Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken II


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schüttelte den Kopf und gab ihrem Freund einen kleinen Kuss. „Bis später, Tom!“, rief sie und setzte sich in den Wagen, wo auch Jonas und Petra saßen.

      Sondra half Silke, Petra und Ingrid in der Küche, während die Männer auf der Veran­da saßen und Tee tranken.

      >Irgendwie ist das doch eine archaische Familie<, dachte sie, während sie das Gemüse kleinschnitt. >Frauen in Küche und Haushalt, Männer klönen bei Tabak und Alkohol. <

      „Warum trägst du eigentlich immer dieses breite Lederarmband, Sondra?“ Ingrids kalte Stimme unterbrach Sondra in ihren Gedankengängen und sie zuckte erschrocken zusammen.

      „Ähm, nur Gewohnheit. Das trage ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr. Also nicht dieses, aber immer die gleiche Art.“ Sie ärgerte sich, dass sie bei Ingrid fast immer ins Stottern geriet.

      „Versteckst du irgendetwas darunter, was niemand sehen soll?“

      Sondra hielt inne im Zwiebeln schneiden und blickte starr in Ingrids Augen. Sie er­kannte die Provokation, die in ihnen steckte und schluckte eine bissige Antwort hinunter.

      „Ingrid, was soll das?“, ließ sich jetzt Silke Laurenz vernehmen. „Ich frage dich ja auch nicht nach deinem Nasenpiercing.“

      Innerlich schmunzelte Sondra, weil sich Silke ein wenig auf ihre Seite geschlagen hatte. „Du hast schon irgendwie recht, Ingrid“, sagte sie zu Andreas´ älterer Schwester. „Ich verstecke wirklich etwas, was nicht jeder sehen soll. Aber Andi weiß, was unter meinem Armband ist und auch einige andere Menschen wissen, was darunter ist. Kleine Geheimnisse würzen doch das Leben, findest du nicht?“

      Ingrid schnappte zweimal, als ob sie etwas erwidern wollte, entschied sich dann offensichtlich dagegen.

      „Das war eine gute Antwort, Sunny!“, raunte ihr Petra zu, als die beiden den Tisch im Esszimmer deckten.

      Petra hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, jeden Menschen einen Spitznamen zu geben. Sondras Spitzname war wenigstens nur eine Veränderung ihres Vornamens – so hoffte sie wenigstens.

      „Ich hätte ihr gerne noch ein paar andere Sachen gesagt, aber des lieben Friedens Willen in der Familie lasse ich das lieber.“

      Petra kicherte und verzog plötzlich das Gesicht. „Whoa! Ihr da drin seid noch nicht gefragt, hört ihr?“ Sie rieb kräftig über ihren Bauch.

      „Fußtritt oder Faustschlag?“, wollte Sondra wissen und grinste leicht.

      „Nee, das war ein Dickkopf. War vermutlich das Mädchen.“

      Sondra horchte auf. „Soll das heißen, es sind zweieiige Zwillinge?“

      „Gut kombiniert, Sondra Holmes! Der Arzt sagt, der eine Fötus ist auf jeden Fall ein Junge. Bei dem zweiten ist er sich nicht sicher, da es sich bei den Untersuchungen immer wegdreht. Aber so, wie das Kleine im Bauch herumzickt, kann es nur ein Mädchen sein.“

      Sondra stand neben Petra, als ihr Bauch merkwürdige Bewegungen machte. „Darf ich meine Hand mal drauf legen?“

      „Klar doch!“

      Sanft legte Sondra die Hand auf Petras Bauch und spürte, wie sich da drinnen etwas bewegte.

      „Uh, nimm´ mal die andere Hand und leg sie hier an meine nicht mehr vorhandene linke Taille!“

      Sondra folgte der Aufforderung und spürte die Bewegungen des zweiten Kindes. Es schien fast so, als ob der Zweite sich unter Sondras Hand beruhigte und sich ihr entgegenstreckte.

      „Das ist toll, Petra“, flüsterte sie.

      „Du brauchst nicht flüstern, aber ja, es ist toll. Außer der Tatsache, dass die beiden mir meine Figur endgültig ruinieren.“

      „Du musst dich lediglich nach der Geburt disziplinieren, Petra. Aber das konntest du ja noch nie!“, ließ sich Ingrid vernehmen, die gerade mit zwei Brotkörben das Ess­zimmer betrat.

