Johanna Danneberg

Argots Schwert


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und einer Laubsäge in der Hand wieder auf.

      „Viel Spaß“, sagte er, auf den Rasenmäher deutend, zu Falk, und dass er bei den Pflaumenbäumen sei.

      Fast zwei Stunden arbeiteten sie. Falk mühte sich mit der knatternden stinkenden Maschine den Hang entlang und der Schweiß lief ihm in Bächen den nackten Oberkörper hinunter. Im Schatten des Waldes verschnaufte er am Rande eines Tümpels, und als er auf das trübe Wasser schaute und die Wolken beobachtete, die sich an der Oberfläche spiegelten, schlängelten sich Erinnerungen an seine Kindheit am Rande seines Bewusstseins entlang, die er nicht fassen konnte, wie die beiden Eichhörnchen, die in Windeseile eine nahe Buche hinaufflitzen.

      Als er in einer Ecke des Gartens auf einen offenbar frisch eingepflanzten jungen Kirschbaum stieß, betrachtete er eine ganze Weile die dunkel aufgehäufte Erde rund um den schlanken Stamm und dachte an das Schwert, das bei ihm zu Hause unter dem Bett lag, und das er hier problemlos würde verschwinden lassen können.

      Irgendwann tauchte Michail auf, mit ein paar blutigen Kratzern an den Armen und zwei Flaschen Bier in der Hand, die so kalt waren, dass nasse Tropfen außen am Glas abperlten. Die beiden setzten sich mitten in den Garten ins frisch geschnittene Gras und tranken schweigend einige Züge, während sie ins Tal blickten und ab und zu eine Mücke totschlugen, die sich auf ihnen niedergelassen hatte. Die Sonne stand schon tief und aus dem Wald wehte ein kühler Hauch zu ihnen herunter. Falk spürte die tiefe Zufriedenheit, die nur ein kaltes Bier nach harter körperlicher Arbeit auslösen konnte.

      „Wie sieht’s aus Mann?!“, sagte er zu Micha. „Ich hab langsam ganz schön Hunger!“

      Micha gähnte und streckte sich.

      „Mein Vater hat vorhin angerufen. Er kommt demnächst hier rauf. Bringt Igor mit, und was zu essen.“

      Falk nahm einen heruntergefallenen Kornapfel, holte aus und warf ihn mit aller Kraft, so dass er irgendwo weit hinter dem Häuschen in den Büschen verschwand.

      „Was ist mit deinem Opa? Kommt der auch mal wieder mit?“

      Der alte Mann hatte den beiden früher, als sie noch Kinder gewesen waren, Skat beigebracht und ab und zu von seinen selbstgemachten Obstschnäpsen probieren lassen.

      „Nee, der ist gerade in Weißrussland, zu Hause. Aber er hat mir noch ein paar Aufgaben gegeben, für den Garten.“

      Micha rappelte sich hoch und wendete sich zu Falk. Er kniff die Augen zusammen, die milchig blau waren wie das Wasser im Fluss, und amte, stark übertreibend, den russischen Akzent seines Großvaters mit rollendem „R“ nach: „Du musst schneiden die Pflaumen, Michail. Das ist am meisten wichtig! Du darfst nicht verpassen richtige Zeitpunkt. Und die Beeren, gleich nach Ernte du musst sie schneiden. Und vor Allem:“ Micha hob den Zeigefinger: „gieß mit Wodka auf die Beeren!“

      Beide lachten, und Micha ließ sich wieder ins Gras fallen.

      Falk erzählte, dass er mit Robs wegen des Fußballturniers gesprochen habe, und dass sie immer noch keinen geeigneten Platz hätten, da nun auch das Gelände bei den Sportwissenschaften nicht mehr in Frage käme.

      „Die geben ihre Plätze dort nämlich nur für Kinderturniere her.“

      „Wie sinnlos ist das denn?“

      „Nachwuchsförderung, oder so, meinte Robs.“

      „Na toll, dann haben wir ja langsam alle Möglichkeiten abgeklappert.“, meinte Micha. „Es kann doch nicht sein, dass man in ganz Jena kein privates Fußballturnier organisiert kriegt!“

      „Ja, vor allem, weil wir das Ganze problemlos ankündigen könnten im Offenen Kanal Jena!“

      „Ach ja, deine Connection zu den Medien. Wie hieß sie gleich? Carolina?“

      Falk nickte, und zog sein Handy heraus, wo er sah, dass Caro bereits mehrfach versucht hatte, ihn zu erreichen.

      „Wir wollen heut Abend übrigens in die Rose. Lust mitzukommen?“

      Micha hatte noch nichts vor, und so schrieb Falk an Caro, dass er mit einem Kumpel um elf am Markt sein würde.

