Lars Gelting

Mit der Wut des Überlebens


Скачать книгу

weiter!“ Zita hatte ihn nur über ihre Schulter hinweg betrachtet, sagte das, ohne ihre verschrumpelte Miene zu verziehen, während Margret ihn immer noch breit lächelnd ansah.

      „Ja ja, macht mich nur zum Dussel! Das gefällt euch!“ Er schaute immer noch ärgerlich drein, ließ dem Schalk aber schon mehr Raum und griff nach Thereses Becher, „Ich füll dir nach. Aber achte auf Margret, die hat scheinbar ihre Glieder nicht in der Gewalt!“

      Margret lachte wieder ihr tiefes Lachen, zeigte mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf seine Hose, „Du aber wohl auch nicht!“

      „Sag mal,“ Mikola sah hinter Zitas Rücken herüber, bemühte sich wieder ernst zu sein, „du hast vorhin gesagt, Johannes hätte es geschafft und wäre vermögend und frei aus dem Krieg zurückgekommen. Hatte er denn wirklich so viel Geld dort in dem Grab zusammen getragen?“

      Sie rührte mit dem Holzspatel ruhig und ausdauernd ihren Honig in das heiße Wasser, nahm langsam und bedächtig einen Schluck, und fast sah es so aus, als wolle sie die Stille, das Innehalten, welches sich plötzlich im Zelt ausgebreitet hatte, nicht durchbrechen, wolle gar nicht antworten. Als sie ihn endlich ansah, waren ihre Augen ernst. So ernst, als wollten sie leugnen, vor einem Moment noch gelächelt zu haben.

      „Siebenundzwanzig Beutel lagen in dem Grab! In jedem Beutel waren genau vierhundert Florentiner, Gulden oder Golddukaten.“

      Für einen Augenblick sagte niemand etwas, schaute sie nur jeder an, unbeweglich, wie eingefroren, horchte dem Klang des Gesagten noch einmal nach.

      „Das haben wohl nur wenige geschafft! Wirklich! …“

      Mikola legte sich wieder ruhig zurück auf seine Ellbogen, sah sinnend auf die gegenüberliegende Zeltwand. „Wirklich! Zu dumm! Das hätte gereicht!“

      „Mein Gott! Wo lässt man so viel Geld?“ Franz setzte sich ruhig wieder hin, sah sie von der Seite an, beeindruckt, fassungslos. Nach einer Pause dann, in der nur das leise Schaben der Holzspatel in den Bechern zu hören war, „Vermutlich kann man siebenundzwanzig prall gefüllte Geldbeutel nicht gut in seinem Bett unterbringen.“

      „Im Bett? Soviel Geld unterm Hintern macht unruhig. Außerdem wäre das auch ziemlich ungeschickt. Selbst du würdest ja drauf kommen. Nein: Izaak Goldberg hat das Geld für mich in Sicherheit gebracht.“

      „Über zehntausend Gulden!“ Sein Gesicht fror förmlich ein, mit geöffnetem Mund, in absolutem Unverständnis.

      „Ich glaube, ich hätte so viel Geld auch nicht aus der Hand gegeben.“ Margret sah sinnend zu ihr herüber, „Ich hätte es immer sehen müssen, um zu wissen, dass es noch da wäre.“

      „Hm!“ Therese sah hinüber zu Mikola, „Und Johannes glaubte, viel Geld würde frei machen.“

      „Na ja,“ Auf den Ellenbogen abgestützt sah er zu ihr herüber, „das wird wohl auch so sein, denke ich. Zumindest musst du dir nicht von jedem der Herren was sagen lassen und vor ihnen buckeln!“

      Einen Moment lang sah sie ihn nachdenklich an, die Augenbrauen hochgezogen, nickte ruhig und bestätigend, „Schön wäre es. Aber das Haben alleine nutzt dir ja noch gar nichts.“

      „Ho-ho! Das will ich aber wohl meinen, Mädchen! Wirklich! Wenn ich einmal so viele Goldfische haben sollte, dann kann ich auch davon leben!“ Bequem zurück gelehnt, reckte er ihr wissend und überzeugt das Kinn entgegen.

      „Kaum! Solange die Herren in dir den Einfachen sehen, zwingen sie dich auch zum Buckeln.“

      „Natürlich wollen sie das gerne, aber ich tu´s dann nicht mehr. Wirklich! Nicht wenn ich so viel Geld irgendwo im Baum hätte!“

      „Und wie willst du denen erklären, woher du das Geld hast? Die luchsen dir deine Kröten schnell ab, wenn sie erst einmal davon wissen.“

      Mikola verstand nicht, zog die Stirne kraus, „Das wäre das erste Mal, Trissa! Wirklich! So schnell luchst mir keiner mein Geld ab! Ich würde diese schönen Beutel einfach vergraben. Genauso wie Johannes das auch gemacht hat. Oder ich würde sie irgendwo in einen hohlen Baum stopfen. Da könnte ich doch ganz in Ruhe leben!“

      Wissend, die Augenbrauen weit hochgezogen, blickte sie zu ihm herüber.

