Lars Gelting

Mit der Wut des Überlebens


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ist gut so! Im Frühjahr fahren Moshe und ich rüber, und dann werden wir euer Geld an die richtigen Leute bringen!“

      „In Magdeburg?“ Jetzt legte sie ihr Gesicht in Falten, „Magdeburg ist doch total zerstört! Da kann doch niemand mehr Geschäfte machen, da ist doch kein Geld mehr! Außerdem ist immer noch Krieg!“

       Er schob den Kopf leicht in den Nacken, setzte ein Gesicht auf, hinter dessen wissendem Lächeln sich offensichtlich Geheimnisse verbargen: „Das stimmt. Leider ist immer noch Krieg! Aber auch im Krieg geht das Leben weiter, nur anders! Und das Geld ist ja nicht verschwunden, das ist da und will angelegt werden!“

       Nachdenklich, eher unsicher forschte sie in seinem Gesicht, „Ich würde meinen, das meiste Geld ist beim Brand verloren gegangen oder geraubt worden?“

       Um seine Augen herum zuckte es, eine kurze Regung nur, einen Atemzug lang, während dem das Gespräch stockte. Ihm war offensichtlich klar, dass sie genau wusste, wovon sie sprach.

       Sie wandte ihren Blick nicht ab, zuckte mit den Schultern, „Ich habe meinen Preis bezahlt!“

       Die dicken Lippen fest aufeinander gepresst, nickte er ruhig einmal vor sich hin.

      „Die meisten Leute, die wirklich Geld hatten, waren beim Sturm gar nicht in der Stadt. Jetzt sind sie zurück, und jetzt brauchen sie Geld, viel Geld! Und wir wollen es ihnen leihen! Wir können euer Geld also gut gebrauchen!“

       Sie sah mit schmalen Augen auf den Boden, versuchte rasch, ihre Gedanken zu ordnen. So blieb sie immer abhängig! Sie selbst musste lernen, mit ihrem Geld umzugehen!

      „Lieber wäre mir, ich könnte euch begleiten. Ich möchte lernen, bei welchen Leuten Ihr euer Geld anlegt und bei welchen nicht. Und ich möchte lernen, was ihr verhandelt, wie ihr das Geld anlegt. All das muss ich selbst einmal können.“

       Von einem Augenblick zum anderen verschwand alle Euphorie über die bevorstehenden Geschäftsmöglichkeiten aus Izaaks Gesicht, machten einer entschlossenen, distanzierten Kühle Platz: „Da gibt es für euch nichts zu lernen! Frauen haben in diesem Geschäft nichts zu suchen! Entweder wir machen das Geschäft für euch, oder wir machen es gar nicht. Dann bleibt auf eurem Geld sitzen, bis es sich von selbst davonmacht!“ Er zuckte die Schultern, wandte sich um und verschwand nun endgültig im Haus.

       Nachdenklich blickte sie ihm einen Augenblick nach, wandte sich Batya zu, die sie jetzt ernst mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.

      „Das hast du nicht gut gemacht! Izaak überlegt sich gut, was er sagt und was er macht. Widerspruch duldet er nicht, und du bist noch dazu eine Frau! Izaak meint es wirklich gut mit dir, verdirb dir das nicht!“

       Zögernd löste sie sich von Batyas warnendem Blick, sah hinüber zu den Stallungen, „Batya, es kann aber doch nicht immer so weitergehen!“ Ihr Blick kehrte zurück, „Ich lebe hier bei euch, wie ein gut aufgehobenes Kind. Mir fehlt es an nichts, du umsorgst mich wie eine Schwester. Aber ich muss doch irgendwann auch wieder mein eigenes Leben leben!“

      „Das kannst du doch jetzt!“ Batya streckte ihr das hübsche Gesicht verschwörerisch entgegen, machte große Augen: „Lass Izaak doch dein Geld vermehren. Ihm macht das Freude, und du kannst unbeschwert leben – mache es dir doch nicht so schwer!“

      „Ich kann das nicht so, Batya!“ Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, legte ihren Kopf soweit zurück, bis er anstieß, „Irgendwann muss ich doch auch zu meinen Kindern zurück! Ich muss und ich will jetzt wieder lernen, mein Leben selbst zu regeln!“

       Batya sagte einen Augenblick gar nichts, sah sie nur an, nachdenklich, besorgt. Dann ratlos, fast ein wenig unsicher: „Aber du bist eine Frau …! Sie werden dir da draußen alles nehmen, wenn dich niemand mehr schützt!“

