Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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ein wenig, die durch die Arbeit ausgekühlten Glieder.

      Die beiden Wochen vergingen wie im Flug mit Vorbereitungen der Feierlichkeiten zu ihrer Kirche. Die ersten Bohlen steckten schon an den Flussufern des kleinen aber regen und manchmal über die Ufer tretenden Flüsschens, eines Nebenflusses der Weichsel. Kaum ein Tag verging, an dem nicht eine Familie mit schweren Körben voll Essen für die jeweils an der Baustelle Arbeitenden erschien. Mit großen Schritten ging das Projekt „Brücke“ voran. Mächtig stolz waren die Dorfbewohner auf ihre Leistungen, die sie seit letztem Jahr für das Dorf gemeinschaftlich erbrachten.

      Seit den Jahren, da Polen wieder eine eigenständige Republik war, merkte man den Aufschwung und den Ehrgeiz, sich sein Umfeld zu verschönern, überall im Lande. Wie aus einem langen Dornröschenschlaf erwacht, wurden die alten Schlösser der ehemals stolzen Adelsgeschlechter wieder hergerichtet und, so sie noch lebten, von diesen bewohnt. Die Menschen kehrten in ihre Heimat zurück und belebten sie. Leider gab es auch die dörfliche Armut immer wieder zu beklagen. Manche hatten, außer der Liebe zu ihrem Vaterland nichts beizusteuern, als ihre Arbeitskraft.

      Diese optischen Veränderungen stellte man im Umfeld um unser Dorf auch fest. Immer häufiger erschienen aber in dieser Zeit schon jüdische Bürger, die aus dem Nachbarland, zurück zu den Wurzeln ihrer Eltern flüchteten und sich in Polen niederließen. Sie glaubten, dort sicherer zu sein und menschenwürdiger behandelt zu werden, als in ihrer ehemaligen Heimat, Deutschland.

      Die junge Republik Polen war im Aufschwung begriffen und die blühende Hauptstadt Warschau ein mondänes und teures europäisches Pflaster geworden. Für den Durchschnittswarschauer war dieses teure Leben kaum bezahlbar. Aber für die bessere Gesellschaft Europas. Hier gingen die Noblen ein und aus. In vornehmen Kaffeehäusern und Hotels genossen sie das pompöse Leben einer kultivierten Großstadt und suchten die Weltstadt Warschau, zu erobern. Für die übrige Bevölkerung aber galt nach wie vor, man lebte besser in den kleineren Dörfern von der Landwirtschaft.

      Die erwachsenen Kinder gingen oftmals zusätzlich in die umliegenden Ortschaften und Kreisstädte arbeiten, um sich zu Hause auf dem Dorf ein angenehmes Leben zu sichern. Sobald ein Paar einen eigenen Hausstand gründete, wurden die Arbeiten im elterlichen Haus und Hof nur noch bei größeren Aufgaben; - wie Säen, Ernten und Vorratsbewirtschaftung, gemeinschaftlich betrieben. Zogen die Kinder weiter weg, so übernahm diese Hilfestellung wo es möglich war, die Dorfgemeinschaft. Man half sich gegenseitig.

      Es war einmal...

      Der Festtag nahte. Auf einer Wiese in der Nähe zur Scheune, mit dem darauf befindlichen neuen Festzelt, sollte sich die Gästeschar einfinden. Die Prozession und anschließende Messe war schon ein Höhepunkt dieses Tages. Bewohner aus anderen Dörfern und die Familien der eingeladenen Dorfbewohner bevölkerten für einen Tag dieses dörfliche Kleinnot um das Dreifache. Das Fest wurde ein absoluter Erfolg und die Honoratioren des Ortes, die dazu beitrugen, die Organisatoren sowie die Ausführenden, wurden mit allen Würden geehrt und ständig mit Lob überschüttet. Sogar Piotrowski schaffte es, die ihm übertragene Aufgabe würdevoll auszufüllen. Und zwar; - indem er ständig wie ein aufgeblasener Gockel zwischen der Gemeindescheune und dem Festzelt hin und her patrouillierte, um seine anwesenden Kollegen auf etwaige Jugendliche, die zu viel Alkohol genossen, aufmerksam zu machen. Immerhin kannte er die meisten jungen Leute hier persönlich und wollte nicht, dass den guten Kindern ein Haar gekrümmt werde. So bat er die Kollegen nur, dafür zu sorgen, sie nach Hause zu schicken, sollten sie über die Stränge schlagen.

      Größtenteils blieben die jungen Leute friedlich und vergnügten sich im Tanz der neuen Mode, die auch bis zu ihren kleinen Dörfern herüber geschwappt war. Einige Ältere fanden das Moderne zu vulgär und zogen sich nach ihren traditionellen Tänzen und Gesängen taktvoll zurück, um auch den jungen Leuten ihr Vergnügen zu gönnen. Man war eben eingespielt aufeinander und wusste, was der andere brauchte. Auch sie waren einmal jung und es herrschten damals andere Sitten und Gebräuche. Die Zeit musste sich verändern.

