Uhr. In zwanzig Minuten würde das Flugzeug landen. Er legte seine Hand auf Vincents Schulter.
»Fliegt er heute noch zurück?«
Vincent unterhielt sich kurz mit dem Piloten und beugte sich anschließend leicht zu Bodo nach hinten.
»Er hat heute noch einen Flug. Er wird hier am Flugplatz noch einen Kaffee trinken, und muss in spätestens einer halben Stunde wieder starten.«
Der Pilot blickte leicht fragend in den Spiegel. Bodo klopfte ihm leicht auf die Schulter.
»Hauptsache das Wetter hält«, sagte er mit einem freundlichen Grinsen.
Der Pilot deutete mit seiner linken Hand nach draußen.
»Viel lieber würde ich jetzt auf die Jagd gehen«.
Vincent lachte. »Oder einen solchen Lachs oder Dorsch fangen«. Mit beiden Händen deutete er das Maß der angestrebten Beute an.
Der Pilot nickte einige Male zustimmend.
Ole blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. Seine Augen richteten sich danach fragend an Bodo.
»Vierzehn Uhr dreißig«, sagte Bodo leise und langte dabei mit der linken Hand leicht unter den Sitz des Piloten. »Bist du ausgestattet?«
Ole nickte kurz.
Danach lehnten sich beide Männer zurück, und versuchten, trotz des Dröhnens in der Maschine etwas zu dösen.
Bradly berichtete unterdessen Marco weiter hinten von seinen amourösen Abenteuern in Biloxi.
Kurze Zeit später tauschte sich der Pilot mit dem Tower aus. In wenigen Minuten würden sie zur Landung ansetzen.
Ole griff nach seinem Rucksack, den er griffbereit zwischen seinen Beinen hatte. Seitdem er mit einem Flugzeug in der Einöde von Norwegen einen Absturz miterleben musste, hatte er sich vorgenommen, diesen mittelgroßen Rucksack immer in seiner unmittelbaren Nähe zu haben. Darin waren alle überlebenswichtigen Utensilien verstaut. Mit einem geübten Griff öffnete er nun den Reißverschluss einer Seitentasche. Das kleine, schwarze Päckchen sah aus wie ein normaler Reisewecker. Der Rucksack war am unteren Ende mit vier Plastiknoppen ausgestattet, um diesen beim Abstellen vor Nässe zu schützen. Ole drehte an einer der beiden hinteren Noppen. Es stellte sich heraus, dass diese die Plastikstangen verschlossen, welche normalerweise die Aufgabe hatten, den Rucksack entlang des Rückens zu stabilisieren. In diesen beiden Stangen verbargen sich insgesamt zehn kleine Plastikpäckchen mit hochexplosivem Sprengstoff. Unzählige Tests hatten ergeben, dass diese Päckchen bei Routineröntgenaufnahmen nicht sichtbar waren. Er entnahm nun eines dieser knapp fünf Zentimeter langen Päckchen. Danach klappte er den Deckel des Weckers auf, drückte kurz auf das Ziffernblatt, um es zur Seite zu schieben. Eine kleine längliche Vertiefung war zu sehen. Dort hinein legte der Sprengstoffexperte nun das weiße Päckchen. Erst jetzt war die kleine Steckverbindung zu sehen, die er aktivierte. Jetzt schob er das Ziffernblatt wieder in die Ursprungslage zurück. Aus einer der vorderen Noppen entnahm Ole zwei dünne Plättchen. Diese arretierten sich wie von Geisterhand auf der Rückseite des Weckers. Später erzählte er Bodo, dass es sich um Spezialmagnete gehandelte hatte. Ein Wecker, mit solchen Magneten ausgestattet, hätte bei eventuellen Kontrollen alle Alarmglocken schrillen lassen. Abschließend verglich er seine Armbanduhr mit der Uhr des kleinen Weckers. Es war 13:20 Uhr. Er stellte einen Zeiger auf 14:30 Uhr ein, schob einen winzigen Sicherungshebel zur Seite und klappte schließlich den Deckel zu.
Bodos Freund aus den Fjorden Norwegens hatte eine gründliche Ausbildung zum Sprengstoffexperten genossen. Später, in Deutschland, als Bodo ihm nicht nur finanziell freie Hand ließ, sondern ihn sensibilisierte, sich weiterzubilden, hatte Ole Kontakte mit vielen Waffen- und Sprengstoff-Experten geknüpft. Da es äußerst gefährlich gewesen wäre, mit einer entsprechenden Ausrüstung nach Kanada zu fliegen, hatte Bradly nach Oles Anweisungen einige wichtige Utensilien überbracht. Beide Aktivisten hätten es sich niemals träumen lassen, wie schnell und wie oft diese Ausstattung zum Einsatz gelangen sollte.
