Josef Mugler

Melange, Verkehrt und Einspänner


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wir haben da ein Problem, zu dem ich deinen Rat brauche!“

      „Schon wieder!“, dachte Weissacher, nachdem er von Priem erst vor wenigen Tagen über zunehmende Schwierigkeiten mit unzureichend qualifi­zierten Mitar­bei­tern erfahren hatte.

      „Wo brennt es denn?“, versuchte Weissacher die Sache erst einmal tröstend herun­terzuspielen. „Braucht ihr wieder eine Nachhilfe für einen eurer Ama­teure?“

      „Nein, Karl, es ist etwas Rätselhaftes passiert! Anke ist verschwunden und mit ihr ein Softwareexperte, den sie gestern Abend am Flughafen hätte abholen sollen.“

      „Na, die werden verschlafen haben.“ Weissacher stellte sich vor, dass Priem ob dieser frivolen Mutmaßung ein wenig entspannter sein würde. Er kannte Anke flüchtig. Sie war einmal bei einem Sommerfest, das Priem veranstaltet hatte, zu Gast gewesen. Sie war zweifellos eine attraktive Frau, nicht naiv, aber lebens­lustig, vielleicht sogar gelegentlichen Abenteuern nicht abgeneigt. „Wartet noch eine Stunde, dann hört ihr eine lustige Ausrede für die Verspätung und alles ist wieder in Ordnung.“

      Gerhard Priem schien gar nicht erleichtert. „Karl, mach keine Witze! Es handelt sich um Sturiak! Sturiak ist einer der teuersten Support Agents des Konzerns. Jede Stunde, die wir ihn brauchen, kostet uns ein Vermögen. Er ist extra hierher eingeflogen worden, von was weiß ich wo auf der Welt.“

      „Auch der teuerste Experte kann ein ganzer Kerl sein und bei Anke schwach werden!“

      „Nein, Karl! Sturiak weiß, was er der Firma kostet. Der macht das nicht. Wir haben bei Anke angerufen. Niemand meldet sich da. Wir haben im Hotel ange­rufen. Sturiak ist dort nicht angekommen. Er war aber an Bord der Maschine, mit der er aus Zürich nach Wien kommen sollte. Anke haben wir zuletzt gese­hen, als sie in aller Eile zum Flughafen aufbrach. Der Flug war früh dran. Sie wollte rechtzeitig in Wien-Schwechat sein. Sie war mit einem Taxi unterwegs. Der Taxifahrer konnte sich erinnern, sie am Flughafen bei der An­kunftshalle abgesetzt zu haben. Dann fehlt jede Spur von ihr. Und ebenso von Sturiak, der in der Maschine aus Zürich war.“

      “Klingt allerdings merkwürdig, auch wenn ich Anke ein Abenteuer zutraue.“ Weissacher begann ernsthaft über die Sache nachzudenken.

      „Wisst ihr sonst noch etwas? – Was ist das für ein Auftrag, den euer Sturiak erle­digen sollte? Wozu braucht ihr einen so teuren Experten?“

      „Das kann ich nicht so ohne Weiteres sagen. Unser Kunde war mir gegenüber sehr zugeknöpft. Ich bin persönlich in diesen Geschäftsbereich nicht involviert.“ Priem klang etwas unsicher und verschämt: Er, der Assistent der Geschäfts­leitung, war in eine Sache von Wichtigkeit für seine Firma nicht voll eingeweiht, nicht einmal jetzt, wo es eine Komplikation gab!

      „Dann lass dich erst einmal informieren, Gerhard. Wenn wir wissen, was Sturiak tun sollte, können wir vielleicht erraten, was dazwischengekommen ist oder wer ein Interesse haben könnte, dass etwas dazwischenkommt.“

      „Ich werde es versuchen. Wie immer hast du recht und einen klaren Kopf, wäh­rend ich gleich in Panik gerate. – Bitte halte dich aber bereit! Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

      Weissacher legte auf. Ilona brachte die Karaffe Wasser, die Weissacher jeden Tag auf seinen Tisch gestellt bekam, damit er in der trockenen Büroluft genug Flüssigkeit zu sich nahm.

      „Ilona, stell dir vor, da holt eine Sekretärin einen wichtigen Mann vom Flug­hafen ab und seither sind beide verschwunden. Was hältst du davon?“

      „Kommt darauf an, wer es ist!“, bemerkte Ilona kurz.

