Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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herzlichen Umarmungen und Anspielungen von Solanka an Anna und Marian, die sich anschicken sollten, zuerst für die Enkel zu sorgen, trennte man sich für diesen Abend. Während der Rest der Familie noch zusammensaß und einige Scherze zu Solankas Anspielungen losließ, meinte Piotr dazu: >>Wann heiraten denn nun endlich Anna und Marian? Dass die beiden unzertrennlich sind, dass merkt man doch. Sogar hier kommen sie nur noch im Doppelpack daher. Wenigstens die beiden sollten uns noch beim Pflügen und auf dem Hof helfen. Denn wenn das Wetter so bleibt, können wir in diesem Jahr früh mit der Feldarbeit loslegen. Am besten gehe ich mit Edek schon morgen nach der Schule über die Wieprz. Es reizt mich auch, den Kahn mal wieder ins Wasser zu setzen und ihn auszuprobieren. Ach ja, Edek, du kommst doch Ostern aus der Schule, was machst du danach? Hast du darüber schon nachgedacht?<<

      Edek wurde ganz klein und schrumpfte auf seinem Stuhl zusammen. >>Du Ekel, du weißt genau, was ich machen wollte. Musst du gerade jetzt damit anfangen? Wir werden dieses Jahr noch zusammen sein, keine Sorge. Danach will ich entscheiden, ob ich zum Militär gehen werde oder mir eine Lehrstelle in Lublin suche. Am liebsten würde ich ja malen und eine Kunstschule besuchen. Aber das bringt kein Geld in die Familie und hilft mir nicht meinen Unterhalt zu finanzieren.<<

      Piotr grinste in sich hinein. Denn er wusste, dass dieses Thema auch seinem Bruder auf dem Herzen lag. Und er fand, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, darüber zu sprechen; - um Klarheit zu haben.

      Rozalia und Władek schauen ihren Sohn erstaunt an. Sind zunächst sprachlos. Doch dann sagte sein Vater: >>Ich dachte, wenigstens du wirst Landwirt? Ist denn dieser Beruf nichts mehr wert? Oder Schreiner oder mache was mit Forstwirtschaft. In diesem Dorf kann man auch sein Auskommen finden. Schau dir uns doch an! Wir leben doch zufrieden mit allem, was wir haben. Wir sind doch glücklich!<<

      Rozalia schaute ihren Mann an, legte den Kopf in den Nacken. >>Glaubst du das wirklich? Warum bist du dann immer an Projekten beteiligt, die im Dorf gemacht werden, wenn du hier so glücklich bist? Du selbst suchst dir große Aufgaben, bei denen dein Name hinterlassen sein wird. Wie zum Beispiel im Beichtstuhl unserer Kirche. Unsere Kinder können so viel und müssen selbst ausprobieren, wo ihre Neigungen liegen!<< Zu Edek gewandt sagte sie: >>Also Edek, das mit dem Malen gefällt mir. Das kannst du doch auch hier machen. Wir haben doch eine wunderbare Lehrerin im Ort, die in Kunst unterrichtet.<<

      >> Es ist nicht das Gleiche, als ginge ich in die große Stadt, Mama. Ich möchte ein richtiger Maler werden. Du weißt, dass ich eine Begabung dazu habe. Landwirt sein, kann ich nebenher immer noch. Und in den Hauptarbeitszeiten kehre ich zu euch zum Helfen zurück. Die Landwirtschaft ist eh eine Arbeit, die ich mag. Das stimmt. Aber damit alleine bin ich nicht so ganz und gar ausgefüllt.<<

      Edek warf einen bösen Blick auf seinen Bruder, weil der, genau dieses Thema heute anschneiden musste. Doch genau gegenteilig waren die Blicke, die Piotr von Anna und Marian für seinen Mut erhielt, auch ihr Anliegen damit angeschnitten zu haben. Piotr sagt deshalb zu seiner Familie: >>Damit ihr es jetzt alle wisst. Ich bleibe hier und werde Landwirt. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Mich bringt nichts aus diesem Dorf hier heraus. Ich liebe diesen Ort und will helfen, dass er sich weiter entwickelt und fortschrittlicher wird.<<

      Bei diesen, mit Inbrunst vorgebrachten Worten ihres jüngsten Sohnes, schmunzelten seine Eltern dankbar. So strahlend wurde er von allen angeschaut, dass er gerührt aufstand, 'dziękuje' sagte und im Begriff war, den Raum zu verlassen. Nun hatte auch Edek verstanden, was Piotr bewegte, dieses Thema aufzugreifen. Auch er lächelte ihm zufrieden zu, bevor dieser den Raum verließ und sich die Tür hinter ihm schloss. Anna und Marian schauten sich sehr zufrieden an, und waren glücklich darüber, dass dieses Gespräch endlich stattfand. Auch sie wollten ein eigenes Heim gründen. Zwar wollten sie im Ort bleiben, würden aber dann nicht mehr so häufig Zeit für Annas Eltern und den Hof haben. Da war es schon beruhigend zu wissen, dass Piotr sich zum Landwirt berufen fühlte und später den Hof weiterführen wollte. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

      Es sollte auch bei diesen glücklichen Menschen anders kommen, als sie es sich in ihren Träumen ausmalen konnten. Es sei denn, sie wären dazu fähig gewesen, Alpträume von nie gekannten schrecklichen Szenarien zu träumen.

