Josef Mugler

Melange, Verkehrt und Einspänner


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freut mich“, brachte Weissacher unsicher hervor. Er wusste nicht, ob er den Gesprächsfaden weiterspinnen sollte, wie er es aus seiner früheren Ver­triebspraxis gewohnt war. Da war er es gewesen, der Kunden auf Touren bringen musste, um zu erfahren, welches Angebot Chancen hatte. Jetzt war er wieder in der Rolle des Verkäufers, aber er wusste eigentlich nicht, was er an­bieten sollte.

      Gott sei Dank schaltete sich Priem ein: „Herr Weissacher weiß bereits, dass zwei für uns sehr wichtige Personen … nun sagen wir … nicht mit der von ihnen erwarteten Verlässlichkeit auf ihren Posten sind. Aber er weiß nicht, um welche Aufgaben es sich handelt, die diese Personen erfüllen sollen. Leider weiß ich darüber auch zu wenig, deshalb schien es mir am vernünftigsten, Ihnen die mir aus vielen Begegnungen bekannte Problemlösungsfähigkeit von Herrn Weissacher für diesen Fall vorzuschlagen.“

      Das klang furchtbar umständlich. Priem war also, so fühlte Weissacher nun, keineswegs überzeugt, dass er der Richtige für diesen Fall sei. Das konnte man dem Kumpel aber auch nicht übel nehmen, wenn er selbst im Dunkeln tappte, worum es eigentlich ging.

      „Also gut!“ Mosak schien sich zu einem Entschluss durchgerungen zu haben. „Unsere Firma hat unverständlicherweise, mir …“, das „mir“ betonte Mosak auffällig, „… völlig unverständlich, ein Problem mit einer bestimmten Software, für dessen Lösung wir uns entschlossen haben, von der G.C.S.-Zentrale in London einen Experten anzufordern. Man hat uns daraufhin avisiert, dass man einen gewissen Mr. Sturiak, Ron Sturiak, nach Wien schicken würde. Das Problem hat einer unserer Kunden, dessen Namen wir Ihnen wohl oder übel preisgeben müssen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass der Kunde etwas damit zu tun hat. Es ist Nasdal.“

      Weissacher kannte den Firmennamen von ein paar Pressemeldungen über den erfolgreichen Test von neuen Medikamenten. Aber er erinnerte sich nicht, um welche Art von Medikamenten es sich handelte oder wogegen diese eingesetzt würden. Dieses Unternehmen schien eines der neuen Pharmaunternehmen zu sein, die seit Kurzem einen fulminanten Erfolgskurs steuerten, eines dieser New-Economy-Unternehmen mit Sitz am Stadtrand von Wien, wo man auch ein Forschungszentrum betrieb. Mehr wusste Weissacher von Nasdal nicht. Er konnte sich aber gut vorstellen, dass es einem Software-Unternehmen nicht gleichgültig war, ob ein Kunde wie Nasdal mit dem angebotenen Produkt zu­frieden war oder nicht.

      Weissacher zeigte sich von der Nennung des prominenten Kundennamens nicht sonderlich beeindruckt. Vielmehr interessierte ihn, worin denn das aufgetretene Problem bestünde.

      Mosak wiederum versuchte entweder auszuweichen oder wusste wirklich nicht im Detail Bescheid. Er flüchtete sich in die Formulierung, dass es nicht so einfach sei, ein Softwareproblem einem Laien zu erklären. Es handle sich um ein Produkt, dessen Grundbausteine im Konzern, genauer gesagt in der Konzern­tochter in Taiwan, entwickelt und von Consulting Support Vienna an die konkreten Bedürfnisse des Kunden, der Firma Nasdal eben, adaptiert worden waren. Es sei das ein ganz neuer Softwaretyp, der in der Forschungsabteilung von Nasdal für die Entwicklung von Medikamenten eingesetzt werden sollte.

      Weissacher war sich ziemlich rasch der Vielzahl von Variablen bewusst, die hier das eigentliche Problem ausmachen konnten: die chinesische Konzerntochter als Lieferantin der Ausgangssoftware; der Bearbeiter bei Consulting Support Vienna, der das Rohprodukt veredeln sollte; die Forscher bei Nasdal; das Medikament, um das es ging; die Konkurrenten, die an einem ähnlichen Medikament arbei­teten. Ein bisschen viel, um einen griffigen Ansatzpunkt zu finden! Und dazu die Verschlossenheit seiner Gesprächspartner! Wussten sie wirklich nicht mehr?

      Mosak schien zu erraten, was in Weissachers Kopf vor sich ging. Er unterbrach das Schweigen, indem er Weissacher einlud, mit dem Team zu sprechen, das den Auftrag für Nasdal bisher bearbeitet hatte. Eine Kollegin und zwei Kollegen würden in ihren Zimmern auf das Eintreffen von Herrn Sturiak warten.

