Axel P. Müller

Rachegold


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gewesen als bisher, deshalb könne ich ihm auch nur entsprechend weniger zahlen. Ich habe gejammert, der Markt sei eingebrochen und es würde von Jahr zu Jahr schwieriger die Sachen zu verkaufen. Ich habe dann ein bisschen geschauspielert, ich sei ein bettelarmer Mann, dem das Wasser bis zum Hals stehe und müsse die Lieferungen jahrelang vorfinanzieren, bis sie schließlich einen Weg zum Käufer fänden. Der hat zwar blöd geguckt, aber den verminderten Betrag letztlich doch akzeptiert. Als Jáchim Sobotka den Laden verlassen hatte, habe ich bestimmt eine halbe Stunde laut gelacht, ich bin nach einem geschäftlichen Treffen selten so fröhlich gewesen. Du musst Dir vorstellen, ich habe ihm zum Beispiel den Schmuck weit unter dem Börsenpreis für Gold abgenommen, die noch brauchbaren Steine habe ich gar nicht bewertet. Mit dem eingesparten Geld hatte ich endlich genügend zusammen, um mir meinen Ferrari zu kaufen, den ich auch gleich bestellt habe, weißt Du, den neuen Ferrari California-T. Der wird zwar erst in neun Monaten geliefert werden, aber ich freue mich schon darauf, das ist ein unheimlich geiles Gerät. Am nächsten Tag habe ich meine gewohnte Kasino-Tour gemacht, Bad Neuenahr, Aachen und Hohensieburg, um zu zocken, Du weißt, wegen Geldwäschegesetz und so, ich musste wieder ein paar Belege für meine Ausgaben haben. Auch da hatte ich etwas Glück, jedenfalls war es ein ertragreicher Tag gewesen.“

      „Aber, dass der Verkäufer das einfach so geschluckt hat, verstehe ich irgendwie nicht. Bei Deinem Angebot hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre auf der Stelle abgezogen, es gibt ja schließlich noch andere Interessenten. Auch Du hast neben mir noch eine Unzahl von Konkurrenten, obwohl die meisten davon keine Tschechen sind. Ich hätte das als langjähriger und ständiger Lieferant auf keinen Fall ohne weiteres geschluckt.“

      Peter ließ erneut sein schadenfrohes Lachen in voller Lautstärke ertönen und schlug sich auf seine abgewetzten Jeansoberschenkel. „Es war ein Heidenspaß, das Gesicht des Sobotka Junior zu sehen. Am nächsten Tag hat mich der Senior angerufen und wurde ziemlich unverschämt, der hat natürlich meine Finte sofort durchschaut. Dann hat er mir doch tatsächlich Rache angedroht, soll er mal kommen, ich habe keine Angst.

      Weißt Du, der hat sich so eine aristokratische Art angewöhnt, der redet jetzt auch so gestelzt. Es fehlt nur noch, dass er von sich selbst in der dritten Person spricht. Der bedroht Dich nicht direkt, sondern sagt dann höchstens, man solle vorsichtig sein, sonst werde man das eventuell bereuen.“

      Ludvik sah sein Gegenüber kritisch mit gerunzelter Stirn an und sagte mit gedämpfter Stimme, als dürften die anderen Barbesucher diese Worte und nur diese Worte nicht hören: „Ist der Kerl mächtig? Hat er überhaupt eine Möglichkeit, Dich anzugreifen? Solche Leute geben im Allgemeinen keine leeren Drohungen von sich.“

      Der Antiquitätenhändler lachte erneut, wenn auch nicht so ausgelassen wie vorher. „Ach was, Deine Sorge ist unbegründet. Meine zwei Freunde werden mich schon beschützen können.“

      Er deutete auf seine Ausbuchtung im weißen Jackett, die auf eine Handfeuerwaffe schließen ließ und auf den bulligen Glatzkopf, der in Eingangsnähe saß und unabhängig vom Geschlecht jeden mit Blicken prüfend verfolgte, der die elektrische Schiebetüre passierte.

      „Den Leibwächter buche ich stundenweise, wenn ich abends ausgehen und beschützt sein will, ich kann mir aber auch selbst gut helfen. Mein Problem ist nur, dass ich mir keine Schlägerei oder Ähnliches mehr erlauben darf, das könnte vor Gericht auf Grund meiner Vorstrafen in der Richtung fatale Folgen haben. Andererseits finde ich es toll, dass es jemanden wie Dich gibt, der sich Sorgen um mich macht. Das nenne ich wahre Freundschaft.“

      Bei diesen Worten schlug er seinem Nebenmann erneut lachend auf die Schulter, diesmal schwang etwas Anerkennung mit. Trotz dieser freundschaftlich gemeinten Geste war er im Geiste schon abwesend. Er hatte Augenkontakt zu einer Superoxyd Blondine aufgenommen, die in einem silbrig glitzernden Kleid mit übergeschlagenen Beinen und hoch gerutschtem Minirock vor einem fruchtigen Cocktail in einem blauen Kelchglas saß. Petr war völlig gleichgültig, ob die Damen käuflich waren oder nicht, solange sie bereit waren, ihm seine sexuellen Gelüste zu befriedigen, war ihm alles recht. Die silbrige Dame wandte sich zu Petrs Missfallen einem hereinkommenden Mann zu, der sie mit Mund-Kuss begrüßte. Bei Petr erlosch das Interesse schlagartig.

