Johanna Danneberg

Argots Schwert


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während du abends vorm Fernseher deine sinnlosen Serien schaust, verdiene ich Kohle beim Online-Poker!“

      Sie lachten beide noch lauter, und Falk schaute sich Melanie noch mal genauer an. Sie trug ausgeleierte Cordhosen und ein T-Shirt von undefinierter Farbe, unter dem man durchtrainierte Arme erkennen konnte. Mit dem Pferdeschwanz und ihrem rauen Lachen konnte er sich Melanie gut in einer Bar hinter dem Tresen vorstellen. Stattdessen aber studierte sie Geschichte, arbeitete nebenher in irgendwelchen Historikerjobs, spielte Poker und jonglierte mit Pois. Und sie beharkte sich mit Caro genauso wie er und Robs, wenn sie in Hochform waren, was er bisher, wenn er sich recht erinnerte, noch nie bei zwei Frauen erlebt hatte. Er überlegte, wo er Melanies Dialekt einordnen sollte und tippte auf das nördliche Thüringen.

      Währenddessen hatte sie ein zerkratztes Handy hervorgezogen, kurz darauf herumgetippt und dann verkündet, dass sie los müsse, die Pois habe sie zwar nun verpasst, aber ihr Tangotanzpartner habe einen Spontan-Intensivkurs mit einer argentinischen Erasmus-Studentin organisiert, das dürfe sie sich nicht entgehen lassen.

      Falk und Caro einigten sich mit einem Blick, dass sie ebenfalls für heute Schluss machen würden. Wegen „der weiteren Planung für die Radiosendung“ würden sie dann noch mal telefonieren, deutete Caro an.

      Beim Hinausgehen hakte sich Melanie bei Caro unter und die beiden Frauen traten vor Falk hinaus auf den Marktplatz. Er kam nicht umhin zu bemerken, dass Melanie, ganz anders als die schlaksige Caro, ihre Hose mit einem ziemlich prallen Hintern ausfüllte.

       *

      Am nächsten Tag, Donnerstag, ging Falk direkt nach der Arbeit Fußball spielen. Erst als es zu dämmern begonnen hatte, radelte er erschöpft, mit einem blutigen Schienbein und einem verrenkten Daumen, langsam den Steinborn hoch. Gerade als er vor seiner Wohnung ankam, und, da alle Fenster der Dachwohnung dunkel waren, folgerte, dass Robs auch heute Abend nicht zu Hause war, klingelte sein Handy.

      „Fräulein Schubert!“, meldete er sich. „Hast mich wohl schon vermisst!“

      „Träum weiter!“, klang es nicht unfreundlich aus dem Hörer. „Was keuchst du denn so?“

      „Ist ne steile Straße hoch zu mir nach Hause.“

      Falk stieg die Treppe hoch und schloss die Wohnungstür auf, während er Caro am anderen Ende der Leitung nur mit halbem Ohr zuhörte. Nach einem kurzen Blick in Roberts Zimmer stellte er fest, dass sich an der dort herrschenden Unordnung nichts verändert hatte. Beim Öffnen des Kühlschranks jedoch, das Telefon immer noch am Ohr, bemerkte er, dass sowohl das Stück Käse als auch die restliche Wurst verschwunden waren. Stirnrunzelnd betrachtete er eine Plastikpackung im untersten Fach des Kühlschranks, die noch genau eine Scheibe angegraute Salami enthielt. Er würde morgen mal wieder ein Frühstücksbrot ohne Aufschnitt zur Arbeit mitnehmen müssen.

      „Hörst du mir überhaupt zu?!“, ertönte Caros spitze Stimme aus dem Telefon.

      Falk seufzte und setzte sich an den Küchentisch.

      „Nicht wirklich.“

      Sie schien ihm seine gedankliche Abwesenheit nicht weiter übel zu nehmen. Stattdessen begann sie, noch einmal von den Recherchen, die sie am heutigen Tag durchgeführt habe, zu erzählen. Zunächst einmal habe sie im Telefonbuch keinen einzigen ‚Mark’ von Lobdeburg gefunden, wohl aber den besagten Helmut. Sie habe dann versucht, einen Termin bei ihm zu bekommen, wieder mit dem Vorwand der Radiosendung über das Mittelalter. Eigentlich habe sie nicht damit gerechnet, erfolgreich zu sein, schließlich sei der Mann als Kandidat für ein politisches Amt sicherlich schwer beschäftigt. Und tatsächlich habe seine Sekretärin ihr abgesagt, die Begründung jedoch habe sie, Caro, dann doch überrascht. Helmut von Lobdeburg, sei ihr durch die Sekretärin mitgeteilt worden, wünsche keine weiteren Anfragen mehr, weder von der Presse, noch geschichtsversessenen Laien oder überehrgeizigen Doktoranden, die ihn bezüglich des Stammbaums seiner Familie oder irgendwelcher möglichen Verbindungen mit den Leuchtenburgern ausfragten! Er habe die Verstorbene Marie von Flotow nicht gekannt, und habe sich außerdem um aktuellere Dinge zu kümmern.

