Johanna Danneberg

Argots Schwert


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nicht, dass er sich vorhin außerdem für den Samstagnachmittag schon zum Fußball verabredet hatte. Aus alter Gewohnheit schob er hinterher:

      „Solange du nur dran denkst, das Schwert nicht zu erwähnen!“

      „Jaja. Hey, wie wär’s wenn wir das alles morgen in der Rose noch mal genau besprechen?“, schlug Caro vor.

      „In der Rose?“

      Falk, der bislang nur vage Vorstellungen von Caros üblicher Abendgestaltung gehabt, dabei aber irgendwie an dicke staubige historische Wälzer und Kerzenschein gedacht hatte, konnte sie sich nur schwer im Rosenkeller vorstellen, einem Studentenclub in der Johannisstraße, der bekannt war für sehr laute Musik, billiges Bier und einen klebrigen Kickertisch.

      „Das hab ich wohl noch gar nicht erzählt?“, sagte Caro. „Melanie, meine Freundin, die wir gestern getroffen haben, hat vorgeschlagen, mal wieder in die Rose zu gehen, morgen, am Freitag. Und sie hat gefragt, ob du nicht auch mitkommen willst.“

      „Klingt nicht übel.“, meinte Falk. „Ich könnte noch ein paar Leuten Bescheid sagen.“

      „Großartig! Wann treffen wir uns, und wo?

      „Immer mit der Ruhe. Lass uns morgen Abend noch mal telefonieren.“

      Sie verabschiedeten sich. Falk ging ins Nebenzimmer, schaltete den Fernseher ein und überlegte flüchtig, wieso Melanie ihn wohl dabei haben wollte.

      Tag 9, Freitag

      Am Freitagnachmittag hatte sich das Wetter wieder gebessert, es war ein strahlender Herbsttag, und noch mal richtig warm geworden. Nach der Arbeit radelte Falk nach Hause, riss sich das verschwitzte T-Shirt vom Körper, pfefferte seinen Rucksack in eine Ecke des Flurs und strebte zum Badezimmer. Erschrocken prallte er zurück, als er dort Robert vorfand, auf dem Klo sitzend und in eine der kostenlosen Werbezeitschriften, die samstags den Briefkasten verstopften, vertieft. Sein Freund sah auf.

      „Was stürmst du denn hier rein wie ein Trampeltier?“

      „Was sitzt du hier rum und scheißt mein Klo zu?“, fragte Falk zurück.

      „Dein Klo? Das ist auch meins!“

      „Ach ja? Hast dich schon so lange nicht mehr blicken lassen, dass ich ganz vergessen hatte, dass ich nen Mitbewohner hab! Warum zur Hölle gehst du eigentlich nicht mehr an dein Handy?“

      Falk verließ das Bad, während Robs hinter ihm herrief:

      „Hab’s im Harz verloren. Sag bloß, das klingelt immer noch? Der Accu müsste eigentlich langsam leer sein.“

      Robs hielt sich nicht lange in der Wohnung auf. Er verschwand in seinem Zimmer und stopfte ein paar frische Boxershorts in seinen Rucksack, während Falk im Türrahmen lehnte, zusah und fragte, wer denn die Glückliche sei, mit der er gerade anbändelte. Robs blieb einsilbig, faselte etwas von einer Mareen, einem Abend in ihrem Zimmer, wo sie sich super unterhalten hätten, und dass sie richtig nett sei, wenn man sie nur näher kennen lernen würde und außerdem ziemlich fordernd im Bett, weswegen er jetzt auch dringend wieder los müsse.

      Ob er noch mal etwas von Fanni gehört habe, wollte Falk wissen, doch Robs verneinte. Die wäre jetzt zu einem Auslandssemester nach Schweden aufgebrochen, sagte er. Oder war es Spanien? Falk fand, dass das ausgesprochen gute Neuigkeiten seien, und er erkundigte sich nicht unfreundlich, ob Robs zufällig etwas über den Verbleib einer Packung Käse und des Brots aus dem Kühlschrank wisse, doch Robs grinste nur und zuckte die Schultern. Stattdessen berichtete er dann aber, dass er mittlerweile bei dem Platzwart der sportwissenschaftlichen Fakultät angefragt habe, ob die Fußballplätze zu vermieten seien.

      „Ist wohl ansich kein Problem, die Veranstaltung muss allerdings einen nachwuchsfördernden Hintergrund haben, sprich, es muss ein Fußballturnier für Kinder bis 14 Jahre sein. Ansonsten geben sie die Plätze nicht her, auch nicht für Geld.“

      Sie diskutierten diese Option, allerdings nur kurz, denn dann musste Robs auch schon wieder los. Erst hinterher fiel Falk auf, dass er Robs weder von der Abendplanung – Rose heute Abend – erzählt hatte, noch von der toten Frau in dem alten Geisterhaus und davon, dass er den Lederbeutel mit dem Schwert und dem Brief immer noch nicht losgeworden war.

