Johanna Danneberg

Argots Schwert


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setzte Falk sich vor seinen Schreibtisch und schaltete den Rechner ein. Caro, die keinen zweiten Stuhl im Zimmer entdecken konnte, stellte sich hinter ihn und wartete, dass er ihr seinen Platz anbieten würde. Als dies nicht geschah, hockte sie sich auf die Bettkante.

      „Machst du das nicht auch beruflich, irgendwas mit Computern?“, erkundigte sie sich pflichtbewusst.

      Falk nickte lustlos, und Caro war froh, dass er nicht näher darauf einging. Stattdessen gab er ein paar Begriffe in die Suchmaschine ein. Schon kurz darauf hatten sie herausgefunden, dass Hunderte Hobbyarchäologen seit Ende des Zweiten Weltkrieges nach dem Bernsteinzimmer suchten und momentan eine heiße Spur irgendwo in die Nähe von Wuppertal führte, dass die Stasi jahrelang die DDR umgegraben hatte auf der Suche nach ein paar Goldbarren, die in den Wirren des Krieges aus der Reichsbank abhandengekommen waren, und dass Historiker davon ausgingen, dass noch etwa anderthalb Millionen Kilo Gold, Silber und Edelsteine in Deutschland versteckt seien.

      Diese Information machte beide endgültig munter, mehr, als es die Kanne Kaffee, die sie schon getrunken hatten, bisher vermocht hatte. Längst war Caro wieder aufgestanden und hatte sich neben Falk gebannt über den Computerbildschirm gebeugt, seine intensive Bierfahne einatmend. Sie klickten sich durch zahlreiche Internetseiten, auf denen Ausrüstung für Schatzsucher angeboten wurde, darunter Spaten, Metallsonden, die bis zu 1000 Euro kosteten, und Schlapphüte. Endlich dann stießen sie auf einen Hinweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch, Paragraf 984, in dem geregelt war, dass ein Schatz nach seiner Entdeckung zur Hälfte dem Finder, und zur Hälfte dem ursprünglichen Eigentümer gehörte.

      „Das klingt doch schon mal nicht so schlecht.“, äußerte Falk sich optimistisch. „Die letzte Nachfahrin der Leuchtenburger ist tot, das heißt, was auch immer wir auf der Leuchtenburg finden, würde dann wohl zur Hälfte uns und zur Hälfte dem jetzigen Eigentümer der Burg, also dem Land Thüringen gehören.“

      Caro hatte Bedenken.

      „Ich fürchte, da gibt es noch weitere Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Das hatten wir irgendwann mal im Studium. Geh mal bitte auf die Seite vom Thüringer Landesamt für Denkmalpflege.“

      Sie fanden dort zunächst nur die Kontaktdaten einer Reihe von Ansprechpartnern in den Unteren Denkmalschutzbehörden der Kommunen, wo aber heute, am Samstag, natürlich niemand abnehmen würde, stießen dann aber auf einen Link zum Thüringer Gesetz zur Pflege und zum Schutz der Kulturdenkmale, und dort wurden sie dann endlich fündig, bezeichnenderweise unter einem Paragraph mit der Überschrift „Schatzregal“.

      „Beweglichen Kulturdenkmäler,“, las Falk vor, „die herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum den Landes.“ Er sah auf. „Und der Finder bekommt gar nichts, oder wie?“

      „Scheint fast so.“, sagte Caro unglücklich. „Ich hab's befürchtet. Und schau mal in den nächsten Paragraph, da steht auch, dass man eine behördliche Genehmigung benötigt, um überhaupt Nachforschungen anstellen zu dürfen.“

      Sie setzte sich zurück aufs Bett. Falk fasste zusammen:

      „Erstens dürfen wir gar nicht erst nach dem Schatz auf der Leuchtenburg suchen, bevor wir nicht eine Genehmigung erhalten, und selbst wenn wir eine hätten und etwas finden würden, würde der Schatz dem Land Thüringen gehören.“

      Caro sagte:

      „Für jedes Museum wäre das natürlich spitzenmäßig, und auch für die Wissenschaft. Aber nicht...“

      „... wenn man den Fund zu Geld machen will, schon klar.“, beendete Falk ihren Satz. Sie wechselten einen Blick und Falk sprach aus, was Caro dachte:

      „Du kannst mir aber auch nicht erzählen, dass jeder Schatzgräber diese Genehmigung hat, und dass jeder Fund auch tatsächlich angezeigt wird.“

      Sie stand auf und ging zum Fenster. Ohne Falk anzusehen, erzählte sie:

