Johanna Danneberg

Argots Schwert


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dass die Argots seit Jahrhunderten geschäftlich mit den Leuchtenburgern verbunden sind.“

      „Du denkst, die Vorfahren von Meister Argot könnten das Schwert für die Leuchtenburger geschmiedet und mit ihrem Zeichen versehen haben.“, sagte Caro.

      „Macht doch Sinn, oder?“, gab Falk zurück.

      Einen Moment lang schwiegen sie. Der Biergarten hatte sich mit der heraufziehenden Dämmerung geleert, und von den verbliebenen Gästen nahm niemand Notiz von ihnen. Caro setzte ihr Colaglas an, verpasste ihren Mund und schüttete sich einen ordentlichen Schluck in den Ausschnitt. Geistesabwesend wischte sie mit einem Ärmel ihres Pullis darüber. Sie steckte sich eine Kippe an.

      Falk vertilgte die Reste von Caros Schweinshaxe, dann räumte der Kellner die Teller ab. Als er wieder weg war fragte Caro leise:

      „Und es ist wirklich das Zeichen vom Goldschmied Argot, was du da auf dem Schwert gesehen hast?“

      „Erst war ich mir auch unsicher. Aber es ist haargenau dasselbe.“

      „Dann muss das Schwert uralt sein. Die letzten richtigen Waffenschmiede in der Familie gab’s vor einigen Hundert Jahren. Wie gesagt, als zunehmend Schusswaffen in Gebrauch kamen, starb der Beruf aus.“

      Sie schüttelte ungläubig den Kopf, bevor sie ihn auf einmal scharf ansah.

      „Jetzt versteh ich auch, warum du mich auf die Paddeltour einlädst und dies hier alles veranstaltest! Du hast das mit meinem Interview mitgekriegt und willst über mich mehr über Argot erfahren! Du willst rauskriegen, ob er etwas über dieses Schwert wissen könnte! Du willst mich ausnutzen!“

      „Na, was dachtest du denn? Dass ich dich wegen deiner Nettigkeit einlade?“, meinte Falk. Für einen Moment starrte Caro ihn an, mehr erstaunt als wütend.

      „Und diese Sache mit dem Fußballturnier? Und der Radiosendung darüber? War das auch nur ein Märchen?“

      „Nein, das planen wir wirklich.“

      Falk ließ unerwähnt, dass wahrscheinlich nie mehr als ein Plan daraus werden würde, und beobachtete Caro, die wiederum ihn mit zusammengekniffenen Augen ansah. Sie schien tief in Gedanken versunken. Dann lachte sie plötzlich und griff nach ihrem Glas.

      „Falk, das ist ein echter Hammer, was du da entdeckt hast. Ich fühle mich geehrt, dass du mich ausnutzen willst. Lass uns darauf anstoßen!“

      Falk hob ebenfalls sein Bier und sagte:

      „Auf Marie von Flotow, geborene von Leuchtenburg!“

       *

      Erst spät war Falk am Dienstagabend ins Bett gekommen, denn bis weit nach zweiundzwanzig Uhr hatten sie noch im Biergarten gesessen und geredet.

      Caro hatte sich, nach der anfänglichen Skepsis, von seinem Fund hellauf begeistert gezeigt. „Höchstwahrscheinlich ein Originalschwert aus dem Mittelalter!“, hatte sie geschwärmt, noch dazu mit einem geheimnisvollen Brief – er habe goldrichtig gehandelt, die Sachen nicht zur Polizei zu bringen!

      Aber ob er nicht zumindest Marie von Flotows Familie kontaktieren sollte?, hatte Falk seine Zweifel zum Ausdruck gebracht, doch Caro hatte seine Sorgen nicht im Geringsten geteilt. Es habe schon einen Grund gehabt, dass Marie alleine mit dem Schwert und dem Brief in das Haus gegangen sei. Es sei doch offensichtlich, dass sie ihren Ehemann nicht habe einweihen wollen.

      Überhaupt, der Brief, dafür hatte sich Caro ganz besonders interessiert; dass Falk ihn noch nicht geöffnet hatte, hatte sie ihm zunächst gar nicht glauben wollen. Er würde nie auf den Gedanken kommen, fremde Briefe zu öffnen, war Falks entrüsteter Einwand gewesen, woraufhin Caro ihn daran erinnert hatte, dass er immerhin keine Skrupel gehabt habe, in fremde Häuser einzubrechen und Lederbeutel zu klauen!