      *

      Nachdem sie das Bier ausgetrunken hatten, räumten Falk und Micha ihr Werkzeug wieder in den Schuppen. Gerade, als sie fertig waren und den Hügel in Richtung Haus herunter schlenderten, kamen ihnen von dort zwei Männer entgegen.

      Falk erkannte Alexander, Michas Vater, sofort an dem roten Kopftuch, das er über seine Glatze gebunden hatte. Der kleinere, drahtige Mann neben ihm schien einige Jahre älter und ging merkwürdig krumm, als hätte er einen Buckel. Während Alexander die beiden jüngeren Männern nacheinander kräftig an die Brust drückte und anerkennende Bemerkungen machte zu der Arbeit, die sie verrichtet hatten, verzog sein Kumpel keine Miene und blieb wortlos ein paar Schritte weiter hinten stehen, was jedoch niemanden kümmerte.

      Alexander war wie ein Pirat, der noch nie das Meer gesehen hatte. Als er Dreizehn Jahre alt gewesen war, hatte er nicht nur gelernt, wie man ein Auto fährt, sondern auch, wie man es auseinander schraubt; außerdem Fliegenfischen und dass die Frauen, wären sie aus Glas, immer noch undurchsichtig bleiben würden. Die Geschichten aus Weißrussland klangen Falk im Ohr, von früher, als er und Micha noch Kinder gewesen waren, und Alexander mit ihnen und Michails kleinem Bruder Roman abenteuerliche Touren unternommen hatte, in die Wälder rund um Jena.

      Michail hatte die blauen Augen seines Vaters geerbt, in dessen von Sonne und Wind gezeichneten Gesicht eine Augenklappe nicht unpassend ausgesehen hätte, und der stets eine spöttische Heiterkeit ausstrahlte, wie ein Narr bei einem königlichen Hof, der alle feinen Herrschaften längst betrunken, nackt oder in Tränen aufgelöst gesehen hatte und sich von keinem noch so vornehmen Gewand mehr täuschen ließ, weil er wusste, wie es darunter aussah.

      Die vier Männer gingen gemeinsam runter zu der Terrasse neben dem Haus. Micha langte in die Regentonne und fischte einige Flaschen Bier heraus. Währenddessen heizte Alexander einen kleinen runden Grill an.

      „Hast du inzwischen deinen Führerschein gemacht, Falk?“, fragte er in den aufsteigenden Rauch hinein. „Wir können immer mal jemanden gebrauchen, in der Werkstatt, Autos überführen und so.“

      „Keine Kohle.“, brummte Falk und war dankbar, dass Alexander das Thema nicht weiter vertiefte und ihm auch kein Geld für die Gartenarbeit anbot. Sein Kumpel - Alexander hatte ihn als Igor vorgestellt - setzte sich an den Tisch und begann, mehrere dicke Fleischscheiben mit Zwiebelringen und Knoblauchzehen zu belegen; danach begoss er sie mit Bier und würzte ausgiebig mit Salz und Pfeffer. Falk, der ihm gegenübersaß, beobachtete die Vorbereitungen und sagte schließlich, auf das eingelegte Fleisch deutend:

      „Sieht lecker aus.“

      Der andere blickte nicht auf, grunzte jedoch, was offenbar bedeutete, dass er den Kommentar zur Kenntnis genommen hatte. Alexander gesellte sich zu ihnen, während Micha nun am Grill stand und den Kohlen Luft zu fächelte.

      „Mein alter Freund Igor ist ein guter Koch, Falk.“, sagte Alexander. „Hast du bei der Armee gelernt, stimmt’s, Igor?!“

      Statt einer Antwort grunzte der Angesprochene wieder verächtlich und holte eine Tupperdose aus einer Tüte. Als er sie öffnete, entströmte ihr ein durchdringender Geruch nach Knoblauch. Micha schaltete sich ein:

      „Ah, Igor hat seinen Quark gemacht. Das Zeug ist weltklasse. Wie viel ist diesmal drin?“

      Igor hob eine Hand mit fünf ausgestreckten Fingern und Falk nahm an, dass es um die Menge der verwendeten Knoblauchzehen ging.

      Liebevoll betrachtete Alexander seinen Kumpanen. Dann sagte er, wieder zu Falk gewandt:

      „Die Armee, Falk, die kennt ihr jungen Leute ja gar nicht mehr. Igor war hier in Jena stationiert. Er hat damals schon sein Fleisch so eingelegt.“

      Igor nickte, ohne von seiner Tätigkeit aufzusehen. Falk überlegte, ob er wohl kein deutsch konnte. Aber offenbar verstand er ja alles, was sie sagten. Falk dachte daran, was sein Vater von der NVA erzählt hatte und von