Johanna Danneberg

Argots Schwert


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sah Tobi hinterher, wie der in Richtung Ausgang eierte, den Tabak aus seinen Hosentaschen herauskramend – die fertig gedrehte Zigarette hinter seinem Ohr hatte er offenbar vergessen. Eines war Falk klar: auch wenn die Theorie nach versoffenem Seemannsgarn geklungen hatte - den Eindruck, als wäre er ein Dummkopf, hatte Tobi ganz und gar nicht gemacht.

       *

      Caro zog an ihrer Zigarette, als wäre diese ein Strohhalm in einem Eimer Sangria auf Mallorca. Falk, der zunächst eilig zur Toilette gegangen war, dabei das Gespräch hatte Revue passieren lassen, um dann in zunehmender Aufregung in den Innenhof hinaus zu treten, hatte Caro beim Brunnen vorgefunden, ebenfalls sichtlich aufgebracht.

      „Hast du das mitgekriegt?“, fragte sie, den Rauch ausblasend. „Beide Gläser Wein hab ich bezahlt! Er ist und bleibt ein Schmarotzer!“

      „Darüber machst du dir Gedanken?“, rief Falk. „Ganz ehrlich, wir haben andere Sorgen!“

      Caro tat ungerührt.

      „Was meinst du?“

      Falk wollte sie am liebsten packen und schütteln.

      „Diese Fehde, von der Tobi erzählt hat! Was, wenn da was dran ist? Was, wenn dort oben wirklich ein Mord geschehen ist?!“

      Als ihm auffiel, wie laut er sprach, trat er auf Caro zu und fuhr mit leiserer Stimme, aber wachsendem Ärger fort:

      „Und dann hast du uns auch noch total verdächtig gemacht, mit deiner ganzen Fragerei! Der glaubt dir das mit der Radiosendung doch keine Sekunde!“

      Er begann, hektisch auf- und abzulaufen. Eine Taube, die in der Nähe gepickt hatte, flatterte entrüstet auf. Caro hatte die Arme verschränkt und sah ihm mit hochgezogenen Augenbrauen zu.

      „Was ist, wenn Tobi mit seiner wirren Geschichte zur Polizei rennt?“, sagte Falk. „Und dann ganz nebenbei erwähnt, wie sehr wir beide uns für die Sache interessiert haben!“

      In Gedanken ging er bereits verschiedene Brücken über die Saale durch, wo er den Lederbeutel unauffällig würde verschwinden lassen können. Oder wäre es vielleicht sogar besser, ihn im Wald zu vergraben? Die Sache mit den Fingerabdrücken musste er natürlich bedenken – er hatte das Schwert, nachdem er neulich abgewischt hatte, schon mehrfach wieder angefasst. Und blieben eigentlich Fingerabdrücke auf Leder zurück?

      „Als erstes muss ich diese Fotos löschen.“, murmelte er, zog seine Digitalkamera hervor und drückte hektisch verschiedene Knöpfe, bis er den gefunden hatte, mit dem sämtliche Aufnahmen gelöscht wurde.

      Caro, die bisher nichts gesagt hatte, prustete plötzlich los.

      „Das ist nicht lustig!“, rief er wütend.

      „Falk, diese Geschichte mit der Fehde ist Humbug. Tobi hat sich da verrannt.“, sagte Caro, wieder ernst.

      Falk fand das nicht im Mindesten beruhigend.

      „Beweise. Das Schwert, der Brief, all das könnten Beweise sein, bei einem Verbrechen! Was für eine Riesenscheiße. Ich muss das Zeug irgendwie loswerden. Eigentlich müsste ich es zur Polizei schaffen. Verdammt, verdammt…“

      Wie von weit her hörte er Caros Stimme und es dauerte einen Moment, bis er sich wieder so weit konzentriert hatte, dass er ihr zuhören konnte.

      „…es ein Unfall gewesen ist. Das wurde doch zweifelsfrei festgestellt.“, sagte sie. „Es wurde eine Obduktion gemacht, die hat ergeben, dass sie sternhagelvoll war. Und dazu noch Medikamente genommen hatte – was waren das, Antidepressiva? Sie ist gestürzt, Falk. Da war kein Lobdeburger, der sie wegen einer Fehde geschubst hat.“

      Störrisch schüttelte Falk den Kopf.

      „Trotzdem, wenn Tobi zur Polizei geht, und von seiner Idee mit der Fehde erzählt, und dann von uns? Dann kommt trotzdem heraus, dass wir etwas mit der Toten zu tun haben könnten.“

      Tobi werde ganz sicherlich weder der Polizei, noch sonst jemandem von seiner Theorie erzählen, versicherte Caro. Dafür sei er viel zu eitel – was auch immer er zu dieser Fehde entdeckt hätte, er würde es in irgendeiner Weise veröffentlichen wollen, so dass er den Ruhm absahnen würde.