      „Hört sich erst mal gut an, aber auf die Idee kommt jeder und deshalb ist es wohl wirklich die schlechteste aller Möglichkeiten.“

      „Was willst du denn anders machen? Das ist doch wohl die einzige Möglichkeit, die du hast, wenn du plötzlich so eine Menge Geld in die Finger bekommst, oder?“ Mikola reckte wieder sein Kinn vor, wartete auf eine Antwort.

      „Und wenn dich jemand beobachtet? Ausschließen kannst du das nie! Auf jeden Fall bist du dein Geld dann los.“ Sie sah hinüber zum Feuer, wo die Holzscheite bis auf die Glut heruntergebrannt waren. „Ich hätte es wohl auch so gemacht, aber da waren, gottlob, die Goldbergs davor …

       Moshe zügelte das Pferd, stoppte den Wagen fast ruckartig. Und für einen Augenblick standen sie auf dem holprigen Weg, sahen sich an. Er verstand nicht, furchte die Stirne, und sein forschender Blick zeigte deutlich, dass er nicht an ihren Worten, sondern an ihr zweifelte!

      „Vergraben wollt ihr das Geld?“ Erstaunt und durch seine Reaktion verunsichert, hob sie kurz die Schultern und nickte nur. Er wandte sich langsam wieder um, kopfschüttelnd, und gab dem Pferd die Zügel frei.

      „So viel Geld zu vergraben wäre nicht nur bodenlose Dummheit, es wäre geradezu Sünde!“ Eine Zeitlang sprach er nicht mehr, fuhren sie schweigend den holperigen Weg entlang, der jetzt etwas anstieg und sie in weitem Bogen um einen Wald herumführte.

       Unvermittelt dann: „ Schlagt euch das aus dem Kopf! Geld kann man nicht vergraben! Man kann Abfall vergraben, und man kann Tote vergraben, aber Geld kann man nicht vergraben!“

      „Warum sollte ich das Geld nicht vergraben können?“ Ihr Oberkörper bog sich leicht nach hinten und dabei etwas von ihm weg. Nicht verstehend, auch ein wenig ärgerlich zog sie ihre Augenbrauen zusammen. „Johannes hatte das Geld auch vergraben, und es hat doch funktioniert.“

       Jetzt zog er das ganze Gesicht ungeduldig in Falten, „Seid vernünftig, Frau! Das war etwas ganz anderes! Hätte euer Mann das Geld abholen können, so hätte er das Geld ganz sicher nicht an anderer Stelle wieder vergraben. So viel Geld muss man anlegen!“

       Sie blickte ihn von der Seite an, verständnislos, „Anlegen.“ warf das Wort einfach so dahin.

      „Ja, anlegen!“ Er wandte sich ihr kurz zu, immer noch ungeduldig, „Geld ist nicht einfach nur totes Metall, das man vergraben kann. Glaubt das doch nicht!“ Mitten auf dem Weg vor ihnen lag ein dicker Felsbrocken, der vom Wald herunter gerollt war. Moshe hielt den Wagen schon weit vor dem Stein an, gab ihr die Zügel, „Verschwindet wenn es ernst wird!“

      „Wenn es ernst wird?“ Sie sah zu, wie er vom Wagen herunterstieg, zog die Stirn in Falten.

      „Der Stein.“ Er stand jetzt vor dem Wagen, wies mit der Hand voraus, „Ein guter Platz für einen Hinterhalt. Würde mich nicht wundern, wenn da schon jemand ausgenommen wurde.“

      „Und was mache ich dann?“

       Er hatte sich schon abgewandt, war schon los gelaufen, „Dann wartet unten hinterm Berg auf mich!“ Lief dann soweit den Hang hinauf, dass er hinter den Stein sehen konnte. Beruhigt kam er wieder zurück und bugsierte den Wagen vorsichtig über den schrägen Hang am Stein vorbei. Wieder auf dem Weg sah er sie mit hoch gezogenen Augenbrauen an:

      „Das sind diese harmlos aussehenden, aber wirklich gefährlichen Stellen!“

      „Vermutlich haben uns die Halunken schon von weitem gerochen und sich dann lieber aus dem Staub gemacht.“ Sie sah zurück, warf einen kurzen, angewiderten Blick über die Schulter auf den Haufen frisch abgezogener Schaf- und Kuhfelle, die sich hinter ihnen auf der keinen Ladefläche zu einem unansehnlichen Haufen