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Morde und Leben - Leber und Meissner


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fuhren mit Meissners Wagen in die Stadt und parkten in einer Seitenstraße am Markt, denn auf dem Marktplatz war natürlich an Parken nicht zu denken. Gleich am Eingang zum Markt trafen sie eine Bekannte aus der Nachbarschaft, mit der sie sofort ins Gespräch kamen und eine Weile standen. Es gesellten sich noch weitere Bekannte zu ihnen, bis sie schließlich zu sechst waren. Als sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, löste sich die Gruppe auf und jeder ging zu den Marktständen, an denen er ihre benötigten Sachen einkaufte. Frau Leber ging zum Fleischstand, man kannte sie dort schon seit Jahren, Frau Leber sagte, dass am Nachmittag ihre Jungen zu Besuch kämen und sie deshalb ein gutes Stück Fleisch brauchte, auch Wurst wollte sie haben, damit ihre Jungen etwas zum Frühstück hätten. Die Frau vom Fleischstand gab Frau Leber immer ein Extra, heute war es eine kleine Fleischwurst. Frau Leber hatte zwei Stücke Rindfleisch gekauft, von dem einen ließ sie sich gleich bei der Fleischersfrau Rouladen schneiden, es waren große und magere Fleischbatzen und Frau Leber wollte die Rouladen auf ihre traditionelle Art zubereiten. Von dem anderen würde sie am Sonntag für ihre Jungen einen Rinderbraten machen, den sie schon früher immer so gerne bei ihr gegessen hatten.

      Sie hatte noch Frischwurstaufschnitt und ein Schälchen Fleischsalat gekauft, womit sie ihren Jungen sicher eine Freude machte, aber sie wusste, dass die beiden auch in Dortmund ganz gut versorgt würden. Sie kaufte noch Kartoffeln und grünen Salat und als sie alles hatte, traf sie sich wieder mit Frau Meissner und sie fuhren beide nach Hause. KHK Leber hatte mittlerweile alle Spuren des Grillens vom Vorabend beseitigt und aufgeräumt, die Grillsachen hatte er wieder in den Schuppen gestellt.

      Frau Leber ging gleich in ihre Küche und kümmerte sich um ihre Rouladen, die zwei Stunden brauchen würden, bis sie fertig wären. Sie legte die großen Fleischlappen auf die Küchenarbeitsplatte und strich sie dick mit Senf ein. Anschließend schnitt sie eine große Zwiebel in kleine Stücke und gab davon auf jede Roulade eine Portion. Sie viertelte zwei Gewürzgurken längs und legte je ein Viertel auf jede Roulade, danach würfelte sie durchwachsenen Speck und gab von den Würfeln auch auf jede Roulade eine kleine Portion davon. Am Schluss rollte sie jeden Fleischlappen vorsichtig auf und stach durch jede Rolle zwei hölzerne Zahnstocher, damit die Roulade in ihrer Form erhalten blieb. Früher hatte sie die Rouladen mit Zwirn umwickelt, danach aber immer beim Essen bemerkt, dass das eine ziemliche Sauerei war, wenn man den Faden wieder abwickeln wollte, die Roulade in die Soße fiel und die Soße spritzte.

      Am Ende hatte sie sechs Rouladen, sie nahm ihre größte Bratpfanne und erhitzte Schweineschmalz, in dem sie das Fleisch sehr kräftig anbriet, bis die Rouladen von allen Seiten eine dunkelbraune Kruste hatten. Sie drehte anschließend die Platte des E-Herdes auf eins und ließ das Fleisch mit etwas Wasser eineinhalb Stunden schmoren. Dabei war es wichtig, darauf zu achten, dass die Rouladen nicht in zu viel Wasser schwammen und am Ende kochten. Der Rest des Essens war schnell gemacht, Frau Leber wusch den Salat und trocknete ihn danach, zerkleinerte ihn und legte ihn in eine Salatschüssel, sie würde ihn unmittelbar vor dem Essen mit der vorbereiteten Salatsoße übergießen. Sie schälte Kartoffeln, setzte sie aber noch nicht auf, sie würde sie anstellen, wenn die Jungen kämen und zwanzig Minuten später würden sie alle essen. Ihr Mann lag auf dem Sofa und hatte Kopfschmerzen, dazu fiel Frau Leber nur zu sagen ein:

      „Lass in Zukunft das Saufen!“, die Antwort war ein undefinierbares Knurren. Gegen 15.00 h erschienen Max und Paul und alle freuten sich, sich wiederzusehen. Frau Leber bemerkte, dass jeder der beiden eine dicke Tasche bei sich trug, in der schmutzige Wäsche war und sie verschwand gleich damit im Keller und setzte eine Waschmaschine auf. Sie setzten sich draußen an den Terrassentisch und tranken Kaffee, die beiden Alten waren gespannt, was ihnen ihre Söhne aus Dortmund zu berichten hatten.