      Er hatte zwar eine feste Beziehung zu einer Frau, ansonsten betrachtete er aber alle weiblichen Wesen als Sexobjekte ohne tiefer gehende Gefühle seinerseits. In seinen Augen bestanden Frauen fast ausschließlich aus sexdienlichen Körperteilen und willig sollten sie sein, alles andere war zweitrangig. Die einzige feste Beziehung, die er regelmäßig aufsuchte, war ebenfalls eine Tschechin, Petra Pátková, sie nannte sich den mitteleuropäischen Zungen näherliegend schlicht Cindy. Zu der ging er immer dann, wenn er sich aus unerfindlichen Erwägungen abreagieren wollte, sei es sexuell oder auch aus Gründen von angestauter Aggression. Es sollte sogar vorgekommen sein, dass er sie besuchte, um mit ihr seine Hochstimmung zu teilen. Im Normalfall war er jedoch völlig frustriert, wenn er sie aufsuchte, um sich abzureagieren. Dann liebte er es, ihren nackten Hintern zu versohlen, bis ihre hinterwärtigen Backen farblich an einen Pavian erinnerten und sie nicht nur gerötet, sondern auch geschwollen waren. Ihm war völlig gleichgültig, ob sie dabei schrie, ob sie tagelang nicht sitzen konnte und auch, dass er sie hinterher doppelt oder dreifach entlohnen musste, um sie halbwegs zu besänftigen. Nach diesen gewalttätigen Ausbrüchen, fühlte er sich immer besser als vorher und war zu neuen Untaten bereit, wenn er Cindy alleine ließ.

      Bei einigen Besuchen, so wie bei dem letzten, beließ er es nicht bei einer Malträtierung ihres Hinterteils, sondern schlug sie auch ins Gesicht, es machte ihm eine ungeheure Freude, sie weinen, winseln oder um Einhalt betteln zu hören. Dann hatte er das gestillte Gefühl von Macht, Macht wenigstens über einen Menschen. Oft genug trug Cindy erhebliche Verletzungen davon, die er dann mit einem besonderen Geschenk auszugleichen versuchte. Beim letzten Treffen hatte er ihr einen Schlag versetzt, der sie rückwärts auf die spitze Kante eines Möbelstücks geschleudert hatte. In diesem Moment hatte er sogar etwas wie Mitleid empfunden und sie vorsichtig, fast liebevoll aufs Bett gelegt. Schlagartig war seine Wut auf die Welt und die Menschheit verflogen.

      Einmal hatte Cindy bei einer solchen Gewaltorgie vor Angst unter sich gepinkelt, was ihn derart sexuell erregt hatte, dass er sie auf der Stelle rektal vergewaltigte, ohne ihre Bitten um Schonung zu erhören oder sich durch ihre Tränen von seinem Tun abhalten zu lassen. Als Wiedergutmachung hatte er hinterher wieder ein besonders teures Geschenk machen müssen, damit sie wenigstens halbwegs versöhnt war und er sie auch weiterhin besuchen durfte.

      Auch wenn er Ludvik Grusa seinen Freund nannte, hatte er keine echten Freunde, dafür war er viel zu unsozial und rücksichtslos eingestellt. Unter Freundschaft verstand er, Vorteile durch einen anderen Menschen zu haben, wobei er dies als Einbahnstraße erachtete und sich schwertat, jemandem einen Gefallen ohne Gegenleistung zu tun. Sollten sie doch selbst sehen, wie sie klarkamen, ihm wurde auch nichts geschenkt, ihm war nie etwas in den Schoß gefallen. Oftmals war es ihm schon passiert, dass er einem „Freund“ oder auch „Feind“ seine Faust ohne größeren Anlass ins Gesicht gedonnert hatte und nachher mit einem beträchtlichen Betrag dessen Schweigen gegenüber den Ordnungshütern erkauft hatte.

      Zweimal war der Schweigegeldversuch bereits fehlgeschlagen und es war zu Anzeigen gegen ihn gekommen. Jetzt war er einschlägig vorbestraft. Bei der ersten Anzeige war er noch mit einer Bewährungsstrafe davongekommen und bei der zweiten Anzeige hatte er zu seinem Glück ausreichend Zeugen kaufen können, die aussagten, der Gegner habe den Streit begonnen und er habe nur aus Notwehr zugeschlagen. Da das Gericht gewisse Zweifel an den Zeugenaussagen nicht völlig ausräumen konnte, war er schließlich mit einer Niederschlagung des Verfahrens gegen eine beträchtliche Geldbuße mehr als glimpflich davongekommen. Seitdem versuchte er mit aller Kraft eine Selbstbeherrschung aufzubauen, damit es nicht bei Zwistigkeiten erneut zu einem Verfahren wegen der gleichen Anklage kommen konnte. Wenigstens hatte er es bisher geschafft, seinen metallenen Freund, die Handfeuerwaffe, nicht aus der Tasche zu ziehen und zu benutzen, wenn man einmal von gelegentlichen Drohgebärden absehen wollte.

      Nach seiner eigenen Einschätzung war er weder aggressiv noch jähzornig, lediglich leicht erregbar. Objektiv betrachtet war er wohl äußerst reizbar und konnte aus nichtigem Anlass völlig ausrasten. Vor nicht langer Zeit hatte er einen angetrunkenen Gast in einer Bar angegriffen, weil er ihn etwas seltsam mit glasigen Augen fixiert hatte. Seitdem hatte er in der Lokalität Hausverbot