      Petra rollte theatralisch mit den Augen. „Tobi liebt meine sexuelle Schwungmasse, Scrooge! Er mag keine Hungerharken und Miesepeter!“

      Sondra musste sich erneut ein breites Grinsen verkneifen und ging rasch zurück in die Küche. „Kann ich noch etwas helfen, Silke?“

      Silke schüttelte mit konzentriertem Gesichtsausdruck den Kopf. „Wir tragen jetzt nur die Speisen rein und dann können wir essen. Holst du die Männer von der Veranda?“

      „Klar, mache ich!“ Sondra drehte sich um und ging hinaus zu den Männern. Offensichtlich hatten sie sich gerade einen Witz erzählt, denn kerniges Männerlachen ertönte.

      „Ich störe euren Plausch nur ungern, aber das Essen ist fertig!“

      Andreas nahm Sondra in den Arm und schnupperte an ihrem Haar. „Du riechst lecker!“

      „Dann schnuppere mal an meinen Händen“, sagte sie und hielt ihm ihre Zwiebelfinger unter die Nase.

      „Hhm!“, machte er und nahm einfach ihre Finger in den Mund und lutschte daran. Sondra wurde sofort knallrot, weil Olav, Tom und Peter dieses Schauspiel beob­achteten.

      „Andi!“, rief sie entrüstet und schubste ihn ein wenig von sich.

      Peter zog anerkennend die Augenbrauen hoch, Tom lachte lauthals und Olav schmun­zelte.

      „Mit euch beiden wird´s echt nicht langweilig“, sagte Tom immer noch lachend, als er mit seinem Rollstuhl an Sondra und Andreas vorbeifuhr.

      Zum Essen gab es wieder das obligatorische Tischgebet. Es gab eine Pilzsuppe als Vorspeise, Schmorbraten mit Kartoffeln und verschiedenen Gemüsesorten und als Dessert selbst gemachte Rote Grütze mit Vanillesauce. Sondra und Andreas tranken Wasser dazu, ebenso Petra und Silke. Tom trank alkoholfreies Bier, Olav und Ingrid normales Bier. Peter trank einen trockenen Rotwein.

      „Wenn ich jetzt noch irgendwas esse, platze ich“, stöhnte Sondra und lehnte sich auf ihrem Stuhl etwas zurück. Sie war die Letzte, die mit dem Essen fertig war.

      „Ich hole mal einen Verdauerli!“, sagte Olav und stand auf.

      „Wie kannst du soviel essen und trotzdem so schlank bleiben?“, fragte Petra bestürzt.

      „Gene!“, sagte Sondra grinsend. „Die Familie meiner Mutter war immer schlank und mein Großvater ist die Hagerkeit in Person!“

      Petra lächelt versöhnlich. Olav verteilte den Magenbitter und wollte gerade zum Trinkspruch ansetzen.

      „Warte mal, Paps! Ich … möchte noch was sagen!“

      Andreas stand auf und schob seinen Stuhl ein wenig zur Seite. Verblüfft blickte Sondra zu ihrem Freund hoch. Die ganze Zeit am Tisch war er auffallend still ge­wesen, wirkte geradezu nervös. Immer wieder hatten er und Tom sich Blicke zuge­worfen. Jetzt hatte Tom ein schiefes Grinsen im Gesicht und presste sich rasch die Serviette vor dem Mund.

      Andreas seufzte kurz, dann kniete er sich vor Sondra und nahm ihre Hand. Allein diese Geste ließen bei ihr die Alarmglocken klingen. Mit großen Augen und offenem Mund starrte Sondra ihren Freund an.

      „Sondra, Schatz!“ Andreas räusperte sich. „Seit zwei Jahren sind wir zusammen. Wir haben zusammen einiges erlebt und in letzter Zeit war es nicht immer ganz einfach mit mir. Das weiß ich. Was ich noch weiß, ist, dass es auf der ganzen Welt keine weitere Frau geben wird, die mich so berührt hat wie du. Und immer noch berührt. Ich meine natürlich mein Innerstes, Tom!“

      Tom unterdrückte hustend einen kleinen Lachanfall und hob entschuldigend die Hand.

      „Wo war ich…? Ach ja! Sondra, ich liebe dich. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie ein Leben ohne dich für mich weiter gehen soll.“ Er räusperte sich nochmals und holte tief Luft. Plötzlich hielt er einen kleinen, silberfarbenen Ring in der Hand. „Willst du meine Frau werden, Sondra Wieland?“

      Sondra hatte plötzlich das Gefühl, in ihrem Mund eine Wüste zu haben, so trocken fühlte