      „Da hast du wohl Recht!“ Sie nahm ihren Kopf von der Wand, nickte überlegend vor sich hin, „Wer wüsste das nicht besser als ich!“ Ganz langsam beugte sie der anderen den Oberkörper entgegen, wirkte jetzt klar und fest entschlossen: „Aber gerade deshalb will ich es ja lernen, wie man da draußen mit Geld umgeht, wie man es vermehrt und richtig einsetzt. Izaak kann mein Geld anlegen, wo und wie er es für richtig hält. Ich möchte nur dabei sein, wenn er seine Geschäfte abwickelt. Ich will es sehen und hören Ich will von ihm lernen, mehr nicht!“

       Mit dem Anflug eines mitleidigen Lächelns schüttelte Batya langsam ihren Kopf: „Für Izaak ist schon das unerhört! Izaak würde mit dir noch nicht einmal im gleichen Wagen zu einem anderen Händler fahren! Undenkbar! Ganz einfach, weil du eine Frau bist! Für uns Frauen ist diese Welt verschlossen.“

       Sie lehnte sich wieder zurück an die Wand, „Dann brauche ich Moshe wohl auch gar nicht erst fragen.“

      „Das weißt du doch inzwischen: Was Izaak sagt ist Gesetz!“

       Sie schloss die Augen, legte den Kopf weit zurück, „Batya, es ist zum Verzweifeln.“ Sie nahm den Kopf von der Wand, sah Batya direkt an, „Mein Mann hätte das Geld verwalten müssen. Mein Mann ist aber tot. Er hat mir das Geld übertragen, auch in der Verantwortung für unsere Kinder. Verstehst du? Seitdem ich aus Eichstätt fliehen musste, kann ich nicht mehr über mein eigenes Leben entscheiden, immer bin ich auf andere angewiesen. Aber ich muss doch irgendwann wieder für mich und für meine Kinder Verantwortung übernehmen. Kannst du das nicht verstehen?“

       Nachdenklich, hilflos die vollen Lippen zusammengepresst, sah die andere sie an, nickte ganz leise vor sich hin, „Ich weiß nur nicht, wie ich dir helfen soll.“ Sie sah hinüber zu Daniel, der immer noch seinen Reifen über den Hof trieb und gerade den Brunnen umrundete. „Wahrscheinlich würde ich genauso denken wie du.“

       Daniel trieb seinen Reifen jetzt wieder auf sie zu, trieb ihn an ihnen vorbei und ließ ihn einen Moment später wieder klackend gegen die Hauswand laufen.

      „Ich werde eine günstige Gelegenheit abwarten und dann mit Moshe darüber sprechen. Moshe weiß bestimmt einen Rat.“ Und so, als wäre ihr plötzlich eine Idee gekommen, sah sie überlegend seitwärts zu Boden, blickte dann aber im nächsten Augenblick zu ihr auf, die Augen leicht zusammengekniffen, „Vielleicht gibt es eine Lösung!“ Sie schob ihre Zungenspitze spielerisch zwischen die Schneidezähne und forschte mit einem unergründlichen Lächeln in ihrem Gesicht, „Eine gute Lösung! Die hätte auch noch andere Vorteile für dich.“ Im nächsten Augenblick strahlte sie übers ganze Gesicht, hob aber sofort abwehrend beide Hände, als sich Therese fragend, mit vorsichtigem Lächeln von der Wand abstieß und leicht vorbeugte. „Löchere mich jetzt nicht. Ich muss erst mit Moshe darüber reden. Komm! Lass uns die Beutel rüber bringen in den Pferdestall. Da stinkt es sowieso, da werden die paar Beutel nicht auffallen.“

      „In den Pferdestall?“ Therese sah skeptisch zu den Stallungen hinüber.

      „Klar! Weiß doch keiner, dass du dein Geld dort versteckt hast! Warum sollte jemand neben dem Abtritt nach Geld suchen!“ Zielstrebig ging sie voraus, blieb nach dem ersten Schritt, den sie in Thereses Kammer gemacht hatte, stehen, verzog angewidert das Gesicht, „Bäh!“ Sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase, wandte sich um, „Das müssen wir aber gleich neben den Abtritt legen und dann alles Heu darüber, was wir haben!“

      3. Teil Die Geldanlage – keine Geschäfte für Frauen?

       Eigentlich hatte der Tag vielversprechend begonnen. Sie waren zeitig an der Herberge losgekommen, es war ein schöner Frühlingstag, die alte Handelsstraße von Leipzig nach Magdeburg war also trocken und so kamen sie zügig voran.

       Überhaupt war alles schneller und einfacher gegangen, als es nach dem Gespräch mit Izaak und später mit Batya anzunehmen war.

       Schon zwei Tage später stellte ihr Moshe so ganz