Johanna Danneberg

Argots Schwert


Скачать книгу

kein Erstsemestler war, und sich genau wie sie gerade von der Party abgesetzt hatte. Er hatte er ihr von seiner Arbeit beim Offenen Kanal Jena erzählt und ihr einige Tage später die Studioräume gezeigt. Daraus hatte sich ihre mittlerweile regelmäßige Sendung „Wie es euch gefällt“ entwickelt, in der sie einmal im Monat zu eine bestimmten Thema recherchierte, Interviews führte und dazwischen Musik einspielte. Es machte ihr mehr Spaß, als sie ursprünglich erwartet hatte. Gleich ihre erste Sendung über das Tierheim in Jena hatte ihr viel Lob von den Kollegen beim Offenen Kanal eingebracht. Es war sogar vorgeschlagen worden, das Material einzureichen beim diesjährigen Bürger-Medienpreis.

      Caro seufzte tief und trank ihren Kaffee mit einem Zug aus. Falk trat durch die Terrassentür zu ihr heraus, die Papiere aus dem Briefumschlag in der einen, und ein kleines Radio in der anderen Hand. Während er im Rauschen der Frequenzen einen Sender suchte, sagte er:

      „Diesen Trick mit der Kerze und dem Wasser, den hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

      „Ja, und das beste ist, mit dem Wasser hab ich dich heute Morgen endlich wach gekriegt.“, grinste Caro.

      Sie hatte Falk am gestrigen Abend, nachdem sie erst aus der Rose geflogen waren, dann eine Weile bei dem Dönerstand auf die anderen gewartet und schließlich festgestellt hatten, dass die wohl noch weiter feiern wollten, wieder einmal damit genervt, das sie doch endlich diesen Brief von Marie an Mark lesen müssten. Falk hatte wie immer abgelehnt, doch dann hatte sie sich an diesen einfachen Trick erinnert: wenn man einen Briefumschlag ein wenig anfeuchtete und danach über eine Wärmequelle hielt, konnte man den Kleber lösen, ohne den Umschlag zu zerreißen. Das hatte schließlich den Ausschlag gegeben.

      Ihn zu überreden, es sofort, noch in derselben Nacht zu tun, war jedoch nicht einfach gewesen. Erst als sie ein Taxi bestellt, sich hinein gesetzt und ihn gefragt hatte, ob er nun endlich käme, war er, sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt, endlich einverstanden gewesen, und das hatte sie nicht gewundert, denn der Taxifahrer hatte sie erst über die Brücke nach Jena Ost und dann durch ein düsteres Wohnviertel eine nicht enden wollende steile Straße hoch gefahren, und Caro war sich sicher gewesen, dass sie den Weg zu Fuß niemals hätte bewältigen können.

      Gegen vier Uhr morgens hatten sie dann, in Falks Zimmer am Schreibtisch sitzend, den Lederbeutel hervorgekramt, den Umschlag mit etwas Wasser aus der Schüssel benetzt, über der Kerzenflamme geschwenkt, vorsichtig geöffnet und mit großen Augen den Inhalt bestaunt.

      *

      Genau das taten sie jetzt, im Tageslicht auf der Terrasse, erneut.

      „Dir ist klar, was das bedeutet, Falk, oder?“, sagte Caro, und deutete auf den Grundriss. „Das ist eine Schatzkarte.“

      „Ja, na klar, und ich bin Indiana Jones.“

      „Komm schon, du weißt was ich meine: da ist irgendwas versteckt auf der Leuchtenburg, in dem markierten Zimmer. Das ist die einzige in Frage kommende Erklärung!“

      Caro überlegte schon, wie sie am schnellsten zur Burg gelangen könnten. Nach Kahla waren es etwa 20 Kilometer, wusste sie, und von dort ging es noch einmal den ganzen Leuchtenberg hinauf, vorbei am Dorf Seitenroda, bis schließlich auf dem Gipfel die Burg thronte.

      „Genau, die alte Marie hat da ihr Gebiss versteckt, mit ihren Goldkronen, und war dann aus irgendwelchen Gründen der Meinung, dass es ihrem Kumpel Mark zustehen würde.“, maulte Falk.

      Caro beachtete ihn nicht. Am besten würde sie gleich Melanie anrufen, um sich deren Auto zu leihen. Sie wollte schon aufspringen und ihr Handy holen, als ihr einfiel, dass Melanie ja gestern Abend abgesagt hatte und vermutlich nach Nordhausen zu ihren Eltern gefahren war.

      „Hast du eigentlich ein Auto?“, fragte sie Falk.

