Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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er sich besonders. Bolek war auch schon Ausbilder, trotz seiner Jugend. Jeder auf seinem Gebiet tat sein Bestes, um aus den jungen, noch sehr verträumten und verspielten Burschen eine stabile und zuverlässige Truppe zu formen. Julian, das merkte sein Bruder und Vorgesetzter, gab sich besondere Mühe, da er die Familienehre somit hochhalten wollte. Die größte Begeisterung fand der Auszubildende allerdings daran, wenn im freien Gelände die sportlichen Fähigkeiten gefordert wurden. Julian war sehr sportlich und ein wahrer Meister der Leibesübungen. Praktisch war er auch ein absoluter Schnelldenker. Nur die Aufgaben, an den Waffen zu üben, wollten ihm nicht zum Vergnügen werden. Deshalb legten Bolek und Jożef großen Wert darauf, ihr Augenmerk auf Julians Schwäche zu legen und diese zu fördern. Es war nun einmal nicht jedem gegeben, die Waffe in die Hand zu nehmen, los zu feuern und sich vorzustellen, dass man mit diesen Waffen Menschen töten musste, um selbst am Leben zu bleiben.

      Die beiden Brüder bildeten ihre Leute in erster Linie dazu aus das Vaterland zu verteidigen und nicht darauf, die Blutrünstigkeit im Menschen zu wecken. Alle ihre Unterrichtsstunden zielten daraufhin, den Rekruten die Achtung vor dem menschlichen Leben immer ins Bewusstsein zu bringen und jedem mit Respekt zu begegnen. Doch letztendlich war es egal ob fürs Heer, die Luftwaffe, die Marine oder die Panzerdivision. Sie mussten ihnen eine Grundausbildung für den Ernstfall verpassen. Ein Soldat muss bereit sein zu töten. Sonst ist er hier fehl am Platz.

      Die wenigen unter ihnen, die in der Technik, Versorgung oder im Schreibdienst landeten, mussten die gleiche Grundausbildung durchlaufen und im Ernstfall ihren Feind ausschalten können. Das zu vermitteln, war die Aufgabe eines Ausbilders. Den Rekruten musste dieses klar und verständlich gemacht werden, um sie aufs Überleben zu trainieren.

      Diese beiden taten ihr bestes, um die Arbeit menschenwürdig zu gestalten. Ohne Drill und Anschreien und Kommandieren ging es aber auch bei ihnen nicht. Immerhin verzichteten sie auf die üblichen Schikanen, die andere Ausbilder so gerne anwendeten. So etwas hat man ihnen zu Hause nicht beigebracht und sie würden auch keinen Sinn darin erkennen, einem Menschen unnötiges Leid anzutun. Daran hatten die beiden keinen Spaß. Ihr zukünftiger Schwager Marian war da nicht so zimperlich. Bei ihm konnten die Auszubildenden schon ganz schön geschlaucht daher gekrochen kommen.

      Er war einer; - der zwar fairen, aber harten Sorte.

      Wenn Julian sich so weiter entwickelte, würde er auch die Laufbahn eines Offiziers einschlagen können. Er machte mit seinem Lerneifer seine Brüder stolz und fungierte in der Klasse als Vorbild. Nur in der Stube hat er seinen Ärger mit den Kameraden. Er las doch so gerne in Ruhe seine Bücher. Dazu kam er vor lauter Albernheiten, die seine Kameraden ausheckten, oftmals nicht. Ihn nervte auch ungemein das angeberische Getue seiner Kameraden, bei den Offiziersanwärterinnen. Auch er fand die ein oder andere Kameradin hübsch, um mit ihr auszugehen. Doch; - er wollte mehr.

      Die geringe Zeit zwischen den Lernstunden in der Klasse und der praktischen Ausbildung wollte er für seine naturwissenschaftlichen und politischen Bücher einsetzen. Wenn die Ausbildung zu Ende war, dann könnte er dem weiblichen Geschlecht durchaus etwas mehr Zeit widmen. So dachte er und lernte und lernte. Und seine Kameraden machten sich einen harmlosen, aber derben Spaß daraus, ihn deswegen immer aufzuziehen. Zunächst hieß es für ihn aber drei Jahre durchzuhalten. Dann war er noch nicht unansehnlich und hatte immer noch Zeit genug, sich um eine feste Liebe zu kümmern. Zur Zeit machte er sich noch keinen Kummer darum, dass die Frauen ihn nicht beachten würden. Daran lag es gewiss nicht, dies merkte sogar er.