      „Naja, du kennst vielleicht die Himmelsscheibe von Nebra? Die älteste Darstellung des Himmels weltweit. Sie ist von zwei Sondengängern entdeckt worden, in einem Kartoffelacker in Sachsen-Anhalt, und die haben ihren Fund nicht gemeldet. Stattdessen haben sie ihn verkauft, an einen Hehler. Jahre später sind die beiden aber verhaftet worden. Ein Kunstlehrer und eine Museumspädagogin waren das. Ich weiß nicht, ob sie ins Gefängnis mussten, oder nur eine Geldstrafe bekommen haben, aber auf jeden Fall war ihre Aktion illegal und sie sind damit aufgeflogen.“

      Sie hörte, dass er ebenfalls aufstand und den Raum verließ. Caro fand ihn auf der Terrasse, wo sein Brot zuende geschmiert hatte, um es dann zu vertilgen. Caro spielte mit dem Gedanken, sich eine Zigarette anzuzünden.

      Seit sie das Schwert das erste Mal gesehen hatte, war ihr bewusst gewesen, dass sie hier etwas Besonderes in der Hand hielt, dachte sie, während sie gedankenverloren die Kippenschachtel in den Händen drehte. Es war wie mit einem dicken roten Filzstift umrandet. Eigentlich wunderte es sie gar nicht, dass in dem Brief eine solche Sensation geschlummert hatte. Falk riss sie aus ihren Gedanken und sagte kauend:

      „Hätten wir bloß diesen Scheißbrief nicht geöffnet.“

      *

      Mehrere Sekunden sahen sie sich reglos an. Falks helle Augen, umrahmt von dichten Wimpern und tiefen Augenringen, waren von einem farblosen Blaugrau, wie ein bewölkter Himmel. Caro zündete sich eine Zigarette an. Falk beobachtete sie.

      „Du frisst die Dinger ja regelrecht.“, bemerkte er.

      Sie atmete den Rauch ein, genoss den leichten Schwindel, und zuckte die Achseln.

      „Und du säufst wie ein Loch.“

      Sie schwiegen wieder. Aus dem Radio dudelte leise Musik. Dann sagte Falk:

      „Die müssen sich echt bescheuert angestellt haben.“

      „Wer?“

      „Na dieser Lehrer und seine Tussi, als sie die Himmelsscheibe verkauft haben. Ich meine, man kann so was sicherlich auch machen, ohne dass einem die Polizei auf die Schliche kommt. Wenn man über das Internet verkauft, kann man seine Spuren so verwischen, dass kein Mensch das zurückverfolgen kann.“

      Ausdruckslos sah Caro ihn an.

      „Was ist, wenn wir halbe halbe machen.“, schlug sie dann langsam vor. „Die eine Hälfte vom Schatz bekommst du, und kannst damit machen, was du willst. Und den anderen Teil bekomme ich, ich melde den Fund, sage, ich habe ihn zufällig auf der Leuchtenburg gefunden, weswegen ich keine Genehmigung hatte, und alles geht seinen geregelten Gang.“

      Falk antwortete erst, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.

      „Wir wissen doch gar nicht, was es ist, dieser Schatz. Was, wenn es wirklich bloß ein Buch ist. Das kann man schwer teilen.“

      „Das stimmt natürlich. Ein gewisses Risiko ist dabei.“

      Caro konnte förmlich sehen, wie Falk grübelte. Würde er darauf eingehen? Auf die Suche gehen konnte sie nur mit Falk gemeinsam. Er hatte schließlich das Schwert.

      „Es könnten ja auch Goldmünzen sein. Sehr viele alte Goldmünzen.“, murmelte Falk unterdessen. „Was ist so etwas wohl wert, heutzutage?“ Dann plötzlich unterbrach er sich. „Mensch, Scheiße!“

      „Was ist los?“, fragte Caro alarmiert.

      „Was, wenn diese Karte das Versteck eines wirklich wertvollen Schatzes markiert?“

      „Na, das wäre doch super!“

      „Verstehst du denn nicht?“, rief Falk. „Denk an Mark!“

      Caro begann zu begreifen.

      „Du meinst, wenn es um viel Geld geht…“

      „Wird’s gefährlich, genau! Wir haben absolut keine Ahnung, was dieser Mark eigentlich mit der Sache zu tun hat. Wer ist der Kerl? Was, wenn er schon hinter dem Lederbeutel und seinem Inhalt her ist?“

      „Also aufpassen, wenn dir ein schlecht gelaunter