Axel P. Müller

Rachegold


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heimisch geworden, aber essen würde er den Fisch noch nicht, dazu waren die Belastungen mit Schwermetall und anderen giftigen Stoffen im Uferschlick und im Sediment noch zu hoch. Er hatte über diese Gifte vor einiger Zeit in einem Umweltmagazin gelesen, vielleicht irrte er sich aber auch in diesem Punkt, und die Belastung des Flusses war gar nicht mehr so schlimm, er wusste nicht wie aktuell die gelesenen Analyseergebnisse waren. Keine Zeitangabe neben den Zahlen – typisch für seine Kollegen, den Journalisten. Unbestritten war aber die Tatsache, dass der vielbesungene Fluss seit den Neunzehnhundertsechziger Jahren, in denen der Schmutzgipfel erreicht worden war, immer sauberer geworden ist. Etliche seitdem installierte Kläranlagen hatten eine gute Arbeit geleistet.

      Kapitel 5

      Andreas setzte sich auf seinen winzigen Balkon, der gerade mal Platz bot für zwei Stühle und einen Miniaturtisch. Er beobachtete die Vögel in den hochgewachsenen Bäumen. Tiere gab es in dem Kölner Vorort Lindenthal durch die Nähe des Stadtwaldes noch jede Menge. Morgens freute er sich immer, wenn die Eichhörnchen auf der Suche nach Fressen durch die Nadelbäume huschten, er liebte diese possierlichen Baumartisten. Er öffnete eine Flasche Bier aus seinem spärlichen Vorrat, verzichtete auf ein Glas und sinnierte mal wieder über den bemerkenswerten Brief seiner Freundin. Er versuchte erneut, sie telefonisch zu erreichen, wieder ohne Erfolg. Er grübelte noch ein paar Minuten und gelangte dann zu der Überzeugung, dass sie zu intelligent war, um sich leichtfertig in Gefahr zu begeben. Für ihre Intelligenz sprach schon alleine die Tatsache, dass sie ihm als Rückendeckung Kopien der angeblichen Beweise zugespielt hatte. Das war in jedem Fall eine gute Lebensversicherung, zwar keine Überlebensgarantie, aber besser als keine Sicherung. Bei einer Erpressung, falls es sich um eine solche handeln sollte, würden die Beweisstücke als erstes gesucht werden und wenn der Erpresste sie nicht fand, würde er versuchen den Erpresser dazu zu bringen, ihm diese auszuhändigen. Solange er die Beweise nicht in Händen hielt, würde er dem Erpresser nicht nach dem Leben trachten. Zumindest nach der üblichen Theorie und nach seiner Hoffnung.

      Halbwegs beruhigt, wählte er die Handynummer Chantals. Sie war eine enge Freundin Yvonnes, auch sie war tschechischer Herkunft und hieß bürgerlich Zusana Tomalová. Sie hatte anders als Yvonne noch diesen unverkennbar slawischen Akzent und ihr Vokabular war nicht halb so reich, wie das ihrer Freundin, obwohl sie als kleines Kind im Schlepptau ihrer Eltern nach Deutschland übergesiedelt war und sie somit etliche Jahre länger Zeit hatte, gutes Deutsch zu erlernen. Andreas hatte sie ein paarmal anlässlich seiner Besuche bei Yvonne getroffen, beide wohnten im gleichen Haus. Sie entsprach überhaupt nicht seinem Frauentyp, schon alleine die extrem gebleichten Haare waren nicht sein Fall, außerdem war sie figürlich üppiger ausgestattet und das in jeder Beziehung. Er liebte nun mal schlanke Frauen und sie war eben etwas fülliger mit einem enormen Busen, allerdings nicht dick. Aber trotzdem war sie ihm nicht unsympathisch, denn was er besonders mochte, sie lachte gerne und oft, darüber hinaus war sie sehr charmant.

      Chantal meldete sich so prompt am Handy, als habe sie seinen Anruf erwartet. Sie erinnerte sich auch gleich an seinen Namen, wahrscheinlich hatte sie seine Nummer gespeichert, obwohl er sich nicht erinnern konnte, wann und ob sie bereits jemals miteinander telefoniert hatten. Nach seiner Überzeugung, steckte hinter dieser Indiskretion Yvonne. Nun ja, seine Adresse mit Telefonnummer war kein Geheimnis, es hat Zeiten gegeben, da hatte er seine Visitenkarten wie Konfetti unter den Leuten verteilt.

      Nach wenigen belanglosen Begrüßungsfloskeln berichtete ihr Andreas, dass er einen mysteriösen Brief von Yvonne erhalten hatte und dass er sie in Lebensgefahr vermute. Er habe seit Erhalt des Briefes mehrmals versucht, sie telefonisch zu erreichen, jedoch nur immer die Sprachbox erreicht.

