Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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prompt die Rechnung von Familie Lato aufgestellt. Dass nämlich das gesamte Holz nicht in Rechnung gestellt werden würde, weil es von ihnen gespendet wurde und auch noch die vielen freiwilligen Arbeitsstunden. Also wäre ein Festakt nicht nur gerecht und eine Ehrung für ihre Leistung, sondern nicht mehr als richtig! Da die Spende hiermit offiziell bestätigt wurde, sahen nun alle ein, dass es ein extra Festakt für die Kirche geben musste. Nur dem Polizisten Piotrowski passte das nicht so recht ins Konzept. Von ihm kamen eifersüchtige Einwände für all zu viel Lob an diese engagierte Familie. >>Allen recht machen kann man es eben nicht immer.<< Bemerkte Władek düster.

      Dennoch freudestrahlend mit diesen Neuigkeiten, machte er sich auf den Weg nach Hause und wollte alles, brühwarm an seine Rozalia weitergeben. Sein Stolz auf sein gelungenes Projekt, für das er ja die Bauleitung übernahm, war schon berechtigt. Mehr schlitternd und schlurfend machte er den Weg vom Festplatz bis zum Fluss hinunter. Als er sein Haus schon im Dunkeln liegend vorfand, schlich er leise die Stufen hinein, am Wohnraum vorbei in das Elternschlafzimmer. Auch hier herrschte vollkommene Dunkelheit. Leise entledigte er sich seiner durch die Kälte klamm gewordenen Bekleidung und schlüpfte zu seiner Frau unter die Daunendecke. Als er Rozalias Beine vorsichtig mit seinen Füßen berührte und sie im Schlaf zusammenzuckte, merkte er erst, wie kalt seine Füße doch waren. Genüsslich kuschelte er sich an ihren Rücken und schlief den Schlaf der Gerechten.

      Am Morgen beim Frühstück, als sie ihre Familie um den Tisch herum versammelt sah, bot sich der selbe traurige Anblick für die Hausfrau, wie nach jeder Feier.

      Es fehlte allen an Schlaf. Nur Anna und sie schienen ausgeschlafen zu sein und nahmen einen schnellen Teller Grütze zu sich, bevor sie zu den Tieren in den kalten Stall gingen. Als sie auf den Hof hinaustraten, konnten sie zunächst nicht weiter, denn es hatte in der Nacht von neuem heftig geschneit. Die Schneewand vor ihrer Tür war fast einen halben Meter hoch aufgetürmt und es bedurfte nun Männerhände, die Schaufeln zu packen und den Weg frei zu machen. Mutter und Tochter kämpften sich durch die kniehohen Schneemassen, denn sie wollten das Vieh nicht länger unnötig warten lassen. >>Also gehen wir unser Tagwerk an! Und wenn wir fertig sind, ist vielleicht schon der Schnee im Hof weggeräumt, hofften die Frauen.<<

      So unterhielten sie sich, während sie Arm in Arm weitergingen. Die Hühner gackerten aufgeregt und flatterten aufgescheucht umher, als die beiden Frauen die Stalltüre öffneten. Die Kühe brüllten, weil ihre Euter schwer waren und entleert werden wollten und beide Schweine und Pferde wollten auch ihr Frühstück. Anna strahlte vor Glück, ihre baldige Hochzeit im Blick. Rozalia schaute ihre schöne Tochter wissend von der Seite an und schmunzelte nur verstehend.

      Im Haus, am Frühstückstisch, halfen nun Solanka und Emilia. Nach einem allgemeinen Dziękuje, sich für die Bereitung der Speisen bedankend, beendeten sie die Mahlzeit, standen auf und räumten den Tisch ab. Die drei Männer, Władysław, Jożef und Bolesław griffen sich anschließend die schweren Schaufeln und gingen nach draußen.

      Julian ging in seine Stube hinauf, gefolgt von Edek und Piotr, um sich für den Kirchgang fertig zu machen. Die Jüngsten kamen als erste wieder herunter. Fein gestriegelt erschienen sie nun in der warmen Küche, in die eben gerade ihr Vater und ihre Brüder vom Schnee- schaufeln wiederkamen, sich die roten Hände rieben und vor Kälte zitterten. Keine Minute später ging die schwere Holztür erneut auf und die beiden Frauen kamen hereingestürmt und taten Gleiches.

      Alle bestätigten, dass dies ein sehr frostiger Tag sei und der Kirchgang heute eine Schlitterpartie werden würde. Trotzdem musste es sein. Die feineren Kleidungsstücke wurden nach der Körperreinigung mit Sorgfalt angelegt. Die Herren in weißen Hemden und dunklen Anzügen, einen groben, wollenen schwarzen Mantel darüber. Die Militärdienst Leistenden durften ihre wollenen Uniformen und Mäntel tragen. Nur keine Waffen durften mit ins Gotteshaus genommen werden. Das war streng verboten.

      Als sich alle fein genug vorkamen, wurden die Gummigaloschen über die Schuhe gezogen und die Frauen banden ihre Kopftücher fester um den Kopf als gewöhnlich. Die wenigen Minuten bis zur Kirche kamen ihnen heute sehr lange vor, denn der Weg war beschwerlich. Gesprochen wurde unterwegs wenig. Hauptsächlich über das Resultat der Besprechung vom letzten Abend, über die Arbeiten, die im Stall zu tun waren und, dass es in der Nacht ein Fuchs wohl geschafft hatte, eines ihrer Hühner zu erbeuten.

