Horst Buchwald

Griechenland – Merkels Alptraum


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Ihre Aufmerksamkeit auf den Punkt „Banken“ lenken. So gut wie jeder Staat der Eurozone war mit den nationalen Banken finanziell eng verbunden – vor allem, indem die Banken große Bestände an Staatsanleihen hielten. Beispiel Griechenland: Nach den Streßtests der European Banking Authority (EBA) besaßen die größten griechischen Geschäftsbanken Ende 2010 Staatsanleihen im Wert von über 54 Milliarden Euro (s. Tabelle oben).

      Diese Abhängigkeit von Staat und inländischen Banken enthält das Risiko eines Teufelskreises. Das folgende Szenario macht deutlich, was damit gemeint ist: Sobald eine oder mehrere Großbanken in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, wurden sie vom Staat gerettet. Weil das in der Regel ziemlich kostspielig ist, verschlechtert sich die finanzielle Situation des Staates. Daraufhin melden Ratingagenturen Zweifel an seiner Bonität an und stufen das Kreditrating herab. Folge: Die Risikoprämien auf Anleihen dieses Staates steigen an, was deren Wert vermindert. Folge: Dadurch sinkt auch der Wert der Staatsanleihen, die die Bank bzw. die Banken im Besitz haben. Folge: Der Staat ist zu einer weiteren Stützungsmaßnahme gezwungen. Folge: Der Teufelskreis beginnt von vorn. Es wird deutlich: Dies führt irgendwann zum Bankrott von Banken und Staat. Soweit das Modell.

      Zunächst muß man jedoch feststellen, daß in den Jahren vor der Finanzkrise die finanzielle Verflechtung von Staat und nationalen Banken kein Problem war. Die Banken galten – nicht zuletzt wegen der Annahme staatlicher Garantien – als sicher, und die Staatsfinanzen waren entweder „gesund“ oder wurden als „unproblematisch“ eingeordnet. Erst mit der Finanzkrise änderte sich alles. Sie deckte die Risiken, Versäumnisse und Fehler dieser Konstellation schonungslos auf. In so gut wie jedem Euroland mußte der Staat Banken mit staatlichen Mitteln vor der Zahlungsunfähigkeit retten. Für die meisten verschlechterte sich die finanzielle Lage. Und schon erfaßte der oben beschriebene Teufelskreis die Eurozone.

      Hauptursachen waren jedoch erstens: die hohe Verschuldung der Banken, zweitens: deren viel zu geringe Eigenkapiteldecke im Verhältnis zu den risikobehafteten Staatsanleihen, die sie kauften, weil sie mit den hohen Renditen hohe Gewinne scheffelten sowie drittens: das sogenannte Too-big-to-fail-Problem (TBTF). Weil die Banken als Kreditgeber für Unternehmen und Privatpersonen eine wichtige Funktion für die gesamte Volkswirtschaft haben (sie sind also systemrelevant), bringen eine oder mehrere Bankenpleiten das Finanzsystem und damit letztlich die Volkswirtschaft zu Fall. Also ist der Staat gezwungen, die Banken zu retten.

      Was Sie dieser Tabelle nicht entnehmen können, ist die Tatsache, daß nicht nur griechische Banken griechische Staatsanleihen gekauft haben, sondern auch europäische und außereuropäische. Folglich schlagen sich direkte Verluste durch Wertänderungen dieser Anleihen nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen Banken nieder. Und schon haben wir einen Dominoeffekt. Er ist der Ausgangspunkt für eine globale Krise.

      Gab es im Fall Griechenland diese Gefahr? Ende des 2. Quartals 2011 sah das nach einer Analyse der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) so aus: Französische Banken hatten gegenüber dem griechischen Staat Forderungen von rund 10,5 Milliarden US-Dollar, bei den deutschen Banken standen 12,5 Milliarden US-Dollar in den Büchern. Außer diesen Forderungen gab es auch noch finanzielle Verknüpfungen zwischen den Banken in Form von Beteiligungen. Die schon damals schwer angeschlagene Emporiki (die fünftgrößte Bank Griechenlands) mit Ausleihungen von 22 Milliarden Euro war fast zu 100 Prozent im Besitz der französischen Credit Agricole (CA). Daher war die CA, welche Tier-1-Eigenkapital in Höhe von 60 Milliarden Euro (Juni 2011) besaß, gegenüber Griechenland stark exponiert, auch wenn sie nur rund 650 Millionen Euro an griechischen Staatsanleihen hielt.

