Dominik Michalke

Arym Var


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Nexus war die Sonne des Arym Var-Systems und stellte das Zentrum dar. Positionsangaben erfolgten durch Angabe von dreidimensionalen Koordinaten, wobei der Nexus der Nullpunkt des Koordinatensystems war. Die Marx befand sich am nexusnäheren Rand des Aaron-Schwarms und konnte nicht weiter in das dichte Asteroidenfeld eindringen.

      Murdoc antwortete nicht auf die Nachricht sondern führte im Laufen mehrere Topografiescans durch, um sich den bestmöglichen Weg an die Oberfläche zu suchen. Zuerst dachte er, dass es überhaupt keinen Weg gab. Doch dann entdeckte er einen kleinen Durchgang, nicht größer als einen Meter, der über mehrere längliche Tunnelwege zu erreichen war. Die Wege gingen steil bergauf.

      Das Alarmsignal des Anzugs ertönte. Die Sieben-Prozent-Grenze war soeben unterschritten worden. Murdoc hatte nicht mehr viel Zeit. Doch die brauchte er auch gar nicht, denn er wollte sofort weg von hier und von dem Zodiac.

      Murdoc erreichte den ersten länglichen Tunnelabschnitt und hastete hindurch so schnell er konnte. Während er lief, sah er gedanklich immer und immer wieder den Moment, in dem das Zodiac mit einem einzigen Dolchhieb den Helm von Giebels’ Cheops Mark IV zerschmettert hatte. Die Szene schien sich in seinem Kopf zu wiederholen wie ein Endlosvideo.

      Murdoc merkte, dass er absolut nichts verspürte außer dem enormen Drang, diesem dunklen Ort zu entfliehen. Er verspürte nicht einmal Trauer um Giebels oder seine anderen Teamkollegen, wenn er es versuchte. Er schien alles komplett verdrängt zu haben und hatte nur sein eines Ziel vor Augen: am Leben zu bleiben.

      Der Sonarstoß den er auslöste hatte wegen der geringen Anzugenergie mittlerweile eine so geringe Reichweite, dass er sich weitere Stöße genauso gut sparen konnte, dachte Murdoc. Doch er machte trotzdem einen weiteren.

      Sein Instinkt hatte sich gelohnt, denn er sah am Vis ein menschenähnliches Objekt mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sich zurasen. Voller Entsetzen stellte er fest, dass sich das Objekt in einer Position bewegte, die sich mitten im massiven Felsgestein des Asteroiden hätte befinden müssen. Wie war so etwas möglich?

      Murdoc hatte das Gefühl, dass er sich direkt in der Höhle des Löwen befand und dieser hatte ihn entdeckt. Wer immer ihn und sein Team in diese Situation gebracht hatte, wer immer ihnen die Anwesenheit des Zodiacs verschwiegen hatte, er verfluchte diese Person.

      Als er sich mit gezückter Talusklinge in die Richtung drehte, aus der das Objekt auf ihn zuraste, schien dieses völlig ohne Geschwindigkeitsverlust ebenfalls die Richtung zu verändern.

      Es kann mich auch klar und deutlich sehen, dachte sich Murdoc verbissen.

      Der rote Punkt auf seinem Vis bewegte sich außerhalb der Reichweite. Weitere Sonarstöße zeigten nichts mehr in der Umgebung.

      Murdoc keuchte und setzte sich wieder in Bewegung in Richtung der Oberfläche. Das regelmäßig erklingende Warnsignal seines Cheops Panzers ignorierte er mittlerweile und nahm es nur noch als fernes periodisches Summen wahr.

      Er kam durch einen schmalen Durchgang, der um neunzig Grad nach rechts führte und in einen weiteren länglichen Tunnel führte, der noch steiler bergauf ging als der vorherige.

      Am Ende des Tunnels stand das Zodiac wie eine schwarze Mumie.

      Murdoc stockte. Er wusste, dass das Zodiac ihm den einzigen Weg versperrte, den es zur Oberfläche gab. Gleichzeitig hatte er nur noch wenige Erdminuten, bis seine Anzugenergie aufgebraucht sein würde.

      Wie eingefroren stand er da und fixierte seinen Blick auf das regungslose Zodiac. Die Situation bot ihm keine andere Möglichkeit.

      Er fasste allen Mut zusammen und rannte laut brüllend mit erhobener Talusklinge auf die schwarze Mumie am Ende des Tunnels zu.

      Als Murdoc etwa zehn Meter von ihr entfernt war, schimmerte die Gestalt in einem pulsierenden Grün auf und verschwand im Boden des Tunnels.

      Murdoc, erschrocken und erleichtert zugleich, zögerte nicht und rannte weiter durch einen Durchgang in den nächsten Tunnel. Dieser war etwa dreimal so lang wie der vorherige und endete an einer knapp einen Meter breiten Öffnung nach schräg oben, durch die man die Sterne des Weltraums scheinen sah.