      Max erzählte, dass er in eineinhalb Jahren seinen Bachelor machen wollte und sehr gut zurechtkäme, er hätte alle Klausuren des laufenden Semesters gut gepackt. Auch Paul zeigte sich sehr zufrieden mit seinem Studium, was er aber noch mehr hervorhob, was das freie Leben in seinem Wohnheim, er lebte mit noch einem Jungen und zwei Mädchen zusammen und sie verstünden sich untereinander prima. Oft säßen sie abends im Gemeinschaftsbereich zusammen und unterhielten sich, es wäre interessant zu erfahren, wie sie ihre Schulzeit bewältigt, und wie sie zu Hause gelebt hätten, seine Kommilitonen wären auch nach Hause gefahren. Max berichtete von seiner Wohngemeinschaft Ähnliches:

      „Es hat bei uns aber schon zweimal einen Wechsel gegeben, einmal, weil jemand sein Studium abgebrochen hat und ein anderes Mal, weil jemand fertig geworden ist.“ Frau Leber sagte:

      „Das Essen ist soweit, wo wollen denn meine Jungen essen?“ und beide entschieden sich für die Terrasse, alle halfen sie mit, den Tisch zu decken und das Essen herauszutragen. Als die Jungen sahen, dass es Rouladen gab, bekamen sie gläserne Augen und lobten ihre Mutter für die Mühe, die sie sich für sie gemacht hatte:

      „Das ist ja beinahe wie zu unserer Schulzeit!“, sagten sie. Frau Leber bedankte sich für das Lob und erwähnte, dass sie am Vormittag mit Frau Meissner auf dem Wochenmarkt gewesen wäre und für ihre Jungen eingekauft hätte. KHK Leber aß nur eine halbe Roulade, sodass seine Jungen ihn fragten:

      „Was ist mit Dir los?“ und er antwortete:

      „Ich habe nicht so viel Hunger, ich weiß auch nicht so genau, woran das liegt.“ Da schaltete sich seine Frau ein und sagte:

      „Ich weiß sehr wohl, woran das liegt, Du hast am Vorabend mit Deinem Kollegen zu viel getrunken, da brauchst Du Dich nicht zu wundern, dass Du keinen Hunger hast!“ Die Jungen aßen jeder zwei Rouladen, als hätten sie seit Wochen nichts gegessen, sie hauten rein, und nach dem Essen ging Max an den Kühlschrank und holte Bier, ob sein Vater auch eine Flasche wollte, aber der winkte ab, das wäre ihm noch zu früh. Sie hatten den Tisch abgeräumt und saßen gemütlich beieinander, Max sagte:

      „Ich will ein wenig herumtelefonieren, ich will mich mit alten Kumpels treffen“, Paul wollte auch telefonieren und sie wollten am Abend gemeinsam in den Ort zu Küppers gehen, wie sie das eigentlich immer taten, wenn sie zu Hause waren. Beide erreichten sie jeweils zwei Freunde und wollten sich um 19.00 h gemeinsam in der Kneipe treffen, bis dahin müssten sie zu Abend gegessen haben, sagte Max. Als er ins Wohnzimmer blickte, entdeckte er den neuen Fernseher und seine Mutter sagte, dass der alte nach fünfzehn Jahren seinen Geist aufgegeben und eine Reparatur nicht mehr gelohnt hätte. Es gäbe auch bei ihm im Wohnheim kaum noch Röhrengeräte, sie würden teilweise sogar verschenkt, die Kommilitonen hängten Zettel ans schwarze Brett, auf denen solche Schenkungsangebote stünden.

      „Was ist denn am letzten Abend bei Euch los gewesen“, fragte Max, „dass mein Vater so in den Seilen hängt?“ und seine Mutter antwortete:

      „Wir haben eigentlich nur mit Meissners gegrillt, die beiden Männer haben aber dermaßen tief ins Glas geschaut, dass sie heute nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht.“ Er sollte sich am Abend besser etwas zurückhalten, sagte Max seinem Vater, das wollte er in jedem Fall tun, entgegnete er. Um 18.00 h deckten sie den Abendbrottisch, richtig Hunger hatte eigentlich noch niemand, sie vollführten nur das Abendbrotritual wie es überall vollzogen wurde, unabhängig davon, ob man Hunger hatte, man aß einfach um 18.00 h zu Abend. Mehr als zwei Schnitten mit Fleischwurst aßen die Jungen nicht, ihr Vater hatte immer noch keinen Hunger und hielt sich ganz zurück. Nach dem Abendbrot wollten die Jungen los und Frau Leber brachte sie mit dem Wagen in die Stadt, zurück müssten sie ein Taxi nehmen, sie steckten jedem zwanzig Euro zu und wünschte ihnen viel Vergnügen bei Küppers. Sie fuhr wieder nach Hause und setzte sich mit ihrem Mann vor den neuen Fernseher, sie sahen um 20.00 h die Tagesschau und danach den Anfang von „Wetten das“, sie fanden aber die Sendung beide so öde, dass sie den Fernseher wieder abschalteten. Stattdessen gingen sie wieder auf die Terrasse, KHK Leber holte sich eine Flasche Bier und schenkte seiner Frau ein Glas Wein ein, das Bier begann wieder zu schmecken, den Schnaps ließ er aber ganz weg.

      Er sprach mit seiner Frau über Berlin, und was er sich mit seinem Nachbarn dort ansehen wollte, schließlich hätten sie jede Menge Zeit, denn Daniel Kottke wäre beruftstätig.

      „Vielleicht kann er aber auch für uns einen Tag frei machen, möglicherweise werde er bei seinem Betrieb vorsprechen und dafür sorgen.“

      „Wann sind wir denn das letzte Mal in Berlin gewesen?“, fragte Frau Leber