      „Versteht du?“, rief Caro. „Ich hatte gar nicht erwähnt, dass ich etwas zu der Leuchtenburgerin wissen wollte!“

      Falk begutachtete sein Bein. Micha hat ihm mit voller Wucht weggegrätscht, hinterher aber felsenfest behauptet, dass er den Ball und nicht Falk hatte treffen wollen.

      „Dein toller Tobi wird ihn heimgesucht und ausgefragt haben.“

      Caro gluckste vergnügt.

      „Genau das hab ich auch gedacht!“

      „Fantastisch.“, sagte Falk. „Wenn an der Fehde was dran ist, und Helmut von Lobdeburg irgendwas mit Maries Tod zu tun haben sollte, dann ist er jetzt auf jeden Fall gewarnt.“

      „Ich denke eher, dass er Tobi für genauso durchgeknallt hält wie ich.“

      Falk hörte das Geräusch eines klickendes Feuerzeugs am anderen Ende des Leitung.

      „Ich glaube auch nicht, dass Tobi sich vollkommen sicher ist. Sonst wäre er doch auch nicht so scharf darauf, zu erfahren, ob Argot etwas von der Fehde weiß.“

      Die Glühlampe, die von der Küchendecke hing, spendete gelbliches Licht. Falk war auf einmal sehr müde.

      „Es bleibt immer noch die Möglichkeit, dass ein Verbrechen geschehen ist. Und wenn Marie möglicherweise tatsächlich erpresst wurde, egal ob dieser ‚Mark’ nun mit Nachnamen von Lobdeburg hieß oder nicht, dann müssten wir dafür sorgen, dass das Schwert sofort zur Polizei kommt. Es wäre ein wichtiges Beweisstück.“

      Am anderen Ende der Leitung war es still. Dann sagte Caro trotzig:

      „Wir würden nicht so im Dunkeln tappen, wenn wir endlich den Brief lesen würden.“

      Falk seufzte.

      „Ich will ja selber auch weiter recherchieren….“, begann er, doch bevor er mit dem „…aber….“ weiter machen konnte, sagte Caro:

      „Falk, du darfst nicht vergessen: wir haben auch noch das Interview mit Meister Argot! Er oder seine Vorfahren haben das Schwert geschmiedet. Er oder seine Vorfahren hatten Kontakt zu der Familie der Leuchtenburger. Wer weiß, vielleicht kannte er die Tote ja sogar persönlich! Ich denke, dass wir dort einiges heraus bekommen könnten. Am besten kommst du wieder mit, wie bei Tobi. Und passt auf, dass ich mich nicht verplappere…“

      Falk überlegte einen Moment.

      „Und du fragst ihn nach der Fehde?“

      „Von mir aus frage ich ihn auch nach der Fehde.“

      „Immerhin würde dir Tobi ja dann auch sagen, was er im Archiv gefunden hat.“

      „Bist du verrückt? Das würde er niemals tun. Was auch immer Argot erzählt, ich werde den Teufel tun und davon irgendwas an Tobi weitergeben.“

      Falk musste grinsen.

      „Nicht schlecht, Fräulein Schubert.“

      „Mit seinem „Eine Hand wäscht die andere“ Geschwätz brauch er mir nicht kommen. Was er im Archiv gefunden hat, finde ich auch so heraus.“

      „Wann war das Interview noch mal?“, fragte Falk.

      „Lass mich sehen…“

      Es raschelte.

      „Noch dran? Also, am Samstagnachmittag um 16 Uhr. Ich soll zu ihm in den Laden kommen.“

      „Na gut, von mir aus.“, beschloss Falk. „Aber du wirst das alleine machen müssen.“

      „Was? Wieso denn das jetzt schon wieder?“

      „Ich war doch selber dort, an dem Tag, als wir uns getroffen haben. Ich denke, es könnte Meister Argot misstrauisch machen, wenn wir nun auf einmal zusammen bei ihm aufkreuzen.“

      „Der wird sich doch gar nicht an dich erinnern.“

      „Ich glaube schon. Ich hab mich ziemlich dämlich angestellt.