hörte aufmerksam zu. „Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, Wolle wieder abzugeben. Er ist ein guter Wächter.“
„Ja sicher, obwohl er bestimmt nichts ausrichten kann gegen Zauber oder Magie. Aber er würde möglicherweise die Mädchen rechtzeitig auf eventuelle Gefahren aufmerksam machen.“
„Von Richard haben sie nichts gehört?“
„Leider nein.“ Die Direktorin wusste, wie dringend die alte Dame auf eine Nachricht von ihrem Enkel wartete. Bedrückt berichtete Madame von Faith Besuch.
„Werde ich ihn jemals wiedersehen? Er ist ein so liebenswerter Junge. Er liebt die Helligkeit und muss nun in dieser dunklen Welt leben.“ Ihr versagte beinahe die Stimme.
Und Frau Dr. Kirchheim – Zschiborsky fand keine Worte des Trostes.
Nachdem sie sich von Madame Agnes verabschiedet hatte, ging sie durch den kleinen Ort zurück zum Internat.
Seit die „Kinder“ wieder da waren, war ihre Welt einigermaßen in Ordnung. Und das sollte auch so bleiben, dachte die Direktorin der Eliteschule. Sie musste ihre Schüler unbedingt vor dieser erschreckenden Anderswelt schützen.
Auf dem kurzen Weg, der durch den Wald führte, beschleunigte sie unbewusst ihre Schritte. Es ging auf den Abend zu und die Dämmerung zeichnete ein ungewisses Licht. Fast wäre sie auf die Überreste eines frisch gerissenen Kaninchens getreten.
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Maia vermisst Richard
Maia spürte, dass etwas durch das Portal in die Felsenstadt eingetreten war. Sie spürte auch, dass keine Gefahr von diesem Eindringling ausging. Trotzdem konnte sie nicht wieder einschlafen. Die Nacht war fast vorbei.
Das Licht veränderte sich bereits. Ein heller Streifen blasser Bläue drang durch die hohe Fensteröffnung ihres Zimmers. Richard war nicht da, wo er ihrer Meinung nach sein sollte, nämlich in seinem Bett.
Sie hatte ihn gesehen, als er in der Nacht lauschend vor dem Saal der heimgekehrten Elfen stand. Seither war er verschwunden.
Sie hatte das leise Tapsen vor ihrer Tür gehört, das Schnüffeln vor Richards Räumen. Dann waren die Geräusche schwächer geworden, hatten sich entfernt. Murat. Es konnte nur Murat gewesen sein, der Richard suchte. Wenn einer ihn fand, dann der Wolf.
Maia blieb trotzdem unruhig. Irgendetwas stimmte nicht. Was hatte der Junge gehört?
Sie war überzeugt davon, dass sein Verschwinden mit dem zusammenhing, was er erlauscht hatte. Was hatten die beiden dunklen Gestalten besprochen, die sie auf der anderen Seite der Tür beobachtet hatte?
In einem der beiden Sprecher hatte sie Kastor, einen der engeren Vertrauten ihres Sohnes, erkannt.
Arrogant und überheblich.
Obwohl sie sich nicht gerne in den Hallen der immer schwarz gekleideten Männer aufhielt, musste sie diesen Abend dort verbringen, wenn sie etwas herausfinden wollte.
Nicht alle dunklen Elfen Leathans waren grob, unhöflich und derb. Aber es wurde viel getrunken. Bitteres Bier für die Männer und süßer Wein für die Frauen floss in Strömen. Der Umgangston war rüde, Prügeleien an der Tagesordnung.
Bevor sie den Schlafraum verließ, warf sie noch einen liebevollen Blick auf ihren Gefährten. Nathan schlief noch. Er war für sie ein verlässlicher Partner. Für Richard war er Vaterersatz, Freund und Lehrer in Einem. Sie wusste, sie konnte sich auf ihn verlassen. Nathan fürchtete Leathan nicht, dachte Maia lächelnd. Ganz im Gegenteil.
So manches Mal hatte sie den Eindruck gehabt, dass Leathan sich vor dem hünenhaften Lehrer seines Sohnes fürchtete. Sie dachte an die Szene, die sich im Hof der Burg oberhalb der Schattenwelt abgespielt hatte.
Nathan hatte Leathan, der außer sich vor Wut Richard geschlagen und sogar getreten hatte, festgehalten und Richard in ihre Obhut gegeben. Der Dunkelalb hatte sich nicht gegen diesen Übergriff gewehrt.
In Gedanken versunken schloss sie die Tür und wandte sich ihren täglichen Pflichten zu.
