der glühenden Wut im Inneren war das eine andere Sache.
Richard erschrak, als er Oskars Namen hörte. Er wusste, dass Maia ihn und Lilly weggeschickt hatte. Aber Richard wusste nicht wohin.
„Ich hab mir das Froschgesicht geschnappt. Hatte keine Ahnung, dass in der Gegend überhaupt jemand lebt. Gewaltiger Zaun aus Eisen, da stand er davor. Scheinen Eulen dort zu leben. Saßen überall auf Mauern und Bäumen. Wo ein Zaun ist, ist meist auch was dahinter. Das sollten wir uns mal genauer ansehen. Keinen Schimmer, ob Leathan davon was weiß.“
Der Sprecher befand sich genau neben der Tür, hinter der Richard stand und lauschte.
„Und wo ist der Glitter jetzt?“
Also war von Oskar die Rede. Richard hielt den Atem an. Wo war der niedliche grüne Elf, der sich so oft in Magalies Nähe aufgehalten hatte?
„Ich hab ihn runtergebracht in den Keller. Da ist er erst mal sicher verwahrt. Morgen können wir ihn befragen. Er wird uns sicher ein bisschen was erzählen über die Gegend hinter dem Zaun, wenn wir ihn freundlich bitten. Ich brauch jetzt einen ordentlichen Schluck zu trinken.“
Die Ironie war nicht zu überhören. Richard ahnte, wie die „freundlichen Bitten“ aussehen würden.
Armer Oskar.
Er würde die Nacht zitternd und frierend, voller Angst alleine verbringen.
Die Schritte der beiden Männer entfernten sich.
Der Keller war ein schrecklicher feuchter Ort.
An mit grauen Flechten überzogenen Mauern lief unablässig Wasser herunter. Nirgendwo gab es eine trockene Stelle.
Weit unter der Felsenstadt war dieser Kerker gebaut worden, um Gefangene zu verhören und wenn es nötig schien, auch zu foltern. Die Zellen waren vergittert, aber kaum gesichert. Es gab nur wenige Aufseher, die hier unten Dienst taten. Sie kamen aus der Unterstadt und waren froh, überhaupt eine Arbeit gefunden zu haben. Letzten Endes waren sie jedoch genauso gefangen wie die Insassen selbst.
Hier unten zu arbeiten, war wie lebendig begraben zu sein.
Keinem der Gefangenen konnte es gelingen zu entfliehen, solange der Zauber der Hexen um die Kerker eine unsichtbare Mauer errichtete. Die schwarze Magie der Hexen war für die, die ihrer nicht mächtig waren unüberwindlich.
Richard lugte um die Ecke. Alle waren noch in der Halle versammelt. Er musste etwas tun.
So schnell er konnte, rannte er durch die nur mäßig erhellten Flure. Die Trolle hatten die Fackeln in die Halter an den Wänden gesteckt. Sie waren schon in ihren eigenen Unterkünften verschwunden. Jetzt hatten nur noch die Kobolde Dienst. Sie waren zuständig für die Bedienung der Elfen und Feen.
Richard suchte Maia.
Vielleicht konnte er sie oder Nathan dazu bewegen, Oskar zu helfen.
~~~~~
Streunender Wolf
Murat lief durch den Wald hinter der alten Villa. Er schnüffelte bis er fand, was er gesucht hatte.
Verführerischer Duft.
Eine Stunde später verließ er gesättigt die fremde Welt und tauchte wie ein grauer Schatten in seiner eigenen wieder auf.
Er hatte keine Mühe, jederzeit eine Öffnung in die jeweils andere Welt zu finden.
Sein Herr hatte ihn lange nicht gerufen. Er hasste Leathan und fürchtete ihn manchmal, aber er war durch einen Zauber an ihn gebunden.
Murat musste erscheinen, sobald er rief.
Seine Befehle jedoch legte das kluge Tier so aus, wie es ihm richtig erschien, ohne sich allzu weit vom Inhalt zu entfernen. Manchmal war seine Auslegung recht eigenwillig.
Den Befehl Robert zu bewachen, als Leathan ihn im Feental gefangen hielt, hatte er auf seine Weise ausgeführt.
