Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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Der Plan von Jacek war fantastisch, und sie sieht auch sehr hübsch aus. Ist also nicht nur eine zweckgerichtete Konstruktion.<<

      Als Rozalia das hörte, stürmte sie aus ihrem kleinen Häuschen hinaus zum Fluss, denn sie sah wohl häufig die Arbeitenden dort und auch ihre Jungs berichteten ihr vom Fortschritt der Bauarbeiten, jedes Mal wenn sie vom Feld oder der großen Wiese herüber kamen. Doch nun sollte sie fertig sein. Diese Brücke konnte man nun begehen. Władek griff nach ihrer Hand, als sie neben ihm herging und sie schaute ihn ein wenig so an, wie sie es in früheren Tagen tat. Nur einen kurzen Moment erlebten sie beide dieses kleine Glücksgefühl, als Geschenk der Geborgenheit ineinander. Als sie vor der Brücke ankamen, blieb sie wie angewurzelt stehen. >>Ich dachte nicht, dass man aus einfachen Stämmen unserer Wälder so etwas Schönes machen könnte. Du hast recht Władek. Sie sieht sehr hübsch aus. Ist sie wirklich stabil genug, um in Zukunft mit Pferd und Wagen darüber zu ziehen?<<

      Als er ihre misstrauischen Augen sah, zog er sie näher an die Brücke heran und rief seinem Sohn auf der anderen Seite zu: >>Edek, bringe bitte das Pferd herüber, damit deine Mutter sieht, wie stabil die Brücke ist, sonst traut sie sich nicht darauf!<< In dem Moment, als er dies rief, stand schon Piotr hinter seinen Eltern, und führte die beiden Kühe am Strick, die er soeben gemolken hatte und jetzt wieder auf die Wiese führen wollte.

      >> Ach Mamusia, dass du immer so ängstlich sein musst. Du weißt doch; - Holz ist stabil. Und du weißt auch, dass die Männer unseres Dorfes sehr genau wissen, wenn sie nicht gut und richtig arbeiten und die Brücke einstürzt, bekommen sie es mit euch Frauen zu tun. Und das, dass kannst du mir glauben Mama, nimmt sich hier jeder Mann zu Herzen. Denn, einen Streit mit seiner Frau will von ihnen niemand riskieren.<<

      Jetzt mussten alle lachen und auch Edek, der schon herbeigeeilt war, lief trabend neben dem Gaul über die Brücke. Sein Bruder Piotr lief schnell mit den Kühen hinterher, als Edek auf dem Rückweg aufs Feld war, und brachte sie zur Wiese zurück. Da er sie ja vorhin schon über die Brücke führte, als niemand ihn sah, wusste er also um ihre Stabilität. Ein Glück, dass er dies nicht einmal seinem Vater verriet. Denn der hätte für seinen Leichtsinn, zu riskieren, dass den Kühen etwas hätte geschehen können, überhaupt kein Verständnis gehabt.

      Es wurde ein glücklicher Sommer. Die Wiese hatte nie ein satteres Grün, erlebt. Die Regenfälle, die benötigt wurden um das Ausgesäte zum Wachsen anzuregen, das Wurzelgemüse nicht hölzern werden zu lassen, kamen gerade so häufig, dass sie nicht zu viel wurden, um das Korn feucht und schimmelig werden zu lassen. Alles hatte seine Ordnung. Nach der festlichen Übergabe der Brücke an den Ortsvorsteher, durch die Arbeiter und Spender durch den Pfarrer, gab es wieder ein schönes Fest. Alle, die dafür sorgten, dass diese Wertsteigerung für das gesamte Dorf endlich erbaut war, bekamen gebührend Lob und Dank für ihren Einsatz, und für die finanzielle Beisteuerung zum Gelingen.

      Das Dorf erblühte und die Eigenheime wuchsen. Immer mal wieder zog es eine junge Familie ins Dorf hinein, die hier leben wollte. Es gab eine Schule, eine Poststelle, eine Polizeidienststelle, die zwar nie was zu tun hatte, und praktisch in einem Privathaus untergebracht war, die aber da war. Eine Kirche, ein kleiner privat betriebener Laden und ein dörfliches Miteinander, dass sich herumgesprochen hatte und unbezahlbar war. Außerdem gab es einige schöne klare Seen in der näheren Umgebung, die neben dem Fluss im Sommer für herrliche Abkühlung und Erholungstage sorgten. Die staatlichen Einrichtungen waren im nächsten Ort in Ostrówek zu finden. Es sollte sich hier also gut leben lassen. Nicht zu vergessen, die so nah am Ortsrand sich hinziehenden Wälder, welche im Herbst mit den köstlichsten Pilzen lockten, die im Winter zu einem wahren Schatz werden konnten und Brennholz lieferten.