      Wenn sie das nicht täte, hieße dies Stillstand und könnte für eine dörfliche Gemeinschaft tödlich enden. Dies wussten sie und hielten sich nach dem öffentlichen Teil und genügend eigenem Spaß zurück, oder traten den Heimweg an.

      Zuletzt blieben die Dorfbewohner, die bei solchen Anlässen immer die letzten waren und Ordnung machten. Der Priester des Dorfes war ein wenig angesäuselt, so dass man ihn ins Pfarrhaus begleiten musste, damit er seinen verdienten Schlaf haben sollte. Denn bald folgte das ebenso groß zu feiernde Osterfest. Dafür sollte er Kraft sammeln. Und nach Ostern sollte auch noch das Brückenfest gefeiert werden.

      Schon bald nahte der Palmsonntag und die Damen des Ortes bemühten sich, herrliche Palmen aus Stroh und Trockenblumen herzustellen, die bei der Messe vom Priester gesegnet wurden, um sie dann zu Hause aufzubewahren, damit sie das ganze Jahr über Segen für die Familie spendeten.

      Nicht lange danach folgten die Vorbereitungen zu den Osterfeiertagen. Ihr voran ging die große Karfreitags-prozession mit vielen schwermütigen Gebeten, die an den traurigen Leidensweg Jesus Christus erinnerte und für manch ein altes Mütterchen oder Väterchen ein schwerer Weg bedeutete. Der aber im Glauben und aus Liebe zu Jesus Christus gegangen wurde. Nach den Karfreitags Gottesdiensten wurde das schöne hölzerne Gotteshaus wieder festlich mit Blumengebinden ausstaffiert.

      Weiße, kostbare Spitzendecken wurden sichtbar über Altar und Konsolen und den priesterlichen Sitzbänken ausgelegt. Während der heilige Leib Jesu noch auf die Auferstehung wartete, kamen die Feierlichkeiten schon in Gang. Man musste Vorbereitungen treffen. Anders ging es eben nicht. Neben der Trauer um den Tod Jesus, wusste man ja um seine Auferstehung. Und diese wurde gebührend gefeiert. Ja man durfte sagen; - das Osterfest ist das größte kirchliche Fest für die Christenheit.

      Als endlich die Glocken leise wieder läuteten, ging ein Aufatmen durch die Häuser und der Frohsinn erwachte und erlöste die Menschen aus ihrer Beklommenheit und Trauer um den Tod des jungen Jesus.

      Schulkinder hatten frei und einige waren sogar schon vor den Ostertagen von der Schule befreit worden, um zuhause zu helfen oder waren, so wie Edward Lato, ganz einfach mit der Schule, fertig. Die Schuljahre waren für ihn zu Ende und er durfte nun überlegen, wohin ihn sein Berufsweg führen sollte. Doch zunächst muss ich dir noch erzählen, was es mit dem Segnen der Osterkörbchen auf sich hat.

      Nach der Karsamstags Andacht zu Mittag oder am frühen Nachmittag segnet der Priester, die von den Gläubigen und ihren Kindern herbeigebrachten gefüllten, und mit einem selbst gehäkelten oder bestickten weißen Spitzentüchlein zunächst noch bedeckten, mit frischem Grünzeug umkränzten Körbchen, den Koszyk. Dies muss unbedingt vor dem Sonntagsfrühstück geschehen. Denn im Korb befinden sich kleine Stücke all jenes Essens, dass man gedenkt zu verzehren.

      Diese Segnung besitzt symbolischen Charakter. Nämlich den, im kommenden Jahr gut versorgt zu sein. Also zum Beispiel; - steht das Ei für die Auferstehung und den Neuanfang, Wurst oder Schinken für den Wohlstand, ein kleines speziell dazu gebackenes Osterbrot steht für Christus; - das Brot des Lebens. Schokolade in Form eines Osterlamms, für Jesus und sein Opfer für die Menschheit, da Jesus seine Hinrichtung wie ein Lamm angenommen hatte, sowie Salz für die Reinigung der Herzen und der Erneuerung des Bundes zwischen Mensch und Gott. Etwas Wasser, was den Heiligen Geist, das Leben schlechthin versinnbildlicht und ein wenig Meerrettich gehört auch hinein, der an die Bitternis des Leidens Jesus erinnern sollte.

      Es türmten sich die bunten Körbchen. Ein jedes mit einem anderen kreativen weißen Tüchlein bedeckt, im langen Gang des Kirchenraumes. Auf dafür extra bereit gestellten Tischen, bis vor den Altar hin. Der Priester geht dann mit einem Messdiener, mit Weihwasserkessel und Quast bewaffnet durch die Reihen und segnet die mitgebrachten Speisen in den Körbchen. Auch vergisst er dabei nicht die anwesenden gläubigen Christen zu segnen. Das tut er großzügig, indem er gehörig mit dem großen Weihwasserquast heftig durch den Kirchenraum wedelt, um seine Schäfchen zu segnen. Schnell schnappt sich jeder seinen Korb und verlässt mit einer tiefen Verbeugung und Kniefall auf blanken Boden das Gotteshaus, um zum heimatlichen Herd zu kommen.

      Die Ostertage sind ein Lichtblick im Kirchenalltag, auf den das ganze Jahr hingearbeitet wird.

      Das Jahr ging dahin