      „Hab keinen Führerschein.“, antwortete der, gähnte und fuhr sich durch die Haare, die nun, da sie langsam trockneten, struppig aussahen wie bei einem in die Jahre gekommenen Schäferhund. „Hast du mir überhaupt zugehört?“

      „Ja, schon, aber mal im Ernst, warum sollte Marie so ein Bohei um die ganze Sache machen, diesen Brief schreiben, die Karte dazu legen, das geheimnisvolle Zeichen, das Schwert! Überleg doch mal! Dort ist etwas versteckt, und ich denke, es ist wertvoll!“

      „Also ich weiß nicht. In dem Hauptgebäude des Burggeländes ist, soweit ich weiß, ein Museum. Es gibt Führungen für Schulklassen, und auch sonst sind ständig Besucher dort. Wenn da was versteckt ist, wäre das doch längst gefunden worden.“

      „Nicht, wenn man dafür das Schwert braucht.“, sagte Caro.

      Falk seufzte.

      „Na gut, dann erklär mir mal, wie ein Schwert ein Schlüssel sein soll für irgendwas?“

      „Das Zeichen,“, meinte Caro. „Nicht Argots ‚A’, sondern das andere, das, was wir nicht zuordnen können. Ich denke, man braucht das Zeichen, um den Schatz zu finden. Wahrscheinlich ist es die Markierung für das Versteck.“

      „Und was soll sie da versteckt haben?“

      „Keine Ahnung.“, sagte Caro ungeduldig. „Das ist doch grade das aufregende! Es könnte alles Mögliche sein. Ich könnte mir auch vorstellen, dass nicht Marie selber es war, die dort etwas versteckt hat, sondern dass sie lediglich davon wusste, und diesen Mark nun darauf hinweisen wollte. Sie war die letzte Nachkommin der Erbauer dieser Burg! Das Schwert ist ganz schön alt, höchstwahrscheinlich aus dem Hochmittelalter. Vielleicht stammt der Schatz ja auch noch von damals.“

      Caro begriff nicht, warum Falk so missmutig aussah. Das war doch eine Chance, wie sie sich einem nur einmal im Leben bot!

      „Es könnten wertvolle Handschriften sein, Bücher waren damals ein Vermögen wert. Oder Schmuck. Oder Münzen... So wie der Mahlschatz von Tautenburg, ich weiß nicht, ob du davon gehört hast, vor ein paar Jahren wurde dort in einer alten Scheune eine Blechdose mit Goldmünzen gefunden. Ein sogenannter Mahlschatz, weil die Goldmünzen als Kette aufgefädelt waren, die als bäuerlicher Brautschmuck, also zur Vermählung, verwendet wurde. Die älteste Münze stammte aus dem Jahr 1415, es war damit der älteste...“

      Falk unterbrach sie:

      „Mal angenommen, du hast Recht. Da ist tatsächlich etwas versteckt. Vielleicht ist es sogar wertvoll. Nennen wir es von mir aus sogar Schatz. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass derjenige, der einen solchen Schatz findet, diesen auch behalten darf. Dieser Mahlschatz, der verstaubt doch bestimmt auch in einem Museum, und hat dem Finder keinen Cent eingebracht.“

      „Die Münzen sind tatsächlich in einem Museum ausgestellt, im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt. Wir haben mal eine Exkursion dorthin unternommen, im ersten Semester. Ich glaube, der Schatz wurde von einem Bauarbeiter entdeckt, als die alte Scheune in Tautenburg abgerissen wurde. Und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, ob der Finder des Schatzes etwas dafür bekommen hat. Aber auf jeden Fall ist ein Museum ja wohl der richtige Ort, wenn es sich um eine Kostbarkeit aus dem Mittelalter handelt.“

      „Für dich vielleicht.“, sagte Falk. „Du willst wahrscheinlich, wenn wir da auf der Burg tatsächlich was finden sollten, irgendeine wissenschaftliche Abhandlung schreiben und jede Menge Ruhm und Ehre bei deinen Historikerheinis einheimsen. Was weiß ich, vielleicht willst du auch nur deinem tollen Tobi endlich beweisen, dass du auch was drauf hast. Ist ja alles schön und gut, das verstehe ich vollkommen. Aber mir bringt das rein gar nichts.“

      Caro dachte, dass er sie ziemlich gut durchschaute, dafür, dass sie sich noch nicht sehr lange kannten. Aber was der konnte, konnte sie auch.

      „Und du würdest den Schatz wahrscheinlich auf Ebay verhökern!“, schoss sie ins Blaue.

      „Warum denn nicht? Ich bekomme ja auch mein Geld nicht von meinem Papa in den Hintern geschoben.“

      Caro wollte etwas erwidern, aber ihr fiel nichts ein. Er hatte ja Recht. Falk hatte unterdessen begonnen, sich ein Brot mit Butter zu beschmieren. Beide hatten bisher noch keinen Bissen gegessen. Dann sah er abrupt auf, legte das Messer weg und stand auf.

      „Wir sollten