      Bei Bolek war das etwas anderes. Er war sehr in seine neue Freundin verliebt. Zum ersten Mal hat es bei ihm so richtig in der Gefühlswelt gekracht. So, dass er nicht mehr ruhig schlafen konnte. Ständig dachte er nur an seine Eroberung und überlegte sich neue Überraschungen für Sofia. Sobald sein Dienst zu Ende war, setzte er sich auf sein Fahrrad und düste in Richtung des winzig kleinen - Modesalons, - wo sie für die Herstellung von Brautmoden zuständig war. Sobald er dann vor dem Schaufenster in Lubartow ankam, musste er erst einmal verschnaufen, so war er gerast. Es waren ja auch einige Kilometer am Tag, die er auf seinem Fahrrad zurücklegte. Nun stand er vor der Glasscheibe und schaute sehnsüchtig die Schaufensterpuppe an, die in ein ganz modernes weißes Brautkleid gehüllt, mit tausendfachen Rüschen am weit ausgestellten Rock und etlichen Unterröcken aus Tüll darunter, einem kokettem Oberteil und langem weißen Schleier, ihm wie eine Prinzessin vorkam. Sofort sah er in seinem Traumgespinst das zarte Gesichtchen Sofias in der Puppe ihn anlächeln. Ungeniert lächelt er die Schaufensterpuppe an, legte den Kopf dabei schief, um sie besser betrachten zu können. Seine dunkelbraunen Haartollen fielen ihm dabei zur Seite und er fühlte sich so richtig glücklich. Er war verliebt. Eindeutig und ganz heftig. Mit seinen fast 21 Jahren musste er aber warten, bis Anna ihre Hochzeit mit Marian gehalten hatte. Dann, ja dann wollte er seine Eltern darauf ansprechen. Er wollte sich nicht länger gedulden. Diese Frau hier war die Einzige und die Richtige für ihn. Das wusste er. Wozu also warten, dachte er sich. Ob seine Sofia ihn auch so sehr liebte? Dies galt es im Laufe der Zeit herauszufinden. Auf jeden Fall würde er sie fragen!

      Doch es sollte alles ganz anders kommen und die Träume und sogar das Leben eines dieser tapferen jungen Männer fordern.

      Für Jożef und Solanka gingen die Tage nun wie bei jedem Paar dahin. Mit Arbeiten, nach Hause fahren, sich ums Essen und das Zuhause kümmern. Ihr kleiner Garten wollte gepflegt und bald bestellt werden und die Tiere, die tagsüber von Solankas Eltern mitversorgt wurden, übernahmen sie abends nach ihrer beruflichen Tätigkeit in der Stadt. Das Frühjahr war herrlich frisch und die Schneeglöckchen und Krokusse schon fast verblüht, so dass sich die ersten Narzissen zeigten. Es wurde zusehends etwas wärmer und der kalte Ofen am Abend war schnell mit gut getrockneten Holzscheiten aufgeheizt, so dass er die Stube in kurzer Zeit wärmte. Ihre kleine Kate war nur als eine Zweiraum Wohnstube hergerichtet worden und schnell gemütlich. Solanka bereitete die abendliche kleine Mahlzeit für ihren Ehemann und sich und schon machten sie sich auf den Weg zu Jożefs Eltern, um zu sehen, ob sie gebraucht würden. Dort stand bereits das Essen auf dem Tisch und gerade wollte man sich dazu niederlassen. Sofort lud die Hausfrau und Mutter ihre Kinder zum Bleiben ein und es wurde erneut ein leichtes Abendessen eingenommen.

      Władek berichtet seinem dazu gekommen Sohn stolz, dass die Arbeiten des Innenausbaus der Kirche fast abgeschlossen waren und demnächst ein großes Fest deswegen stattfinden könnte. Noch vor dem Osterfest. Außerdem sollte unverzüglich mit dem Brückenbau begonnen werden. Dann könnte das große Feld am gegenüber liegenden Ufer der Wieprz besser erreicht werden. Der Fluss müsste nicht mehr durchwatet werden, was bisher doch sehr umständlich und gesundheitsschädlich war. Bei diesen Worten schaute Rozalia auf und blickte in die Augen ihres Mannes. In ihren Augen war ein tiefer Schatten verankert, der in diesem Moment Bände sprach. Hätte der Doktor ihnen nur besser erklären können, was mit Czesław wirklich passierte, hätte eventuell die große Frage des - Warum - nicht ständig zwischen ihnen gestanden.

      Die beiden Frischvermählten erhielten nun die Erlaubnis, sich um ihr eigenes Heim zu kümmern. Denn es wären ja noch genügend Helfer da, die hier mit anpacken würden.

      Das tägliche Einerlei sollte man nach einer neuerlichen Aufgabenverteilung schon packen. Wenn sie dann zum Säen und Ernten immer helfen kämen, wären sie sehr zufrieden. Was nicht heißen sollte, dass sie nicht jederzeit willkommen wären. Jederzeit. Nur nicht extra wegen der Arbeiten am elterlichen Hof. Dies müsste nun wirklich nicht mehr sein. Sie hätten nun ihr eigenes Leben. >>Und dazu braucht ihr auch Zeit für euch.<< Entschied Rozalia.

      Nun mit eigenem Hausstand, dann dazu die Arbeit und die langen Wege zu und von der Arbeit nach Hause, da musste mit den Kräften gehaushaltet werden. Sie dürften ihre Kräfte nicht überschätzen, war die einvernehmliche und fürsorgliche Empfehlung an die beiden.

      Außerdem hegte man ja auch die Hoffnung, bald Großeltern zu werden. Bei diesen Worten, vom vorlauten Edek ausgesprochen, brüllten alle vor Lachen. Rozalia empfahl dennoch, dass sie erst einmal ihre Zweisamkeit genießen sollten und ein größeres Zuhause müssten sie sich später auch leisten können, wenn die Familie wächst. Das wäre alles nicht so einfach. >>Welche weisen Worte meiner Mutter.<< Sprach Jożef, der wohl sehr froh und erleichtert über diese Freistellung war. Obwohl er wusste, dass man die Hilfe den Eltern üblicherweise noch ständig zukommen lässt, auch wenn man selbst