Tessa Koch

Wounded World


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Blut aus dem Gesicht waschen. Ihr?“

      „Oh ja.“ Adam hält grinsend eine Waffe in die Höhe. „Eine Neun-Millimeter. Und die dazugehörige Munition.“

      „Sehr gut!“ Auch ich muss lächeln. „Das könnte unser Fahrschein hier raus sein!“

      „Ich sage dir, was unser Fahrschein hier raus ist.“ Er winkt mich zum Fenster. „Die Gasse hinter dem Haus hier ist so gut wie leer, sie scheinen sich alle vorne herumzutreiben“, sagt Adam, als ich zu ihm getreten bin. „Und siehst du, da hinten?“ Er deutet nach links.

      Ich lehne mich näher zu ihm herüber, um es sehen zu können. „Ein Jeep!“ Ich blicke auf den Wagen, er hat einen breiten In god we trust-Aufkleber auf der Heckscheibe. Der Regen läuft wie ein Wasserfall über die Karosserie.

      „Um genau zu sein ein Grand Cherokee. Und die Schlüssel scheinen zu stecken.“

      „Woher willst du das wissen?“ Ich kneife meine Augen leicht zusammen.

      „Ganz einfach, das Licht ist an. Das geht nur, wenn der Schlüssel steckt. Und dass es leuchtet, zeigt uns wiederum, dass die Batterie noch nicht leer ist. Unser Ticket raus aus diesem verseuchten Nest.“

      Ich bin noch nicht ganz überzeugt. „Und wie stellst du dir das vor?“

      „Ich schnappe mir die Knarre, gehe durch den Seiteneingang und hole das Auto. Dann fahre ich die Kiste direkt vor die Tür für euch und rufe Clairy auf ihrem Handy an, damit ihr wisst, dass die Luft rein ist und ihr kommen könnt. Ihr hüpft rein und dann verlassen wir auf dem schnellsten Wege Washington.“ Er grinst mich schief an.

      Ich lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen. „Ich werde es machen. Oder komme zumindest mit.“

      „Nein. Du weißt, dass ich dir vertraue, Eve. Ich denke nicht, dass du uns einfach zurücklässt oder sonst was. Aber ich habe dir heute schon einmal das Leben gerettet, du hättest tot sein können, als wir draußen vor dem Haus standen. Da werde ich dich jetzt nicht da rausschicken, wo Hunderte von diesen Dingern rumlaufen. Und einer alleine ist nun mal schneller und unauffälliger.“

      Ich seufze leise. Noch immer bin ich der Meinung, dass es einen anderen Weg geben muss als mit dem Auto. Dass er es nicht alleine versuchen sollte. Doch ich weiß auch, dass ich Adam nicht werde überzeugen können. „Klingt gar nicht so verkehrt.“

      „Ist es auch nicht, vertraut mir. Ich werde uns hier rausbringen. Und zwar jetzt.“ Er entsichert die Waffe.

      „Sei vorsichtig, Babe.“ Sie küssen sich und ich muss mich abwenden.

      „Und versuche, wenn es geht, das Ding da nicht zu nutzen.“ Ich deute auf die Waffe. „Wir sollten so leise wie möglich sein.“

      „Alles klar. Bis gleich, ihr zwei.“ Er verlässt den Raum.

      „Das kann nicht gut enden.“ Clarissa klingt belegt.

      „Er weiß schon, was er tut“, erwidere ich, den Blick auf die Gasse gerichtet.

      „Das meine ich nicht.“

      „Was denn dann?“ Ich schaue, ob ich eines dieser Dinger sehe, doch sie scheinen tatsächlich alle auf der Vorderseite des Hauses zu sein. Mir kommt der Gedanke, dass sie dort wohl noch genug zu fressen haben und mir wird wieder leicht flau im Magen.

      „Er hat dich Engel genannt. Vorhin, als du Derek getötet hast. Und immer wieder wirft er dir diese … diese Blicke zu. Adam, meine ich. Und deswegen kann ich nicht zulassen, dass du mit uns kommst.“

      „Was?“ Ich will mich ihr zuwenden, in ihr Gesicht blicken und mich davon überzeugen, dass sie das gerade wirklich gesagt hat. Aus den Augenwinkeln sehe ich noch, wie sie mit dem Messerblock weit ausholt.

      Dann wird um mich herum alles schwarz.

      12. Juli 2021, DIE FLUCHT

       Logbuch-Eintrag 02

      

       Wir sind seit Stunden unterwegs, erst jetzt gönnen wir uns unsere erste Pause. Meine Lungen schmerzen, ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in meinem Leben so lange am Stück gerannt bin. Am liebsten wäre ich noch immer in Bewegung, mein Herz schlägt so schnell gegen meine Rippen, dass es wehtut. Ich weiß, dass es Angst ist. Tiefe, schwarze, unendliche Angst.

