Johanna Danneberg

Argots Schwert


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war Goldschmied Argot, dessen Vorfahren das Schwert geschmiedet hatten, und dessen Familie irgendwie mit der Familie der toten Adligen zusammen hing. Es konnte daher vermutlich nicht schaden, mehr über die mittelalterlichen Lebensumstände von Thüringer Adligen im Allgemeinen, und über die Leuchtenburger im Besonderen zu erfahren.

      Erleichtert hatte es ihn zweifellos, mit Caro über die Geschehnisse der letzten Tage zu reden. Sie hatte der ganzen Sache unverzüglich eine gewisse Ernsthaftigkeit verliehen - dass er vielleicht eine Dummheit begangen haben könnte, schien ihr nicht in den Sinn zu kommen; vielmehr schien sie sich mit großen Enthusiasmus daran machen zu wollen, dem Geheimnis des Schwertes auf die Spur zu kommen.

      Vielleicht sogar ein bisschen zu viel des Guten, dachte Falk. Aber das war immer noch besser als Robs. Gerüchten zufolge war der nämlich mittlerweile wieder in der Stadt, hatte sich aber gar nicht erst zu Hause blicken lassen, sondern sich stattdessen gleich bei irgendeinem Mädel aus dem Trainingslager einquartiert. Falk hatte Robs nach wie vor auch telefonisch nicht erreicht, und was mit den Sachen aus dem alten Haus geschehen war, interessierte seinen Freund offenbar nicht im Geringsten.

      Falk schlängelte sich durch die Fußgängerzone, vorbei am Markt, an der Stadtkirche und an den Cafés in der Johannisstraße, und bog in die Gasse hinter dem Universitätshauptgebäude ein, wo sich ein Copyshop an den nächsten reihte. Er schloss sein Rad ab, unterquerte eine Tordurchfahrt, durch die wohl auch die Kutschen früherer Jahrhunderte, als hier noch die Herzöge von Jena regiert hatten, gepasst hatten, und betrat den Innenhof. Es war kühl heute, die Septembersonne hielt sich hinter Wolken versteckt. Falk sah Caro an dem Brunnen in der Mitte des Hofes sitzen, mit einem schwarzen Kapuzenpullover unter ihrer Lederjacke. Sie strahlte, als sie ihn erblickte und eilte ihm sogleich entgegen.

      „Coole Mütze.“, bemerkte sie, ihre Zigarette austretend. „Komm, gehen wir rein!“

      Durch die Glastüren der Mensa betraten sie einen Vorraum, der nun, in den Semesterferien, verwaist war. Caro ging voraus und zog ihn hinter ein paar Ständer mit diversen Aushängen, auf denen winzige WG-Zimmer, IKEA-Möbel und Nachhilfeunterricht angeboten wurden.

      „Nun zeig mal her!“, sagte sie mit nur mäßig unterdrückter Aufregung.

      Falk vergewisserte sich ein letztes Mal, dass sie allein waren, holte dann seine Digitalkamera aus dem Rucksack und reichte sie ihr. Konzentriert klickte Caro sich durch die Fotos. Falk hatte die Aufnahmen am heutigen Morgen gemacht, bei Tageslicht in seinem Zimmer. Zunächst waren der Beutel, das Schwert und den Brief nebeneinander auf dem Boden liegend zu sehen.

      „Der Umschlag sieht richtig schwer aus, mehr wie Pergament.“, sagte Caro, und betastete das Foto, als könne sie dadurch auch den Briefumschlag anfassen. Falk kam Caros nächster Frage zuvor: nein, er habe ihn selbstverständlich immer noch nicht geöffnet, und er habe das auch nicht vor.

      Caro sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, sagte aber nichts dazu und wendete sich dem nächsten Foto zu. Es zeigte das Schwert, noch in der Scheide steckend. Falk hatte einen Zollstock danebengelegt.

      „Ein Meter und 2 Zentimeter.“, erläuterte er. „Und es wiegt circa ein Kilo und 200 Gramm.“

      Das nächste Foto zeigte die blanke Waffe, ohne die Scheide. Auf dem dunkel glänzenden Metall zeichnete sich hell die Rinne in der Mitte ab. Falk hatte auch Nahaufnahmen der Klinge gemacht, die Caro als nächstes betrachtete.

      „Nur mäßig scharf übrigens.“, bemerkte er. „Siehst du diese Scharten und Kanten?“

      Caro nickte und stellte fest, wie auffallend schlicht die gesamte Waffe verarbeitet sei. So etwas ähnliches habe er auch gedacht, als er es das erste Mal genauer betrachtet hatte, bestätigte Falk. Die einzige Verzierung bestand aus den beiden Zeichen, kurz unterhalb des Schafts. Caro hatte schon weitergeklickt zu den Fotos, welche die kleinen eingravierten Symbole zeigten. Falk hatte dafür extra die Makro-Funktion der Kamera eingestellt. Gestochen scharf waren das kleine 'A' und das Wagenrad zu sehen.