      Weissacher war einverstanden, bei diesen Leuten mit seiner Arbeit zu beginnen. Aber vorher galt es für ihn, noch zwei Dinge zu klären. Erstens: Worin bestand eigentlich sein Auftrag und nach welchen Kriterien würde er bezahlt werden? Und zweitens: Sollte man nicht die Polizei einschalten, nachdem zumindest für die Sekretärin Anke feststand, dass sie abgängig und vielleicht Opfer eines Verbrechens war?

      Weissacher erhielt die Zusicherung, dass er für den vollen Zeitaufwand nach seinem üblichen Stundensatz honoriert würde, samt einer Verdoppelung in dem Fall, dass das Problem maßgeblich durch seine Leistung gelöst würde. Er las aus diesem großzügigen Angebot ab, dass es für die Consulting Support offenbar um viel ging, was ihn anderseits aber auch beunruhigte, da sich der Auftrag außerhalb des ihm vertrauten Rahmens zu bewegen schien. Umso mehr lag ihm auch an der Beantwortung der zweiten Frage. In diesem Punkt konnte man ihn davon überzeugen, dass noch kein Handlungsbedarf gegeben sei. Die Polizei wolle man seitens Consulting Support vorerst nicht einschalten, da bislang nur feststünde, dass eine Mitarbeiterin nicht pünktlich am Arbeitsplatz erschienen war. Das war eine Interpretation der Fakten, welche die angesichts der ausge­sprochenen Vermutungen hohe Brisanz sehr herunterspielte. Weissacher war damit klar, dass man den Fall solange wie möglich ohne Aufsehen zu behandeln wünschte.

      Weissacher erwartete, in der betreffenden Abteilung von Consulting Support, in welcher an dem Softwareprogramm für die Firma Nasdal gearbeitet wurde, ein niedergeschlagenes Team anzutreffen, das sich schämte, weil seine Arbeit nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte. Nun musste auch noch ein international renommierter Experte zur Lösung des Problems, das ihnen über den Kopf gewachsen war, mit hohen Kosten nach Wien geholt werden. Stattdessen traf er auf viel Selbstbewusstsein, auf Menschen, die vor allem eines zu wissen schie­nen, nämlich dass er nicht der Richtige sein könne, um ihnen weiter­zuhelfen. Weissacher meinte ständig das Unverständnis der drei Leute, die ihm hier gegenübersaßen, dafür zu spüren, dass ihnen die Firmenleitung einen fach­fremden Interviewer geschickt hatte statt eines einschlägigen EDV-Exper­ten.

      Weissacher hatte Mühe, die Sache zu erklären. Sturiak wäre gestern Abend erwartet worden, aber nicht eingetroffen. Es könne sein, dass jemand Interesse habe, dass das Problem, um das es bei der Firma Nasdal gehe, nicht gelöst würde. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Kriminalfall, vielleicht ein Fall von EDV-Kriminalität oder Wirtschaftskriminalität vorliege.

      Weissacher musste irgendwie versuchen, die Wand des Schweigens, vor wel­cher er hier stand, zu durchbrechen, und versuchte es mit einer Frage: „Haben Sie mit Mr. Sturiak schon einmal zusammengearbeitet?“

      Ja, aber man kenne Sturiak trotzdem nur flüchtig. Er sei vor ein paar Jahren zur Behebung eines Softwarefehlers hier gewesen. Nicht alle seien damals schon bei Consulting Support gewesen, die Neuen würden ihn nicht kennen. Fachlich müsse er als höchst kompetent eingestuft werden. Vor allem für das Problem, das sie jetzt hier hätten.

      „Können Sie dieses Problem einem Laien beschreiben?“

      Weissacher erregte mit dieser Frage sichtlich den Unwillen vor allem des Chefs der Gruppe, der ihm als Herr Machlinger vorgestellt worden war. Der ließ sich schließlich zu einer Erklärung herab:

      „Es ist das Problem der Verknüpfung von mehreren Statistikprogrammen, die sich gegenseitig dynamisch verstärken, sodass eine Verbesserung der Daten­analyse gegenüber allen herkömmlichen Analyseprogrammen erzielt werden kann. Man könnte auch sagen, es handelt sich um lernende Programme.“ Endlich kam der Leiter des Teams zur Sache.

      „Und worin liegt das Problem?“, wollte Weissacher wissen.

      „Es funktionierte bereits in einigen Testläufen. Dann traten Unregelmäßigkeiten auf, unerklärliche Fehler, die eigentlich gar nicht möglich sein dürften.“

      „Wofür braucht Nasdal so ein Programm?“, bohrte Weissacher weiter.

      „Eben für die Analyse ihrer Daten. Je besser sie Strukturen in einem ungeheuren Universum an Daten erkennen können, desto besser können sie daraus Konse­quenzen ziehen, Konsequenzen, die für das Design von Wirkstoffen gegen Krank­­heitserreger entscheidend sein können.“

      „Mit welchen Krankheitserregern beschäftigt man sich denn derzeit bei Nas­dal?“, so Weissacher weiter.

      „Das wissen wir auch nicht so genau. Das war nicht unser Interesse.