       Den ganzen Weg über habe ich mich immer wieder umgedreht, geschaut, ob sie uns noch immer folgen. Auch jetzt, während ich schreibe, umklammere ich mit meiner anderen Hand fest den Hammer. Ich weiß, dass ich ihn so schnell nicht mehr aus der Hand legen werde.

      

       Dabei kann ich nicht einmal sagen, wie es passiert ist. Was passiert ist, zur Hölle. Ich verstehe es nicht und weiß, dass ich es auch eigentlich gar nicht verstehen möchte. Es ist keine drei Tage her, dass die Welt noch normal gewesen ist, dass alles so war wie immer. Und nun, keine 72 Stunden später, liegt alles in Trümmern. Die Erde, wie wir sie kannten, existiert von nun an nicht mehr.

      Zuerst nehme ich den Schmerz in meinem Kopf wahr, ehe ich wirklich zu mir komme. Es ist ein starkes Pochen in meiner Stirn. Meine Hand fährt hoch, betastet meinen Kopf und ich spüre etwas Warmes an meinen Fingern. Langsam, ganz langsam öffne ich die Augen und betrachte meine Hand; sanft fließt das Blut von meinen Fingerspitzen über den Ballen auf mein Handgelenk zu.

      Ich ächze leise, als ich mich aufsetze und mich umsehe. Es dauert nur wenige Minuten, bis ich das Wohnzimmer wiedererkenne und mich erinnere. Clarissa muss mich mit dem Messerblock niedergeschlagen und dann zurückgelassen haben. Weil sie nicht wollte, dass ich mit ihr und Adam aus Washington fliehe, vor den Untoten, die in diesem Augenblick langsam aber sicher die Stadt übernehmen.

      Tausende verschiedene Schimpfwörter für Clarissa schießen mir durch den Kopf, ebenso wie diverse Möglichkeiten, wie ich mich an ihr dafür rächen kann, dass sie mich einfach hier zurückgelassen hat. Doch weiß ich auch, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um über solche Dinge nachzudenken. Ich will mich an den langen Vorhängen auf die Beine ziehen, doch die Gardinenstange gibt unter meinem Gewicht nach und stürzt auf mich hinab. Leise fluchend trete ich die Gardine weg und stemme mich dann hoch. Ich rücke Gürtel und Rucksack zurecht, dann gehe ich zu den Fenstern. Als ich hinaus schaue, sehe ich, dass der Jeep fort ist, zusammen mit Adam und Clarissa. Sie haben mich tatsächlich einfach hier gelassen.

      „Scheiße.“ Mit zügigen Schritten gehe ich auf die geschlossene Tür zu. Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos gewesen bin, wie viel Zeit ich verloren habe und was in der Zwischenzeit passiert ist. Doch ich weiß, dass ich nun meinen eigenen Weg aus Washington finden muss. Nach wie vor glaube ich, dass es außerhalb der Stadt sicherer sein muss, fern so vieler Menschen. Daher ist es umso wichtiger aus Washington zu fliehen, ehe die gesamte Stadt von Zombies eingenommen worden ist.

      Ich erreiche die Tür. Doch als ich sie öffnen will, tut sich nichts. „Dieses Miststück!“, zische ich, als ich mich gegen das Holz werfe. Aber es bringt nichts, die Tür ist nach wie vor verschlossen. Clarissa hat mich in diesem verdammten Raum eingesperrt. „Scheiße!“ Suchend blicke ich mich in dem Raum um und begreife schnell, dass der einzige Weg aus dieser Wohnung die Fenster sind.

      Ich durchquere das Wohnzimmer erneut und öffne dann das breite Fenster. Mit einer Hand fest um den Rahmen beuge ich mich halb hinaus, um mich umzusehen. Unter mir geht es gute fünfzehn Meter in die Tiefe, nichts ist zwischen mir und der Straße, das einen freien Fall bremsen würde. Meinen freien Fall. Rechts von mir ist ebenfalls gähnende Leere, links ein kleiner Vorsprung, der zu der Feuerleiter des Hauses führt. Aus dem benachbarten Schlafzimmer wäre dieser problemlos zu erreichen, so allerdings liegen gute drei Meter zwischen mir und der Feuertreppe.

      Meine Knie werden weich, als ich einsehen muss, dass ich keine andere Wahl habe als über die Fenstersimse zu dem Vorsprung bei der Feuerleiter zu klettern, wenn ich aus dieser gottverdammten Wohnung