      Also musste der Hühnerstall gesäubert und vor diesem Räuber gesichert werden. Denn auch wenn es ihnen im Moment wirtschaftlich an nichts fehlte, so durfte der Leichtsinn doch nicht einkehren. Es wurde nicht geduldet, dass sich der Nutztierbestand verringerte, ohne dass man davon selbst einen Nutzen erfuhr. Darauf war man in einer Bauernfamilie dringend angewiesen. Genauso wie auf den Anbau von verschiedenen Getreide und Gemüsearten und das Sammeln dessen, was die Natur so großzügig verschenkte. Der Lebensunterhalt war gesichert, solange diese Dinge sich im Gleichgewicht bewegten.

      Deshalb war es auch bei einem vernünftigen Bauern nicht angesagt, in großem Stil eine Monokultur zu betreiben, denn diese würde das Gleichgewicht der Natur erheblich schädigen. Für einen klugen Menschen käme so etwas nicht in Betracht und grenzte an Selbstzerstörung. Damit das Gleichgewicht erhalten blieb, hatte jeder seinen Beitrag zu leisten. Wie das werden sollte, wenn gleich drei Kinder heirateten und Julian dann auch noch beim Militär bliebe, darüber wollten sie sich im Moment keine Gedanken machen. Kommt Zeit, kommt Rat. Das Leben musste man nehmen, wie es der Herrgott einem einrichtete. Brachte es Schlechtes oder Gutes? Egal was es brachte. Es musste demütig angenommen und ertragen werden. So wurden sie erzogen und so schien es seine Ordnung zu haben.

      Die Ordnung brach nicht gleich zusammen, als Jożef und Solanka im März dieses Jahres heirateten. Beide bauten sich zunächst auf einem bescheidenen Grundstück von Solankas Familie ein kleines Holzhaus. Hier halfen wieder die Familienangehörigen beider Familien. Die Hochzeitsgeschenke fielen so aus, dass der junge Hausstand begründet werden konnte. Mit ein paar Hühnern, Gänsen, einem Schwein, einer Kuh und einem Pferd mit Wagen sollten die beiden Frischvermählten versuchen, sich ihr Leben aufzubauen. Immerhin verdiente Jożef seinen Sold beim Militär und radelte nun sehr früh an jedem Morgen zur Kaserne nach Lubartow.

      Hier traf er auch seine beiden Brüder und den zukünftigen Schwager, mit dem alle sich durchaus gut verstanden. Gerne erinnerten sie sich in ihren Gesprächen der vergangenen Hochzeitsfeier. Drei volle Tage und Nächte dauerte diese und wurde mit allen polnischen Traditionen eine der schönsten Hochzeiten des Dorfes, die seit langem gefeiert wurde. Immer wenn sie davon schwärmten, ließen Bolek und Marian durchklingen, dass sie auch gerne schon in den Genuss kämen, ihre Angebeteten als ihre Ehefrauen zu betrachten. Doch man musste warten und das Nötige für die nächste Hochzeit erst erwirtschaften. Denn so eine traditionelle Hochzeit kostet viel Geld. Und so einträglich ist der Sold eines Soldaten nicht. Auch wenn er, wie bei den Dreien schon an Leutnants, und nicht nur an „Soldaten“ ausgezahlt wurde. Es fiel ihnen schwer auf ihren großen Tag zu warten und sie beneideten ihren großen Bruder sehr um sein Glück mit Solanka.

      Kapitel 4

      Als Jożef sich mit Solanka im Jahre 1937 vermählte, schmiedeten sie große Pläne für ihre gemeinsame Zukunft. So hoffnungsvoll, wie das üblicherweise alle jungen Frischvermählten tun. Sie wollten ein eigenes Heim auf eigenem Grund und Boden und natürlich viele Kinder. Doch vorerst lebten sie in der kleinen Kate und gingen jeder der erlernten Arbeit nach. Solankas Ausbildung war auf die Buchführung in der Verwaltung ausgerichtet und in ihrer Stellung in Lubartow auch sehr angenommen und zufrieden. Jeden Morgen machte sie mit Jożef in aller Frühe eine lange Radtour zur Nachbarstadt hin, um den Tag mit ihrer erlernten Tätigkeit zuzubringen. Solange das Wetter mitspielte, konnte man die Kosten für den Bus einsparen. Wenn nicht, musste der Pferdewagen eingespannt werden. Ihr Ehemann fuhr zur Kaserne, um dort seine Rekruten auszubilden, die sich zur Zeit doch sehr zahlreich angemeldet hatten. Neben denen, die zur militärischen Grundausbildung einberufen wurden, war die Zahl der auszubildenden Freiwilligen, höher als sonst. Wesentlich höher. Irgend etwas brodelte und lag in der Luft. Und dieses Irgendwas schien nichts Gutes zu verheißen. Die Leute wirkten gereizt und angespannt. Er musste dafür sorgen, dass die Ausbildung ruhig und sachlich vonstatten ging. Was ihm eigentlich aufgrund seines ruhigen Naturells keine Probleme bereitete, denn er liebte seinen Beruf als Ausbilder. Dabei kam er sich durchaus