Aber doch nicht etwa von unserem Geld?“ „Nein, Markus hat für die Regierung mal einen Blick in die Partei-Kasse der Sozis geworfen, dafür haben sie gut bezahlt.“ Zusammen besprechen sie noch den Ablauf des Grillfests. Wer wird alles dabei sein, was läuft mit den Nachbarn, was für einen Typ von Grill wird angeschafft, oder tut es der alte vielleicht doch noch? Dann aber trennt man sich und verabredet sich für Samstag um zehn im Gänsehäufl. „Und denk dran, sei diesmal pünktlich!“, ermahnt ihn Fanny.

      Gerd Wildfang und Walter Broder sitzen bereits zum x-ten Mal bei einem Dreiaugengespräch zusammen, aber sie kommen einfach nicht weiter. „Wir haben da etwas übersehen. Die verarschen uns nach Strich und Faden. Die glauben, wir sind so blöd, dass wir da nicht durchsteigen“, meint Broder grimmig. Diesmal ist wieder Wildfang dran die Zeche zu zahlen. Broder macht ihn darauf aufmerksam, dass er noch Essensreste auf seiner Krawatte hat. Wildfang reißt sich verärgert die Krawatte vom Hals, er macht es etwas ungeschickt, und so beginnt er nach Luft zu ringen. Sie rechnen gemeinsam nach, wieviel Zeit seit dem Tod des Grafen und seiner Tochter vergangen ist.

      „Zwei Wochen schon, das kann doch nicht wahr sein! Und wir sind keinen Schritt weiter gekommen.“ Sie entscheiden, noch am selben Tag bei der Gräfin vorbeizuschauen. „Wir werden uns noch mal das Büro vornehmen.“ „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir da noch irgendetwas finden. Die hatten doch genug Zeit alles zu richten, wie sie es brauchen.“ „Das macht nichts, wir sehen einfach noch mal nach. Vielleicht haben wir ja etwas übersehen. Ein Foto, einen Hinweis… Außerdem sollen sie ruhig sehen, dass wir noch am Ball sind.“ Sie sitzen noch eine gute Stunde vor den abgegessenen Tellern ihrer Schlachtschüsseln, stochern in den Resten. Deutlich kann man die Ratlosigkeit spüren. Das dritte Bier ist soeben geleert worden. „Komm lass uns gehen!“, sagt Gerd Wildfang ungeduldig. Beim Hinausgehen stößt es dem Broder richtig auf.

      „Entschuldigung, ich glaube, ich hätte noch einen Schnaps gebraucht.“ Sie schwingen sich in ihren Dienstwagen und stellen fest, dass sie aufgeschrieben wurden. Gerd Wildfang poltert: „Da haben wir extra eine Plakette am Nummernschild und die blöde Kuh schreibt mich auf!“ „Wie kommst du auf Kuh? Vielleicht war es ja ein Ochse?“ Sie lachen herzhaft und steuern mit dem Wagen auf den Normannenplatz zu. Noch über den Friedensengel und dann stehen sie auch schon vor der Haustüre der Gräfin. „Die sind nicht da“, stellt Wildfang fest. „Die Rollläden sind runter.“ „Oder sie schlafen…“, meint Broder.

      „Eine Runde Schlaf täte mir jetzt auch gut“, meint Wildfang. „Wir warten, vielleicht sind sie ja nur zum Einkaufen.“ „Wenn man zum Einkaufen fährt, macht man doch die Rollläden nicht runter.“ „Lass uns einen Nachbarn fragen, hier passt jeder auf jeden auf!“, schlägt Walter Broder vor. Da erhält Wildfang einen Anruf aus dem Präsidium. „Was gibt’s?“ „Wir haben da einen Anruf von den Kollegen aus Frankfurt, es ist ein gewisser Hauptkommissar Lauenstein auch zuständig für das Autobahnrevier in Hessen.“ „Na… reden Sie schon und lassen Sie sich nicht alles einzeln aus der Nase ziehen!“ „Die haben da einen Hans-Heinrich von Weißenhahn, der hatte Papiere im Wagen, die auf ein Gespräch mit Ihnen schließen lassen…“ „Was sind das für Papiere?“ „Da gibt es eine Gräfin von Weißenhahn…“

      „Lassen Sie alles liegen, wie es ist! Ich komme sofort mit dem Kollegen Broder ins Präsidium.“ Broder fragt etwas gelangweilt, man spürt deutlich, dass ihm der Mittagsschlaf fehlt: „Gibt’s was Neues?“ „Es geht um den Frankfurter Grafensohn. Da ist irgendetwas passiert. Wir werden es gleich wissen.“

      „Ach…