      Kopfschüttelnd ging er erneut ins Bad, um nun endlich unter die Dusche zu steigen, als er vom Fenster aus einen weinroten Fordkombi am Bürgersteig parken sah, und Michail, der gerade ausstieg. Mit dem Auto war Michail immer dann unterwegs, wenn sein Vater, dem es eigentlich gehörte, wieder einmal Hilfe in seiner Autowerkstatt gebraucht hatte. Micha trug ausgebeulte Jogginghosen und sein altes Sweatshirt mit dem dicken Logo.

      Michail sah hoch zu der Badezimmerluke, schien nicht überrascht, Falk dort zu entdecken, und rief zu ihm hinauf, ob er Lust habe, mit ihm bei seinem Vater im Garten ein paar Arbeiten zu erledigen. Falk überlegte nicht lange und sagte zu.

      Dann kann ich mir die Dusche auch gleich schenken, dachte er erfreut, während er sich ebenfalls ein paar alte Klamotten überzog, lärmend die Treppen runter lief und zu Michail ins Auto stieg.

       *

      Den Nachmittag verbrachten sie am südlichen Hang des Hausbergs, nur wenige Minuten Fahrtzeit entfernt von der Wohnung. Hier, mit einem weiten Blick über das Tal und die gegenüberliegenden Kalksteinhänge, den glitzernden Fluss und das dicht bebaute Stadtzentrum von Jena, besaß Michails Vater ein Grundstück inmitten einer Kleingartenkolonie, welche durch einen Mangel typischer Merkmale auffiel: weder verboten Schilder Unbefugten das Betreten, noch gab es Kieswege oder sauber auf Brusthöhe gestutzte Hecken; stattdessen einen ausgewaschenen Pfad, der von der Straße über zerbröselnde Stufen den Hang hinauf führte. Wilde Brombeerbüsche wucherten über Mauern und Zäune. Ein Gartenzwerg mit zersprungener Zipfelmütze lehnte an einer steinernen Toreinfassung und wirkte, als hätte er sich schon vor langer Zeit hierher verirrt; nicht ein Mensch war zu sehen, und zu hören nichts als Vogelgezwitscher und das Geraschel der Igel im Gebüsch.

      Da Michail den Schlüssel zum Garten vergessen hatte, waren er und Falk kurzerhand über das hohe schmiedeeiserne Tor geklettert. Dahinter führte ein schmaler schattiger Weg ein paar Meter weiter, bevor der Blick auf eine terrassenartige Fläche freigegeben wurde, wo ein kleines Holzhaus mit Ziegeldach stand.

      Das Dach hatte Michail mit seinem Vater im vergangenen Sommer gelegt. Spuren der Baustelle waren noch sichtbar: ein großer Haufen Sand, ein paar übrig gebliebene Ziegel, eine umgekippte Schubkarre. Neben dem Haus standen, auf der mit zersprungenen Steinplatten ausgelegten Terrasse, ein paar Stühle um einen runden Holztisch herum, durch einem zusammengezimmerten Baldachin, der über und über mit Weinranken überwuchert war, vor Regen geschützt. Vom Dach des Hauses führte eine Regenrinne über ein Fallrohr zu einer großen grünen Plastiktonne.

      Die Fensterläden des Hauses waren aus Holz und konnten im Winter verriegelt werden. Wenn wieder etwas Geld übrig sein würde, erzählte Michail, wollten sie einen Ofen einbauen. Das Feuerholz war schon da, sorgfältig geschichtet an der Hauswand. Daran vorbei führte der Weg nach hinten in den Garten.

      Die Wiese schwang sich sanft hinauf bis an den Waldrand. Auf einem ebenen Stück lag ein Gemüsebeet; die Furchen in der dunklen krümeligen Erde waren schnurgerade und in regelmäßigen Abständen schauten Kohlköpfe heraus; dahinter leuchteten dicke rote Tomaten an Stauden, die sich an gedrehten Stangen hochrankten. Das Gras auf der Wiese wuchs wadenhoch, in unregelmäßigen Abständen standen Apfelbäume, deren Rinde sich vom Stamm schuppte; die Äste hatten schon einen Teil ihrer verschrumpelten Blätter verloren und hingen bis zum Boden herunter unter der Last der Früchte.

      Michail ging voraus, den Hügel hoch, und Falk folgte ihm, wobei er im Vorbeigehen einen hellgrünen Kornapfel pflückte und hineinbiss. Ganz oben, in der hintersten Ecke des Gartens, schon im Schatten des Waldes, der die natürliche Grenze des Grundstückes bildete, stand ein Schuppen; auf der einen Seite waren drei Holzkästen für den Kompost aufgebaut worden, auf der anderen wuchsen schwarze Johannisbeeren.

      Michail holte den Schlüssel für das Vorhängeschloss am Schuppen unter