Axel P. Müller

Rachegold


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etwas zu viel getrunken an dem besagten Abend. Wenn er versuchte, die Alkoholmenge des Tages zu summieren, kam er schon zu dem Schluss, dass seine Erektionen einem mittleren Wunder gleichgekommen waren. Vielleicht war es aber auch nur die perfekte Handwerkskunst der tschechischen Schönheit in Köln. Er begann langsam und stotternd sein Geständnis: „ich glaube, ich habe ihr ein bisschen von Deinem Haus erzählt und von der Geschichte Deines Vaters als Widerstandskämpfer.“

      Der Alte schüttelte verständnislos den Kopf, er verdrehte die Augen und ließ dann seinen Blick durch den Raum wandern. Er konnte jetzt nicht seinem Sohn in die Augen blicken, zu groß war sein Groll. „Und was ist mit der Geschichte des Gewölbes und dessen Inhalt, hast Du auch darüber etwas preisgegeben?“

      Sein Vater konnte deutlich bemerken, wie unwohl sich der Sohn in seiner Haut fühlte, der sich derart in die Enge getrieben fühlte, dass er nur noch wie ein verletztes Wildbret die Flucht nach vorne antreten konnte und das auf Gedeih und Verderb. „Das ist hier eine Atmosphäre wie bei einem Polizeiverhör. Was soll ich denn in Deinen Augen schlimmes getan, dass Du mich derart angreifst? Es ist doch wohl kein Verbrechen, mit einer wunderhübschen Frau ein bisschen zu knutschen. Das gehört nun mal zu meiner Natur und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Was hat Ludmila denn am Telefon gesagt, dass Du mich auf diese Art attackierst?“

      Sichtlich um Fassung bemüht strich der Patriarch die Schreibtischplatte glatt. Dann stand er auf, ging zur Bar und goss sich einen Fingerbreit Becherovka in sein Glas. Er blieb an der Bar stehen, als wolle er zu seinem Sohn den geistigen Abstand auch in das Räumliche übertragen. Diesen Abstand hatte er bereits seit geraumer Zeit auch gefühlsmäßig aufgebaut. Langsam und kaum hörbar fuhr er fort: „Ich habe Beweise, dass Du ihr mehr erzählt hast, als Du jetzt zugibst.“ Er trank einen kleinen Schluck. „Die Dame, wie Du sie nennst, erpresst uns oder versucht es jedenfalls. Sie kennt genügend Details über unser Geschäft und unser Vermögen, dass sie uns ruinieren könnte, wenn sie sich an die Presse oder die Polizei wendet, womit sie uns droht. Sie will eine Million Euro haben, damit sie nicht an die Öffentlichkeit tritt oder die Polizei einschaltet.“

      „Meinst Du, sie droht nur damit, oder glaubst Du, sie würde das wirklich tun? Ich kenne sie etwas besser, man kann sie bestimmt mit einem kleineren Betrag zufriedenstellen. Ich denke ein paar tausend Euro würden ihr auch reichen.“

      Sobotka Senior machte eine wegwerfende Handbewegung. „Und wenn nicht? Wenn sie alle paar Monate wieder mit weiteren Forderungen kommt? Willst Du die etwa hier als Partnerin haben? Und wenn Du, mein Sohn, weiterhin als Partner hier im Geschäft bleiben willst, gebe ich Dir einen guten Rat. Du hast die Suppe eingebrockt und jetzt kannst Du sie auch auslöffeln, und zwar sofort. Und noch etwas, ich will, dass Du über jeden Schritt, den Du planst, Milos informierst. Ich persönlich will nichts mehr davon wissen. Und denk dran, das ist nun wirklich Deine letzte Chance!“

      Er versuchte noch einen letzten Tropfen aus seinem Glas zu trinken, setzte es schwungvoll ab und ging für sein Alter erstaunlich kraftvoll hinaus. Die Tür fiel krachend ins Schloss. Er ließ einen eingeschüchterten Sohn ratlos zurück.

      Kapitel 4

      Andreas Falkenstein öffnete seinen Briefkasten, zu seiner Überraschung fand er keine Werbung, die er immer gleich ungelesen in den bereitstehenden Papierkorb warf, und keine Rechnungen vor, auch von den Redaktionen, für die er arbeitete gab es keine Mitteilung. Stattdessen lag dort ein wattierter DIN A 5 Briefumschlag ohne Absender. Das Couvert war mit Bläschenfolie gepolstert, die so schön knackte, wenn man sie wrang. Der Poststempel war in dem Halbdunkel des Treppenhauses nicht entzifferbar. Misstrauisch, wie er in solchen Fällen war, überlegte er gleich, ob er sich in jüngster Zeit neue Feinde geschaffen hatte, musste sich diese Frage aber bald selber negativ beantworten. Als Journalist schafft man sich laufend Feinde, man hatte den einen oder anderen nicht in dem gewünschten Licht leuchten lassen, was allerdings die Leute selten dazu veranlasste, ein Attentat mit einer Chemie- oder Biokeule auf den Schreiberling auszuüben. Er erwog kurz, ob es vielleicht sinnvoll sei, den Brief vor dem Öffnen von der Polizei überprüfen zu lassen, verwarf diesen Gedanken gleich wieder. Das würde einer zu großen Vorsicht entsprechen und er entschied, das Risiko in fatalistischer Manier in Kauf zu nehmen.