      Mit dem öffentlichen Kleinbus konnte man bis zur Großstadt und Universitätsstadt Lublin fahren, die ungefähr eine dreiviertel Stunde entfernt war. Und da war ja noch die etwas größere Stadt Lubartow. Zwar wesentlich kleiner als die Universitätsstadt Lublin, die aber mit Kirchen und Schlössern im Stadtkern selbst, sowie in der näheren Umgebung glänzte. Und deren öffentliche Einrichtungen ebenfalls für alle, per Transporter, zu erreichen waren. Der Transfer kostete für manchen Einwohner allerdings zu viel, so dass viele Menschen in dieser Region einfach meistens mit dem Rad unterwegs waren. Da es viele grüne parkähnliche Anlagen und wunderschön gestaltete, mit bunten Blumen bestückte Gärten gibt, war für jegliche Augenweide überall gesorgt. Viele Familien hatten vielerlei Blumensorten gepflanzt, um sie zu kleinen Sträußen zu binden und zu verkaufen. Irgendwo am Straßenrand kann es dir auch heute noch blühen, dass du eine alte Frau sitzen siehst, oder gar eine Junge, die sich den Tag damit verdingt, wunderschöne bunte Blumensträuße zu binden und für kleines Geld zu verkaufen.

      Bald sollte die Ernte des Korns eingefahren werden. Edek und Piotr haben schon mehrmals Heu auf der großen Wiese gemacht, und alles ist trocken im Heuschober für den großen Appetit der Tiere im Winter. Die Tage werden kürzer und langsam auch kühler. Die Dahlien blühen kraftvoll in allen erdenklichen Farben und Formen und sogar die lästigen Mücken wurden weniger.

      Kartoffeln wurden eingelagert, der Kohl vom Feld geholt und zu Sauerkohl verarbeitet und alles mögliche an Gemüse konserviert, damit der Winter gut überstanden wird. Das waren Arbeiten, die Rozalia und Anna größtenteils in der Sommerchen Familie übernahmen. Die Jungen gingen, sobald die Zeit nach einem kräftigen Regen es zuließ, mit ihrem Vater in den Wald um Pilze zu sammeln. Überall sah man dann in Polen Leute im Wald herumkrabbeln, die die Nase näher am Waldboden hatten, als in der Luft. Für einen nicht eingewiesenen Betrachter bestimmt ein lustiges Bild. Aber hier diente diese Übung nicht nur dazu einen Familienausflug zu machen. Nein, er diente hauptsächlich zur Bereicherung des Speiseangebots und zum Überleben. So auch im Herbst des Jahres 1937.

      Alle Familien trafen Wintervorbereitungen, um diesen bis zur nächsten Ernte zu überleben. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie mit den Vorbereitungen für den Winter beginnen mussten, war, wenn auf dem Scheunendach das Storchennest plötzlich leer war. Wenn Familie Storch ihren Nachwuchs großgezogen hatte und ausflog, um sich in wärmeren Gefilden die Federn mit lauer Luft durchpusten zu lassen.

      Und ein zweites sicheres Zeichen waren die Vorbereitungen für das große Erntedankfest, was jedes Jahr in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit erfolgte.

      Jetzt, zum großen Fest erschien natürlich auch die Familie von Solanka und man richtete die dazu bereit gestellten Liegen im Haus her. Der große Tag kam näher. Die Frauen der Großfamilie hatten sich viel zu erzählen. Bei Solanka bemerkte Rozalia eine leichte Wölbung ihres Leibes. Sie wollte nichts fragen. Warten konnte sie. Das hatte sie gelernt. Auch Anna bemerkte den Zustand ihrer Schwägerin mit Freude. Denn sie und Marian hatten sich vorgenommen, auf dem Fest einen Termin von den Eltern zu erbitten, um ihre eigenen Hochzeitspläne anzugehen. Sie mochten nicht länger warten. Sie wollten eine eigene Familie. Wo ihr kleines Haus stehen sollte, dass wussten sie auch schon. Unmittelbar an der neuen Brücke, hatten Marians Eltern ein kleines Gartengrundstück. Für die beiden wäre dies genau das Richtige, um die Eigenständigkeit zu beginnen. Und sie wären immer in Reichweite beider Elternfamilien, falls sie gebraucht würden.

      Dazu kam, dass Marian nicht immer bei der Armee bleiben wollte. Auch in ihm schlägt das Herz eines Landwirts. Wenn er genug vom Soldatensold gespart hatte, müsse etwas Eigenes her, dachte er. Das war sein Ziel für die Zukunft. Und, so hatte es Anna ihrer Mutter auch einmal versprochen. Nämlich, dass sie im Dorf bleiben würden. Wie Piotr, so wollte auch sie dieses Dorf, dass ihr Heimat und Liebe schenkt, niemals verlassen.

      Und auch aus Dankbarkeit gegenüber ihren Eltern empfand sie es als ihre Pflicht, als einzige Tochter, dem jüngsten Bruder und ihnen beizustehen. Dass die übrigen ihrer Brüder eine eigene berufliche Laufbahn anstrebten, dafür hatte sie mehr als nur Verständnis. Wollte ihr Marian denn ursprünglich nicht auch etwas anderes machen? Darüber müsste man also noch einmal sprechen. Sie blickte zuversichtlich und in Gedanken versunken auf Solankas Bäuchlein, als diese darauf aufmerksam wurde, angestarrt zu werden.

      Eine leichte Röte stieg langsam an ihrem Hals aufwärts und ließ ihre Wangen leuchten. Gleichsam beschämt senkte sie den Kopf. Doch schon hob sie ihn mit schelmischem Blick auf Anna und Rozalia. Ihre Lippen blieben aber stumm. Diese Aufgabe, die freudige Nachricht über die zu erwartende Geburt eines Enkelkindes