Er hatte gespürt, dass dieser Mann irgendwie zu Richard gehörte. Er hatte ihn also nicht nur nicht an der Flucht gehindert, sondern ihn bei der Suche nach einem Fluchtweg wachsam begleitet, sogar geführt.
Das Mädchen hatte ihm eine Nachricht mitgegeben, die er Richard bringen musste. Er hatte es nicht eilig.
Murat sagte die Zeit nichts.
Einzig seine Treue und Dankbarkeit trieb ihn zu Richard. Er umging das Neue Meer und suchte den Weg durch dunkle Wälder, die Leathans Festung umgaben. Er patschte durch feuchte Mangrovenwälder und achtete darauf, den Reptilien, die dort lebten, nicht zu nahe zu kommen.
Jetzt lief der Wolf vorsichtig dicht an den Wänden der Stallungen entlang, die den Hof der Burg säumten. Er wollte nicht gesehen werden.
Sein Ziel war die kleine, kaum sichtbare von Efeu überwucherte Tür an der Rückseite des Kastells.
Das Holz war alt und so verrottet, dass eine Lücke entstanden war, durch die er sich zwängen konnte.
Er tappte über die steilen steinernen Stufen nach oben, dorthin wo Richards und Leathans Räume lagen. Die scharfen Krallen klickten leise auf dem harten Boden. Seine feine Nase fand weder Richard noch Leathan.
Bewegungslos stand das Tier in dem düsteren Gang, die gelben Augen schmal, starrte er in den leeren Raum vor ihm. Tief sog er alle Gerüche in sich hinein, bis er endlich weit entfernt Richard witterte.
Murat fand das Portal sofort, durch das er seinem Gefährten in die Schattenwelt folgen konnte.
Er nahm sogar Richards mit Zorn gemischte Angst wahr, nachdem Leathan ihn verbannt hatte, weil er Faith zur Flucht verholfen hatte. Er spürte den Jungen, als er die Felsenstadt erreichte. Der Geruch der Angst verstärkte sich.
Richard lief über grob behauene steile Stufen, die ihn in Spiralen immer weiter nach unten führten. Die Einsamkeit und Dunkelheit hier waren überwältigend. Aus angelehnten Türen verfolgten ihn leere Blicke.
Bleiche Gesichter.
Haut so fahl, wie sie nur sein konnte, wenn sie noch nie die Sonne gesehen hatte.
Aber Richard musste noch weiter in die Tiefe steigen.
Maia hatte er nicht gefunden.
Er lief über Eisenbrücken, welche die Wohntürme der Felsenstadt miteinander verbanden.
Eiserne Brücken, die Leidenschaft seines Vaters.
Der Lärm der wutentbrannten Ritter war längst nicht mehr zu hören. Was hier, in den unteren Gefilden stattfand, war weitaus beängstigender für ihn.
Die Elfen und Feen seines Vaters waren ihm vertraut. Auch die Hexen brauchte er nicht fürchten. Er war der Sohn des Fürsten und damit, so glaubte er, tabu.
Hier unten war es anders.
An diesem Ort mischten sich unvorstellbare Armut und Aggressivität und legten sich auf die Haut wie eine dicke Paste.
Misstrauische Blicke folgten ihm, maßen ihn und seine Kleidung. Die zerlumpten Gestalten, denen er begegnete, hatten nichts zu verlieren. Sie würden ihn bestehlen oder Schlimmeres mit ihm anstellen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen.
Richards blaue Augen wurden stählern und hielten die gierigen Blicke fest, die sich auf ihn richteten.
Er wandte eine Gabe an, von der nur Wenige wussten, dass er sie besaß.
Seine Umgebung nahm ihn nun so wahr, wie er es wollte. Sie sah das, was er wünschte, dass sie sah. Einen ärmlich gekleideten Jungen, der, wie sie selbst, nichts besaß außer seinem bisschen Leben.
Er kannte den Weg, wusste wohin er sich wenden musste.
Wann immer er sich aus Maias oder Nathans Obhut hatte stehlen können, war er in die Unterstadt gelaufen, die ihm so viel interessanter, wenn auch gefährlicher schien als seine Umgebung in den prachtvollen Räumen seines Vaters.
Diese Stadt aus grauem Stein war ihm sehr vertraut. Er kannte