      In der Wohnung untersuchte er den Umschlag, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Der Brief war in Köln abgestempelt worden. War das ein gutes Zeichen? Er wusste es nicht, wahrscheinlich hatte das zunächst nichts zu bedeuten. Vorsichtig öffnete er den Umschlag mit einer Schere auf der Seitenmitte, mögliche Zünder waren allgemein am Ende angebracht, wo sich der Klebefalz befand. Ein weiterer Umschlag in Größe DIN A6 fiel auf den Tisch, er ertastete etwas Festes in Größe eines Einwegfeuerzeuges darin. Ein Brief lag bei, der genau wie der Umschlag in großen ungelenk mit Filzschreiber geschriebenen Blockbuchstaben aufgesetzt war:

      LIEBER ANDREAS,

      DU BIST EINER DER WENIGEN LEUTE, DENEN ICH VERTRAUE.

      BITTE ÖFFNE DAS BEILIEGENDE COUVERT ERST, WENN MIR IN DEN NÄCHSTEN TAGEN ODER WOCHEN ETWAS ZUSTOSSEN SOLLTE.

      WIE ICH DIR SCHON BERICHTET HABE, BIN ICH AUF EINE GOLDADER GESTOSSEN UND BRAUCHE EIN BISSCHEN SICHERHEIT, INDEM ICH DIE BEILIEGENDEN BEWEISE BEI DIR DEPONIERE.

      NACH MEINEM MÖGLICHEN „UNFALL“ KANNST DU DEN INHALT VERÖFFENTLICHEN UND EINE GUTE STORY DARAUS BASTELN. WENN DU ES FÜR BESSER ERACHTEST, KANNST DU DIE ANLAGE AUCH DER POLIZEI ÜBERGEBEN.

      ICH GEHE DAVON AUS, DASS WIR UNS WIE VERABREDET SEHEN WERDEN, DANN KANN ICH DIR DIE HINTERGRÜNDE FÜR DIESEN ETWAS SONDERBAREN BRIEF ERLÄUTERN. ÜBRIGENS, ICH HABE EINE KOPIE DER UNTERLAGEN AUCH ZUZANA ZUKOMMEN LASSEN (DIR BESSER BEKANNT ALS CHANTAL). SICHER IST SICHER.

      ICH FREUE MICH AUF UNSER TREFFEN

      DEINE LUDMILA HORÁKOVÁ

      ALIAS YVONNE

      Obwohl der Inhalt des Briefes nicht schwer zu verstehen war, las er ihn mehrmals. Was meinte Yvonne wohl mit „Goldader“? Meinte sie damit vielleicht das „Ähnliche wie die Erbschaft“, wie sie sich ausgedrückt hatte? Nachdenklich warf er seine Espressomaschine an und stellte fluchend fest, dass er vergessen hatte, Wasser nachzufüllen. Er wiederholte den Vorgang, diesmal mit Wasser, hatte allerdings keine Kapsel im Schacht, wie doof musste man eigentlich sein. Er wählte den Vorgang abermals, diesmal mit seiner präferierten kräftigen Sorte. Wenigstens war jetzt die Tasse vorgeheizt. Neidisch dachte er an die Fernsehwerbung mit George Clooney, dessen Kaffee war immer fertig.

      Was hatte diese Frau wohl zu verbergen? Sie hatte ihm angedeutet, dass sie eine Erbschaft der anderen Art zu erwarten habe. So, wie es jetzt allerdings aussah, schien sie einen illegalen oder zumindest gefährlichen Plan zu verfolgen. Wahrscheinlich bewegte sie sich am Rande der Legalität. Er widerstand der Versuchung, das sonderbare innere Couvert zu öffnen, obwohl er einige Minuten mit dem Gedanken gespielt hatte, es über Wasserdampf zu öffnen. Falls Yvonne nach Ausführung ihres Vorhabens den Brief zurückhaben wollte, könnte sie die Spuren des Öffnungsvorgangs bemerken. Seine Neugier war grenzenlos, er wollte sie aber erst nach dem Rendezvous mit ihr befriedigen.

      Den ganzen Tag kreisten seine Gedanken um den überraschend eingetroffenen Brief. Der kleine Umschlag enthielt nach seiner Einschätzung einen USB Stick, der irgendwelche Beweise enthalten musste. Er zählte drei und drei zusammen: Wenn dieser Umschlag, den er in den Händen hielt in Verbindung mit den elektronischen Informationen Beweise enthielt und sie in Folge einen größeren Geldbetrag erwartete, dann gab es aus seiner Sicht nur eine logische Schlussfolgerung, es musste sich höchstwahrscheinlich um Erpressung handeln. Aber wen wollte sie um viel Geld bringen und womit könnte sie das erreichen? Wenn sie einen hohen Betrag erwartete - es musste ein hoher Betrag sein - und sie ihre Beschäftigung erheblich reduzieren wollte, dann handelte es sich bei dem Erpressten garantiert um ein großes Kaliber. Je größter das Kaliber des Erpressten desto größer war auch die Gefahr für sie, dass ihr etwas zustoßen könnte. Er überlegte, ob sie vielleicht Fotos von einem Klienten in eindeutig diskriminierender Situation aufgenommen hatte oder hatte sie sogar von einem Dritten aufnehmen lassen? Konnte man so eine Intrige seiner Yvonne überhaupt zutrauen? Wohl eher nicht! Andererseits, vielleicht handelte es sich bei dem Subjekt um eine Person des öffentlichen Lebens, der Yvonne