      Warum er ihnen dann so bereitwillig davon erzählt habe?, wollte Falk angriffslustig wissen.

      Um sich wichtig zu machen, meinte Caro. Und außerdem, das habe sich ja erst am Ende herausgestellt, wollte er über sie ebenfalls an Schmied Argot herankommen.

      „Dieser alte Goldschmied ahnt vermutlich nicht einmal, wie viele Menschen sich brennend für ihn interessieren…“, schloss sie.

      Caro sah kein bisschen reumütig aus, erkannte Falk. Dass er ihr vorgeworfen hatte, sie hätte ihn in Schwierigkeiten gebracht, schien sie noch nicht einmal wahrgenommen zu haben.

      „Diese ganze Sache mit Tobi war ein Riesenfehler, Fräulein Schubert!“, sagte er daher. und war überrascht über seinen scharfen Tonfall, denn den hatte er bei sich so noch nie gehört.

      Er zeigte jedenfalls Wirkung. Caro musterte ihn und schien zu erkennen, was er eigentlich damit sagen wollte: nämlich dass er es bereute, ihr überhaupt von dem Schwert und dem Brief erzählt zu haben. Sie blickte einen Moment im Innenhof umher, als sähe sie das alles zum ersten Mal. Der alte Mann aus der Cafeteria wankte vorbei. Caro holte tief Luft.

      „Ok, ok, ich gebe zu, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn wir Tobi da nicht mit hinein gezogen hätten. Es tut mir Leid, Falk. Ehrlich!“

      Die beiden sahen sich überrascht an und horchten ihren Worten hinterher, als hätte sie plötzlich in einer fremden Sprache geredet. Falk beschlich der Verdacht, dass Entschuldigungen nicht zu Caros Stärken zählten.

      Er wendete sich ab und ging los, in Richtung seines Fahrrads. Caro lief neben ihm her. Beide schwiegen. Von irgendwoher wehte ein Duft von frischen Brötchen heran und Falk merkte plötzlich, wie erschöpft und hungrig er war. Caro schnupperte, warf ihm einen Blick zu, nahm ihn am Arm, bevor er sein Rad abschließen konnte, und zog ihn über die Straße. Bei dem Bäcker gegenüber erstand sie für jeden von ihnen ein belegtes Brötchen und eine kalte Cola. An ein Geländer gelehnt aßen sie, und erst nach einer für ihre Verhältnisse ungewöhnlich langen Redepause nahm Caro, ihr halb aufgegessenes Brötchen noch in der Hand, den Faden wieder auf:

      „Du musst doch einfach noch mal überlegen: er ist von selbst auf die Fehde zu sprechen gekommen, und dass die etwas mit Maries Tod zu tun haben könnte. Ich glaube wirklich nicht, dass wir ein in irgendeiner Weise verdächtiges Interesse gezeigt haben. Erinnerst du dich? Wir waren eigentlich schon am Ende unseres Gesprächs angekommen.“

      Falk zuckte mit den Schultern. Er war mittlerweile zu der Einsicht gelangt, dass es keinen Sinn hatte, sich die Laune vermiesen zu lassen von Dingen, die er nun sowieso nicht mehr ändern konnte. Das Brötchen hatte sein Übriges dazu beigetragen. Er schob sich den letzten Bissen in den Mund und spülte mit Cola nach.

      „Na gut. Nehmen wir mal an, er nimmt uns tatsächlich ab, dass wir uns wegen der Radiosendung nach der Vergangenheit der Leuchtenburg und der Leuchtenburger erkundigt haben. Nehmen wir an, wir haben uns nicht verdächtig gemacht, und Tobi wird nicht zur Polizei gehen. Was bleibt, ist trotzdem die Möglichkeit, dass etwas dran ist an der Sache mit der Fehde. Überleg doch mal: mit Marie ist die Linie der Leuchtenburger nun erloschen. Wäre das nicht etwas, was ein Feind, also zum Beispiel ein Lobdeburger, sich wünschen würde? Denn damit wäre doch die Fehde, wenn es sie denn geben würde, ein für alle Mal beendet.“

      Falk fahndete in seinen Taschen nach einer Packung Kaugummi, steckte sich eins in den Mund und bot Caro die Packung an. Sie bediente sich und nickte ihm dankbar zu.

      „Es ist schwierig zu erklären...“, sagte sie.

      „Warum? Weil du keine richtige Historikerin bist?“

      Sie fuhr herum, als hätte er sie geohrfeigt, und wollte etwas sagen, doch Falk kam ihr zuvor:

      „Und was hat es eigentlich mit deiner Magisterarbeit auf sich? Und warum kommst