      Er habe Recht, murmelte Caro, das ‚A’ könne eigentlich nur Argots Zeichen sein. Das andere Zeichen jedoch war auch ihr völlig unbekannt.

      „Ich finde, es war eine sehr gute Idee von dir, zu Argot in den Laden zu gehen.“, sagte sie schließlich, aufblickend. „Ich hätte dasselbe gemacht.“

      „Aber herausgefunden habe ich nichts bei ihm.“

      Caro lächelte schelmisch.

      „Aber du hast mich getroffen, oder?“

      „Ich bin mir gar nicht sicher, ob es wirklich so klug war, dich anzusprechen…“

      „Klar war das klug! Glaub mir, ich kann dir helfen! Wer von uns hat denn einen Interview-Termin mit Schmied Argot? Wenn jemand etwas über dieses Schwert weiß, dann er. Und er könnte uns vielleicht sogar sagen, was dieses zweite Zeichen hier zu bedeuten hat.“

      Caro deutete auf das Foto mit dem runden Zeichen unter Argots ‚A’. Falk seufzte.

      „Das war ja auch ursprünglich mein Hintergedanke gewesen: über dich und dieses Interview aus Argot herauszukriegen, was es mit dem Schwert auf sich haben könnte. Aber je länger ich drüber nachdenke, umso mehr Zweifel habe ich, wie das überhaupt funktionieren soll. Überleg doch mal: wie willst du es anstellen, ihn zu diesem Schwert zu befragen, ohne es ihm zu zeigen?“

      „Ich könnte ihm doch auch einfach diese Fotos mitbringen.“

      „Ausgeschlossen! Wenn er das Schwert sieht, egal ob auf Fotos oder im Original, wird er Fragen stellen, wo es herkommt, und das will ich nicht.“

      Caro verdrehte die Augen.

      „Falk, du wirst nichts über das Schwert herausfinden, wenn du es weiter unter deinem Bett versteckst! Es geht ja nicht nur um Argot selber. Wir könnten es auch einer Freundin von mir zeigen, die arbeitet am historischen Institut, die kennt sich total gut mit Schwertern...“

      „Caro, nein!“, unterbrach Falk sie scharf, während er überlegte, wann er ihr eigentlich verraten hatte, wo er das Schwert aufbewahrte. „ Du musst mal einen Gang runterschalten! Es reicht schon, dass wir uns jetzt mit diesem Typen treffen. Ich habe der Sache zwar zugestimmt, aber nur, dass wir uns hier nicht falsch verstehen: kein Wort über das Schwert, wir führen nur ein ganz unverbindliches Gespräch. So wie du gesagt hast.“

      „Jaja, schon gut, ganz unverbindlich!“

      Falk sah sie scharf an, sie guckte ihm treuherzig in die Augen, und schließlich grummelte er:

      „Welchen unverbindlichen Vorwand hast du dir denn für ihn überlegt, also warum du ihn aushorchen willst?“

      „Die Radiosendung.“, antwortete Caro. „Tobi weiß von meinem Hobby. Und da ich ja eine Sendung über das Handwerk im Mittelalter plane, ist es doch nur natürlich, wenn ich mir von ihm, dem ausgewiesenen Mittelalterexperten, ein paar Infos hole.“

      „Na, wenn du meinst. Pass nur ja auf, dass du nichts von dem Schwert verrätst.“, wiederholte er eindringlich.

      „Mach dir keine Sorgen. Ich bringe ihn schon dazu, uns ein paar interessante Details zu erzählen.“

      Falk betrachtete sie misstrauisch und fand, dass sie eher selber so aussah, als ob sie sich Sorgen machte. Sie zog die Zigarettenpackung aus ihrem Rucksack.

      „Will noch schnell eine rauchen.“

      Sie traten wieder nach draußen.

      „Wird er sich nicht wundern, wenn ich dabei bin?“, fragte Falk, während er Caro dabei zusah, wie sie sich abmühte, bei dem böigen Wind, der von der Tordurchfahrt durch den Innenhof fegte, ihre Kippe anzuzünden.

      „Tobi ist keiner, der sich über andere Leute wundert.“, antwortete Caro rätselhafterweise, bevor sie hinzufügte:

      „Du kannst ja einfach mein Praktikant sein. Das passt gut du willst doch sowieso eine eigene Sendung machen, mit deinen Fußballfreunden, oder?“

      Praktikant? Falk runzelte die Stirn.

      „Wohl