Maia war nicht naiv. Sie wusste, dass ihr Sohn mehr Magie besaß als die meisten Wesen der Anderswelt. Aber seine Selbstüberschätzung und sein hemmungsloser Jähzorn hinderten ihn daran, seine Macht richtig einzusetzen. Annabelle, seine Zwillingsschwester, war schlauer als er und disziplinierter. Wenn er es je schaffte sich zu zügeln, sich zu mäßigen und nachzudenken, bevor er handelte, oder sich mit Annabelle zu einigen …! Daran wollte Maia jetzt lieber nicht denken.
Sie hatte sich nicht gewundert, als Leathan nicht erschien. Er war immer lieber in der Burg oberhalb der Felsenstadt gewesen, die das Portal in die blaugetönte Welt bildete, in die er seinen Sohn jetzt verbannt hatte. Sie war erleichtert, dass er sich nicht blicken ließ. Hier würde er Richard nur weiter schikanieren oder ihn mit Nichtachtung strafen.
Die Reiter, die gestern Abend geschlagen zurückgekehrt waren, hatten den wahren Grund für sein Fernbleiben genannt. Leathan saß fest. Er konnte gar nicht kommen.
Belustigt dachte Maia, dass Annabelle ihrem Bruder immer voraus gewesen war. Sie ergriff die Gelegenheit, ihn zur Weißglut zu bringen, wann immer sie sich bot.
Zweifellos würde die grüne Muschel ihn entlassen. Seelenlos schluckte die Molluske, was sich ihr bot, um es irgendwann wieder von sich zu geben.
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Annabelles Wünsche
„Das Medaillon ist wunderschön. Die blauen Edelsteine sind geschliffen wie Sterne. Und sie liegen auf einem Netz von geflochtenen Gold und Platinfäden.“
So hatte Leathan diesen Schatz beschrieben. Selbst er geriet ins Schwärmen, als er Annabelle das verlorene Kleinod beschrieb.
Endlich hatte Leathan seiner Schwester erklärt, was es mit dem Zeichen der Macht auf sich hatte. Er hatte es ihr erklärt, weil er ihre Hilfe suchte.
Ohne diese Auskünfte, hatte Annabelle ihm versichert, würde sie keinen Finger für ihn rühren.
Nur gemeinsam könnten sie Magalie dieses Kleinod wieder abnehmen.
Das Medaillon, das vor Leathan die alte Herrscherin besessen hatte, war von unbeschreiblicher Schönheit und voller Magie. Nur ganz wenige Auserwählte konnten diese Schönheit überhaupt erkennen.
Um es zu bekommen, hatte Leathan den alten Sitz der Herrscher in der Lichten Welt mit seinen dunklen Reitern überfallen. Nachdem er gefunden hatte, was er suchte, hatte er die Festung in Flammen gesetzt.
Magalie war es zu verdanken, dass seine Horden im Blutrausch nicht noch mehr Unheil anrichten konnten. Aber auch sie hatte ihm weder das Medaillon abnehmen noch die Festung retten können. Er war entkommen.
Magalie hatte Annabelle und vielen der anderen Wesen, die in dieser furchtbaren Nacht arglos ein großes Fest feierten, das Leben gerettet.
Ja, dachte Annabelle, sie hatte recht daran getan Leathan vom Felsen in die geöffnete grüne Muschel zu stoßen. Sie wünschte sich, dass die Muschel ihn noch lange nicht entließe. In ihr war er auf den Grund des Neuen Meeres gesunken.
Sie glühte vor Gier, dieses Schmuckstück zu besitzen, obwohl sie dessen Schönheit nicht wahrnehmen konnte. Ebenso wenig wie Leathan würde auch sie die volle Kraft der Magie nutzen können, wenn sie es besäße. Das Medaillon würde sich auch ihr nicht öffnen. Aber das konnte Annabelle nicht wissen. Ihr Bruder hatte ihr nicht gestanden, dass dieser geheimnisvolle magische Gegenstand ihm den Gehorsam verweigert hatte.
„Edelsteine wie Sterne.“
Sie hörte noch immer seine Worte: „Und wenn diese kleine Hexe zurückgekehrt war, besaß Magalie jetzt diesen magischen Gegenstand.“
Ausgerechnet Magalie.
Faith hatte es tatsächlich geschafft, Leathan das Medaillon zu entwenden. Ganz wie die Prophezeiung es vorhergesagt hatte. Annabelle schrak aus ihren Gedanken.
Aufgeregt flatterten drei ihrer Lulabellen durch die hohen geöffneten Türen. Zarte