      Doch davon wusste noch keiner in dieser Familie etwas. Jetzt noch nicht. Noch mehr Alpträume konnte das friedliche Leben in diesem Dorf doch für sie nicht bereit halten, als sie schon mit dem Tod des kleinen Czesławs durchstanden. Oder doch? War es doch möglich, noch größeren Schmerz empfinden zu lernen und zu ertragen? Das Schicksal hatte Übles und Grausames mit dieser sonst so zufriedenen, freundlichen und glücklichen Familie vor. Rozalia musste bald lernen, dass es keine glücklichen Sommer und Winter mehr für sie geben sollte, und die kommenden Schmerzen, die das Leben ihr antaten, fast alleine gelassen, dann sechsunddreißig Jahre freudlos anzunehmen und zu ertragen.

      Heute am Sonntag blieb der größte Teil der Gemeinde nach der Messe wie meist, auf dem Kirchplatz stehen und unterhielt sich über das bevorstehende Großereignis. Noch diese Woche sollte das Gerüst aus dem Kircheninnenraum entfernt werden. Denn noch schöner, könnte diese hervorragende Holzverkleidung nicht ausgeführt werden. Mit Präzision wurde Brett an Brett aneinandergefügt. Das Holz mit einer honigfarbenen Lasur zum Schutz und zum schöneren Anschauen versehen. Die Heiligenfiguren standen an ihren Plätzen in den Nischen. Der Altar und die Beichtstühle waren schon lange an ihren vorgesehenen Plätzen. Neben dem schlichten Steinaltar wurde ein von Könnerhand angefertigtes Holzkreuz mit einer anmutigen Jesusfigur, aus einem gigantischen Stück Lärchenholz gefertigt die ihres Gleichen sucht, angebracht. Diese Ausstattung ihrer Kirche ist den Leszkowicern einiges Wert gewesen. So, dass sie öfter mehr in den Klingelbeutel steckten, als sie üblicherweise dem Priester beim Kirchgang überließen. Kurzum, die Kirche wurde ein prachtvolles Kleinod traditioneller Kunst, welche sich durchaus sehen lassen kann. Schon allein der Blumenschmuck und die prachtvolle Statue des Heiligen Antonius, umgeben vom Lichtermeer der ständig um ihn herum gespendeten Kerzen und duftenden Blumen, öffneten dem Betrachter das Herz.

      Hier lebte man lebendigen Glauben. Hier lebte man lebendige Gemeinschaft miteinander in einer Dorfgemeinschaft.

      Und hier und heute wurde nach Abschluss der Arbeiten vor der Kirche beraten, wann und wie das große Fest und die öffentliche Bekanntgabe der Fertigstellung stattfinden sollte. Es sollte auf jeden Fall eine Prozession geben, die vom Ortsende bis hinauf zum Ortsanfang in die Kirche führte. Und jeder Dorfbewohner sollte so viele Gäste wie möglich einladen, um diese gemütlich, ansprechende und einladende Kirche zu bewundern.

      Irgend jemand von den Männern hat immer ein kleines weißes Fläschchen in der Jackentasche, das nun unter den Handwerkern, die dieses Prachtstück vollendet hatten, die Runde machen durfte. Das Fest sollte in vierzehn Tagen, also praktisch zwei Wochen vor dem Osterfest stattfinden, das dieses Jahr zum Glück spät fiel. So hatte man ein wenig Zeit für die Vorbereitungen. Die Einladungen mussten ausgesprochen werden, die Speisen vorbereitet, ein neues modernes Festzelt sollte aufgestellt werden, was mit vielen zusätzlichen Spenden angeschafft wurde, falls es nicht zu kalt wäre, damit die Jugend sich tüchtig beim Tanzen austoben konnte. Die Blumengestecke und Gebinde mussten gemacht werden. Darum bat der Rat der Honoratioren die Frauengruppe, weil sie diese alte Tradition noch beherrschten.

      Die Prozession anführen sollten die kirchlichen Fahnenträger mit Priestern und Messdienern. Gefolgt von der Feuerwehrkapelle aus Ostrówek, die man natürlich einladen würde. Genauso wie die Gemeinde von Czemierniki, wohin man jahrelang zur Kirche ging. Nun käme die eigene Dorfkapelle zur Aufstellung, die dann die festlichen Lieder, vom Priester selbst ausgewählt, damit die Feierlichkeit den frommen Rahmen behielt, waren ein unbedingtes Muss. In anschließender Folge schreitet die Folkloregruppe und natürlich nicht zu vergessen, die Fahnenträger mit der dorfeigenen Fahne. Die wiederum gefolgt von der Fahne der Wojwodschaft mit dem Geißbock darin und zuletzt die rot - weiße Fahne, die ihren Stolz als Nation verkünden sollte. Es sollten die Dorfbewohner in hoffentlich zahlreicher Teilnahme den Zug schließen.

      So sah es die Planung vor, und alles war schnell besprochen. Grobschlächtig. Um die Feinheiten auszuarbeiten, würden sich die Männer noch am Wochenende in der Gemeindescheune treffen müssen. So wurde es auf dem Kirchplatz beschlossen und schnell