      „Nun, Yvonne hat mir schon davon erzählt. Sie hat mir genau wie Dir einen Umschlag anvertraut, den ich erst öffnen soll, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Und in diesem Fall hat sie mir geraten, mich mit Dir in Verbindung zu setzen und über die nächsten Schritte zu beraten. Sie hat mir noch verraten, dass sie Dir die gleichen Unterlagen geschickt hat. Sie meinte dazu nur, sicher sei sicher, also mache ich mir keine Sorgen, sie weiß immer, was sie tut. Sie hat mir aber mündlich noch anvertraut, sie sei hinter eine geheimnisvolle Sache in Teplice gekommen. Das liegt im Erzgebirge, nördlich von Prag. Ich kenne keine Einzelheiten, aber sie hat gesagt, dort sei ein ominöser Familienklan ansässig, der etwas zu verbergen habe und sie wolle sich eine kleine Scheibe von deren Reichtum reservieren lassen. Ich glaube allerdings nicht, dass das wirklich nur eine kleine Scheibe ist, sie neigte schon immer zu Untertreibungen. Was die Telefonate betrifft, würde ich mir an Deiner Stelle keine Sorgen machen. Ich bin ziemlich sicher, dass sie sehr beschäftigt ist, wie wir alle zu Messezeiten.“

      „Wie ist sie denn überhaupt an diese Informationen gekommen? Solche vertraulichen Dinge stehen doch weder in der Zeitung noch an Litfaßsäulen oder im Internet. Ich hatte vermutet, sie hätte irgendwelche Sex-Fotos gemacht oder machen lassen, mit der sie dann einen Politiker oder Wirtschaftsboss erpressen wollte. Aber Deine Information lässt eher vermuten, dass sie eine kriminelle Bande erpressen will. Hoffentlich verbrennt sie sich dabei nicht die Finger.“

      „Ja, das kann man nur hoffen. Sie hat mir vertraulich mitgeteilt, ein Tscheche aus Teplice käme in regelmäßigen Abständen zu ihr, er sei sehr großzügig und habe ihr einige Details über den Ursprung des Familienvermögens verraten. Er hätte ihr sogar eine Heirat in Aussicht gestellt und sie mit den Vertraulichkeiten ködern wollen. Der Kerl hatte mal wieder zu viel getrunken und war deshalb auch unvorsichtig gewesen. Sie hat mir dann noch erzählt, dass er sehr betrunken war und deshalb auch nicht mehr in der Lage gewesen war, eine Erektion zu bekommen, obwohl er noch gar nicht so alt war, vielleicht um die vierzig Jahre oder ein bisschen älter.“

      Andreas pfiff durch die Zähne. „Daher weht also der Wind. Ich war also mit meiner Vermutung völlig auf dem Holzweg. Wieso erzählt so ein Kerl solche Vertraulichkeiten? Solche internen Informationen sind doch hoch brisant.“

      „Ich weiß auch nicht, was manche Männer so antreibt. Aber wir wissen ja alle, was passiert, wenn die Jungs mit uns zusammen sind, dann wollen sie protzen und lügen das Blaue vom Himmel herunter. Die benehmen sich dann wie balzende Vögel. Du hörst in unserem Job die unwahrscheinlichsten Dinge, manche versprechen Dir dann sogar, dass sie sich scheiden lassen wollen, weil ihre Ehe sie so einengt und auch nichts mehr im Bett läuft, sie wären dann bereit Dich zu heiraten, Geld wäre kein Problem. So oder ähnlich stelle ich mir Yvonnes Liebhaber vor. Jedenfalls soll die Familie aus Teplice so unvorstellbar reich sein, vergleichbar vielleicht mit einer Mafia-Familie oder einem Camorra-Klan in Italien. Angeblich sollen die über Geld überhaupt nicht nachdenken müssen. Deshalb hat sich wohl Yvonne ein Herz gefasst und den Namen der Familie ausfindig gemacht. Das soll sehr leicht gewesen sein, sie hat einen Ausweis und verschiedene Unterlagen in seiner Jacke gefunden, als er schlief. Dann hat sie am nächsten Tag einfach mal in Teplice angerufen und das Familienoberhaupt höflich gebeten, ihr ein bescheidenes Schweigegeld zu zahlen. Sie hat darin wohl kein Risiko gesehen, weil sie glaubte, ein paar Hunderttausend Euro wären für die Leute Kleingeld.“

      „Sie hat doch bestimmt mit einer Veröffentlichung von Einzelheiten gedroht. Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, dass der Klanchef auch nur einen kleinen Betrag lockermachen würde. Solche Leute achten normalerweise sehr auf ihr Portemonnaie, schon alleine um Bittsteller abzuwimmeln. Bittsteller oder Erpresser, ich glaube in deren Augen ist es das Gleiche.“

      „Sie hat mir gesagt, sie habe ein nettes Gespräch mit dem Patriarchen geführt. Er habe am Telefon sehr seriös und zugänglich geklungen. Ich weiß natürlich nicht, wieviel davon gekonnte Schauspielerei gewesen war und wieso er trotz der Bedrohung auch noch freundlich geklungen haben sollte. Jedenfalls ist Yvonne nach dem Gespräch sehr aufgekratzt gewesen und hat davon geträumt, nun werde sich vieles für sie zum Positiven ändern und sie müsse sich nicht mehr mit jedem dahergelaufenen Idioten abgeben müssen.“

      „Soll das bedeuten, sie will ihre bisherige Tätigkeit völlig aufgeben und nur noch von ihrem Schweigegeld leben?“

      „Nein, das glaube ich nicht, sie will sich wohl nur einschränken, selektiv arbeiten. Sie will sich nur noch mit den Kunden treffen, die sie sympathisch findet. Das wäre eine beneidenswerte Situation für uns, wer aus unserem Gewerbe möchte das nicht?“

      „Ist