Tabelle 4 Wert der von ausländischen Banken gehaltenen griechische Staatsanleihen in Milliarden Dollar 2010
BankenWert Anfang 2010Wert Ende 2010
Amerikanische Banken5,41,5
Italienische Banken3,32,3
Britische Banken3,63,4
Banken aus dem restlichen Euroraum22,97,7
Französische Banken2715
Deutsche Banken23,122,7

      Quelle:

       http://de.statista.com/statistik/daten/studie/189878/umfrage/wert-der-von-auslaendischen-banken-gehaltenen-griechischen-staatsanleihen/

      Ein weiterer kritischer Punkt ergibt sich aus den Zahlungsverpflichtungen Griechenlands für die nächsten Jahre. Aus der folgenden Tabelle können Sie die Fakten entnehmen:

Tabelle 5 Zeitpunkt der Fälligkeit griechischer Staatsanleihen von 2010 bis 2020 (in Milliarden Euro)
JahrFälliger Betrag in Milliarden Euro
201015,8
201131,3
201231,7
201324,9
201431,6
201521,1
201615,1
201722,1
20189,8
201924,7
20205,3

      Quelle: Bloomberg

      Wenn wir uns nun in die Lage eines Investors oder eines beliebigen Analysten einer Ratingagentur versetzen und fragen, welche Berechnungen er Anfang 2010 anstellen würde, um die Schuldentragfähigkeit und damit die Bonität Griechenlands beurteilen zu können – mit welchem Ergebnis hätte man rechnen müssen?

      Er würde sich zunächst die Entwicklung der Staatsverschuldung vornehmen (Tabelle 1) und dabei eine rasche Zunahme seit Beginn der Finanzkrise in den USA feststellen. Nehmen wir an, bis 2015 würde die Quote auf 150 Prozent vom BIP ansteigen (Anmerkung: Das ist eine sehr moderate Steigerung!), dann wäre es sicher nicht vermessen, davon auszugehen, daß die Renditeaufschläge im Schnitt bei 6 Prozent liegen werden. Daraus ergibt sich ein Zinsendienst von 9 Prozent vom BIP (6x1,5), der aus dem Steueraufkommen beglichen werden muß. Damit eröffnet sich ein gewaltiges Problem, denn die Steuerquote lag in Griechenland bei 20 Prozent.

      Okay, die Griechen könnten die Steuern ja erhöhen. Einfacher gesagt als getan. Denn allein um den Anstieg der Verschuldung von 100 auf 150 Prozent bei 6 Prozent bedienen zu können, müßte die Quote um mindestens 3 Prozent angehoben werden. Für die griechische Bevölkerung hätte das eine über viele Jahre erhebliche steuerliche Belastung bedeutet. Und dabei wäre nichts gewonnen, denn es werden ja lediglich die Zinsen für Altschulden gezahlt. Sofern die Verschuldung höher ausfällt, müßte die Belastung erneut gesteigert werden. Somit zeichnet sich ab, daß jede künftige Regierung in Athen mit erheblichen und zunehmenden Widerständen der Bevölkerung rechnen muß. Denn mit dem Zinsendienst und den Steuererhöhungen ist eine zunehmende Verarmung verbunden. Zugleich gelingt es dem Staat nicht, das Verschuldungsproblem loszuwerden.

      Anfang 2010 stand also fest: Die Griechen waren pleite und konnten sich aus eigener Kraft nicht mehr entschulden. Das hat normalerweise zwei Folgen: Die Griechen setzen auf eine Umschuldung oder gehen in die Insolvenz. Aber das hat weitreichende Folgen für jene, die am stärksten betroffen sind. Und wen trifft es? Natürlich die Banken und private Investoren. Für sie wären Insolvenz oder Umschuldung/Entschuldung ein Desaster. Sie hatten sich mit griechischen Staatsanleihen vollgesogen und darauf spekuliert, daß die Statements der Ratingagenturen die Renditen weiter steigen lassen und sie weiterhin richtig Kasse machen konnten. Damit wäre es im Falle einer Insolvenz oder Umschuldung vorbei. Insolvenz bedeutet in der Regel: Sie verlieren so gut wie alles und bei einer Umschuldung müssen sie den Wert ihrer Anleihen abschreiben und in der Regel Verluste von 50 Prozent und mehr hinnehmen. Weil die Eigenkapiteldecke fast aller Banken damals zu dünn war, hätten zahlreiche europäische Banken um ihr Überleben fürchten müssen. Also setzte die mächtige Bankenlobby alles daran, dass nicht sie es sind, die die Folgen einer Pleite Griechenlands tragen müssen. Eine führende Rolle übernahm dabei die Deutsche Bank (s. unten).

      Welche Strategie wählten die Banken? Wie schon in der US-Finanzkrise waren die Ratingagenturen ihre wichtigsten Partner. Ihr gemeinsames