Das Flugzeug nahm Kurs über den zerklüfteten Südteil Nova Scotias. Der Highway 103 führte kurz vor Yarmouth an der Küste des Golfs von Maine entlang. Einige Kilometer vor Yarmouth machte das Flugzeug eine Schleife, um den Flughafen von Süden anzufliegen.
Ole sah eine kleine Landstraße nur knapp einhundert Meter unter sich. Er wartete, bis das Flugzeug aufsetzte.
Ohne sich nach unten zu beugen, tastete er mit der linken Hand unter den Sitz des Piloten. Im Moment des Aufsetzens führte er das kleine Kästchen mit der Rechten nach unten. Das Klacken des Magneten wurde vom Dröhnen des Motors und durch das Geräusch des Aufsetzens übertönt. Sicherheitshalber kontrollierte er noch einmal, ob das Kästchen festsaß. Zufrieden verzog er leicht den Mundwinkel.
Der Flugzeugmotor heulte leicht auf, als der Pilot das Flugzeug drehte, und auf die kleine Halle mit dem angebauten Tower zurollte.
Die fünf Männer stiegen aus. Vincent war mit einem Leihwagen durch Kanada bis zu seinem Freund in Tusket, einige Kilometer von Yarmouth entfernt, angereist. Dieser Freund und Verwandte würde später notfalls versichern, dass Vincent bei ihm einige Tage verbracht hatte. Bei seinem Freund Henry würde er übernachten, um am anderen Tag ein Flugzeug nach Montreal zu nehmen. Da Bodo nicht mit einem Taxi zum Yachthafen fahren wollte, bat Vincent seinen Freund, die kleine Crew abzuholen. Als sie das Flughafengebäude betraten, zischte Marco:
„Blickt möglichst oft nach unten. Hier sind vier Kameras angebracht. Nicht interessiert oder gar prüfend nach oben schauen. Versichert euch am besten, ob eure Schuhe gut geputzt sind. Pelzmütze aufsetzen, und möglichst tief ins Gesicht ziehen. Alle Männer zogen ihre Pelzmützen ins Gesicht und steuerten mit dem Blick nach unten den Ausgang der Halle zu. Im Freien angelangt schlenderten sie gemeinsam an den kleinen Hallen entlang, als hätten sie alle Zeit der Welt. Einige hundert Meter außerhalb des Flughafengeländes, wo keine weiteren Überwachungskameras vermutet werden konnten, wartete Henry mit einem großen Geländewagen. Er brachte Bodo, Bradly, Ole und Marco zum Yachthafen. Bodo hatte Bradly eine Woche zuvor eingeschärft, seine Yacht möglichst am Rand des Hafengeländes vor Anker zu bringen.
»Danke für deine Unterstützung mein Freund. Ich werde dir das nie vergessen.« Bodo umarmte Vincent.
»Ich habe es auch für Ewald getan«, brummte dieser. »Er war auch mein Freund. Verdammt, ich bin stolz auf unsere Truppe.« Er blicke Bodo in die Augen. »Der Pilot …?«
»Gönn ihm seinen letzten Kaffee. Er wird nichts spüren«, sagte Bodo emotionslos. »Dieser dumme Mensch hatte sich alle unsere Gesichter sorgfältig eingeprägt. Wir dürfen kein Risiko eingehen.«
Vincent nickte kurz, klopfte Bodo noch einmal auf die Schulter und stieg in das Fahrzeug zu seinem Freund Henry.
Kapitel 5
Bereits fünf Minuten später legte die Yacht mit den vier Männern ab. Im Golf von Maine war es deutlich wärmer, als an der Nordspitze von Neufundland. Vor allem Marco und Ole begutachteten das noble Gefährt. Ursprünglich war es eine deutsche Yacht; Baujahr 1993, weiß, und trotz einer Länge von knapp über 20 Meter sehr schnittig. Sie hatte eine Breite von 5,60 Metern, zwei Dieselmotoren mit 1150 PS und vier Kabinen. Genau genommen war die Yacht ein Geschenk Bodos an seinen Freund Bradly gewesen; gedacht als Startkapital für sein neues Leben. Der Mann aus Biloxi hing damals, wie so oft in seinem Leben, wieder einmal in den Seilen.
Bradly war als Sohn eines Ingenieurs in Biloxi am Golf von Mexiko aufgewachsen. In seiner frühen Jugend entpuppte er sich als abenteuerlustiger und zäher Draufgänger, der den Großteil seiner Freizeit nicht hinter den Büchern, sondern in den Wäldern des De Soto National Forest und am Black Creek verbrachte. Mit zweiundzwanzig sah er keinen Sinn mehr darin, das Studium zum Ingenieur zu beenden. Bei den Eco Warriors lernte er Bodo und Marco kennen. Während die meisten Eco Warriors-Krieger vom FBI gefangen genommen wurden, war Bradly zunächst fest davon überzeugt gewesen, durch das Netz des FBI geschlüpft zu sein. Das stellte sich rasch als ein tragischer Irrtum heraus. Ein Mitarbeiter des FBI, er hieß