      „Das war bloß eine dämliche Wette! Ich wollte den Beutel doch zurückbringen!“, hatte Falk widersprochen, was Caro wiederum schon gar nicht mehr beachtet hatte, sondern stattdessen, plötzlich ganz geschäftsmäßig, den jetzigen Stand zusammengefasst hatte:

      Marie von Flotow, 52 Jahre alt, geborene Leuchtenburg, wohnhaft in Altenburg, hatte am vergangenen Donnerstagabend ihr verfallenes Elternhaus aufgesucht, und aller Wahrscheinlichkeit nach den Lederbeutel mit dem Schwert und dem Brief, adressiert an einen gewissen Mark, dorthin mitgebracht. Gekommen war sie mit dem Auto, welches sie auf dem Parkplatz hatte stehen lassen – Falk meinte sich rückblickend sogar zu erinnern, einen Mini gegenüber der Bushaltestelle gesehen zu haben. Es war relativ wahrscheinlich, dass sich die Adlige im Obergeschoss des Hauses aufgehalten hatte, als Falk und Robs unten den Lederbeutel entdeckt hatten. Und irgendwann später in jener Nacht war die offenbar stark alkoholisierte Marie die Treppe heruntergestürzt, und hatte sich dabei das Genick gebrochen.

      Was das Schwert anging, so lag aufgrund des eingravierten Zeichens nahe, dass es von den Vorfahren des Goldschmiedemeisters Argot geschmiedet worden war, die wiederum angeblich schon seit Jahrhunderten geschäftliche Beziehungen mit den Leuchtenburgern pflegten.

      Dann war da noch das zweite Zeichen, das, was auch am Giebel des Hauses zu sehen und auf dem Schwert unter Argots ‚A’ eingraviert war. Falk hatte versucht, es auf einem Bierdeckel nachzuzeichnen, sich jedoch nicht mehr genau erinnern können.

      „Ich würde das alles zu gern sehen“, hatte Caro geseufzt. „Sowohl das Haus, als auch das Schwert und den Brief…“

      Der alten Bruchbude werde er sich in nächster Zeit nicht nähern, hatte Falk gebrummt, das hätte ihm schließlich schon genug Ärger eingebrockt. Aber den Inhalt des Lederbeutels, den könne er ihr durchaus zeigen.

      Das hatte Caro sich nicht zweimal sagen lassen. Als der Kellner ihnen noch ein Bier und eine Cola gebracht hatte, nicht ohne säuerlich darauf hinzuweisen, dass sie die letzten Gäste seien, hatte sie sich bereits für den morgigen Nachmittag bei Falk eingeladen. Dies wiederum hatte Falk entschieden abgelehnt, an seine chaotische Wohnung denkend, und daran, dass weder er noch Robert seit ihrem Einzug vor über einem Jahr auch nur ein einziges Mal das Bad geputzt hatten.

      Dann ein neutraler Treffpunkt, hatte Caro vorgeschlagen, wie die Uni-Mensa, die wäre nämlich in den Semesterferien nachmittags so gut wie ausgestorben. Aber Falk war bei der Vorstellung, den Beutel schon wieder in der Stadt mit sich herum zu schleppen, unwohl gewesen.

      Schließlich hatten sie sich darauf geeinigt, dass sie sich zwar tatsächlich am morgigen Nachmittag bei der Mensa treffen würden, Falk aber lediglich Fotos des Lederbeutels und seines Inhaltes mitbringen würde, und nicht die Originale.

      Caro hatte ihre Enttäuschung darüber mit dem ihr eigenen Pragmatismus rasch überwunden und bekundet, sie habe eine grandiose Idee: wenn sie sich schon bei der Uni treffen würden, könne sie gleich noch einen echten Experten für das Mittelalter hinzubitten, einen Doktoranden am historischen Institut, der zufällig ein guter Bekannter von ihr sei. Ob er, Falk, etwas dagegen habe?

      „Bist du verrückt!“, hatte Falk ausgerufen, selbstverständlich habe er etwas dagegen. „Es darf niemand sonst von der Sache wissen!“

      Natürlich würde ihr Bekannter nichts von dem Schwert und dem Brief erfahren, hatte Caro sogleich versichert. Sie wolle ihn lediglich unverbindlich ein wenig ausfragen. Er würde ihnen einiges zu den Hintergründen von adligen Familien aus der Zeit des Mittelalters erzählen können. Auch kenne er sich viel besser mit der Geschichte der Leuchtenburg aus als sie. So würde er ihnen sicherlich einige hilfreiche Hinweise geben können, vielleicht sogar darauf, was die Nachfahrin eines Thüringer Adelsgeschlechts dazu gebracht haben könnte, nachts in ihrem ehemaligen Elternhaus herumzugeistern.

      Am Ende hatte Falk eingelenkt, konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass Caro die Sache schon mehr oder weniger in die Hände genommen hatte.

      Tag 7, Mittwoch

      Als Falk am Mittwochnachmittag kurz vor halb fünf, in Richtung Stadtzentrum radelte, war er das Gefühl, dass Caro ihn mit ihrem Vorschlag irgendwie überrumpelt hatte, immer noch nicht vollständig losgeworden. Er kam aber