      „Wie gesagt, ein Riesenkaliber von einem Experten, kostet der Firma ein Ver­mögen. Und die Sekretärin ist eine attraktive Blondine, aber höchst zuverlässig in ihrem Job.“

      „Ist ein bisschen wenig an Information! – Unglücksfälle und Irrtümer sind doch wohl schon ausgeschlossen – oder?“

      „Sind ausgeschlossen!“

      „Die Sache schmeckt mir nicht! Man sollte wissen, welchen Auftrag der Verschwundene in Wien erledigen sollte und was er sonst noch treibt. Vielleicht hat das Ganze gar nichts mit Wien zu tun. Vielleicht hängt irgendein anderes Übel an ihm, das gerade in Wien schlagend wird!“

      „Gut spekuliert, Ilona! Aber eben nur spekuliert. Übrigens: Kennst du vielleicht die Anke von Consulting Support?“

      „Nicht persönlich, aber ich habe von ihr gehört. Die dürfte in Ordnung sein. Die macht angeblich keine unüberlegten Sachen! – Ich würde mich mal darauf ein­stellen, dass da etwas nicht stimmt.“

      Das Telefon rührte sich wieder. Wieder Gerhard Priem.

      „Karl, du sollst sofort hierher in unser Büro kommen. Die Alarmstufen steigen bei uns alle paar Minuten weiter an, solange die beiden verschollen sind.“

      „Gut, bin schon unterwegs. Ilona, stell die übliche Message in unser Such­netz­werk! Vielleicht erinnert sich jemand, die beiden wo gesehen zu haben.“

      „Aber ich habe doch gar keine Details zu den Personen!“

      „Da ist der Hörer, Herr Priem wird dir alles sagen, was notwendig und bekannt ist.“

      Damit eilte Weissacher aus seinem Büro hinaus und das Stiegenhaus hinunter, das wegen des trüben Wetters noch unfreundlicher wirkte als sonst. Aber die Adresse war gut genug für ihn und die Miete erträglich.

      Die Consulting Support Vienna war eigentlich eine simple Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach österreichischem Recht. Auf dem Markt hieß man freilich besser Consulting Support Ltd. Das beeindruckte zwar nicht die ausländischen Partner, aber immer noch einige inländische, trotz der zuneh­menden Imageprobleme dieser Rechtsform. Der Mittwochmorgen, an dem dieser Mr. Sturiak für einen wichtigen Kunden Softwareprobleme lösen sollte, die man mit den eigenen Mitarbeitern nicht lösen konnte, war wie der vorherige Tag grau und verregnet. Es war Spätherbst, ein Tag im November, die Tem­peratur in der Früh schon nahe am Gefrierpunkt angelangt. Doch der Wetter­bericht versprach, dass der erste Schnee der Saison noch nicht zu erwarten war, jedenfalls nicht im Stadtgebiet.

      Weissacher hatte die U4 genommen. Von Unter Sankt Veit bis Schwedenplatz dauerte die Fahrt auf dieser U-Bahnlinie rund eine Viertelstunde. Das hätte er mit dem Auto nicht geschafft und dann hätte er eine teure Tiefgarage nehmen müssen, denn er konnte sich nicht ausmalen, wie lange die Krisensitzung bei Consulting Support dauern würde, mit Kurzparkscheinen hinter der Wind­schutzscheibe wäre wohl nicht das Auslangen zu finden gewesen. Als er noch Vertriebsleiter war, hätte er nicht gezögert, mit dem Auto ins Zentrum zu fahren. Die Parkgaragenkosten waren ihm damals egal. Aber jetzt, als selbstständiger Unternehmer, sparte er alle nicht unbedingt nötigen Kosten ein.

      Weissacher wurde vom Empfang dem Sekretariat der Geschäftsführung gemel­det. Gerhard war sofort zur Stelle.

      „Noch keine Nachricht von den Verschwundenen?“, fragte ihn Weissacher, obwohl er aus der Miene Gerhards ohnehin schon die Antwort erschließen konnte.

      „Wir gehen gleich zu Mosak“, sagte Gerhard Priem.

      „Der Chef persönlich?“ Weissacher wurde allein aus der Befassung Mosaks mit der Angelegenheit klar, dass es sich um eine äußerst besorgniserregende Affäre handeln musste. Er hatte bei anderer Gelegenheit von Gerhard erfahren, dass Mosak, der das Unternehmen gegründet hatte, neben einer internationalen Ge­sellschaft, an die er vor Jahren einen größeren Anteil verkauft hatte, nach wie vor selbst noch wesentlich beteiligt und auch formal noch Geschäftsführer war. Er hatte sich aber nach und nach de facto aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen und wurde nur noch bei außergewöhnlichen Ereignissen ein­geschaltet. Das war also ein außergewöhnliches Ereignis!

      Priem und Weissacher wurden von der Sekretärin sofort zu Stefan Mosak eingelassen. Der begrüßte Weissacher ohne erkennbare Erregung, sodass dieser zunächst einmal das Gefühl bekam, dass die Sache nicht wirklich so heiß war, wie sie ihm Priem ausgemalt hatte.

      „Ich habe von Ihren Dienstleistungen gute Referenzen“, sagte