      Ich habe es fast geschafft! Ich bin fast bei der Oberfläche des Asteroiden!, schoss es Murdoc durch den Kopf. Doch er wusste insgeheim, dass es noch nicht vorbei war. Das Zodiac würde ihn nicht laufen lassen. Es wollte ihn täuschen. Hatte es sich fort teleportiert? Eine Teleportationsoption nur durch einen Anzug betrieben? Kein Anzug dieser Welt konnte die Energie aufbringen, einen Teleportationsvorgang durchzuführen, selbst wenn diese nur drei Meter betrug. Außerdem würde das immer noch nicht erklären, wie sich das Zodiac durch die Asteroidenwände bewegen konnte.

      Murdoc rannte mit gezückter Talusklinge dem Durchgang zur Oberfläche entgegen.

      Es war wohl erneut sein Instinkt, der ihn frühzeitig registrieren ließ, dass das Zodiac direkt hinter ihm völlig lautlos in grünlichem Licht aus dem Boden schoss.

      Murdoc drehte sich um seine Achse und vollführte ohne zu zögern einen kraftvollen seitlichen Hieb, mit dem er das Wesen zu überrumpeln glaubte. Als die Talusklinge auf den Oberkörper des Zodiacs eintraf, strahlte ein grünlich pulsierendes Licht von dessen Körper auf. Die Talusklinge schien geradewegs ohne jeglichen Widerstand durch das Zodiac hindurch zu gleiten. Der eben noch geringe Funken von Triumph vor Murdocs Schlag wich einem Gefühl von Fassungslosigkeit. Nicht Teleportation, Phasenveränderung, schoss es ihm durch den Kopf. Das Zodiac musste eine enorm hoch entwickelte Technologie besitzen, etwas Derartiges vollführen zu können. Murdoc verstand jetzt, warum noch nie ein Soldat ein Zodiac getötet hatte.

      Das Licht der Pulslampe auf seinem Helm fiel in das Gesicht des Wesens. Stechende kleine, silberne Pupillen schienen ihn durch längliche schwarze Schlitzaugen aufzuspießen. Anstatt eines Helms trug das Wesen eine Art Maske, die vor dem Ort, an dem sich der Mund befinden sollte, mehrere horizontale Schlitze aufwies. Der Kopf war so groß wie der eines Menschen, doch anstelle von Haaren befand sich eine chromfarbige Schicht auf dem Schädel, der das grünlich pulsierende Licht und das von Murdocs Lampe widerspiegelte.

      Murdoc hatte in der Sekunde keine Angst, in der alles passierte. Er schien mehr fasziniert zu sein von dem Wesen, das Giebels und seine anderen Teamkollegen getötet hatte. Es waren die Augen des Zodiacs, die Murdoc aus seiner Faszination rissen. Als hätten sie während seinem Schlag mit der Talusklinge noch einen Ausdruck von Belustigung widergespiegelt, so schienen sie sich zu verziehen und nun lediglich Zorn auszudrücken.

      Murdoc war intelligent genug zu wissen, dass er es mit einem Gegner zu tun hatte, gegen den er keine Chance hatte.

      Wie durch eine Eingebung aktivierte er sein Vis und steuerte per Gedanke seine Gravitationsstiefel an, die Gravitation umzukehren und kurz um das Fünffache zu verstärken, während er sich schräg nach hinten fallen ließ. Die Wirkung dieser Einstellung zeigte sich dadurch, dass Murdoc um etwa dreißig Meter schräg nach hinten und somit direkt den Tunnel hinauf katapultiert wurde. Im Moment des Abstoßens sah er fast beiläufig die Klinge des Zodiacs, die wie eine riesige Nadel in einer unglaublich schnellen Geschwindigkeit nach vorne ins Leere fuhr, wo Murdoc gerade noch gestanden hatte.

      Dann schien das Zodiac am ganzen Körper zu beben und setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.

      Die Aktion hatte drei der restlichen sechs Prozent von Murdocs Anzugenergie verbraucht. Doch er war dem Durchgang zur Oberfläche auch ein gutes Stück näher gekommen. Den Rest musste er laufen. Vor dem Landen invertierte er erneut die Gravitation seiner Stiefel und setzte schließlich stolpernd auf, um gleich darauf seinen Weg fortzusetzen so schnell er konnte.

      Mochte Gott ihn den Durchgang erreichen lassen, bevor das Zodiac ihn erwischte, dachte Murdoc.

      Auf der Olympfregatte Marx saß Dr. Reynold Adelfing mit verzerrtem Gesicht vor fünf großen Plasmamonitoren und wischte sich die Schweißtropfen mit einem Tuch von seiner Glatze. Ihn interessierte lediglich einer dieser Monitore. Der direkt vor ihm zeigte die Analysewerte, die der Zentral-Scanner der Marx vom letzten Überlebenden des Spezialteams A144 unter der ehemaligen Leitung von Sergeant Foster lieferte. Neben den vitalen Anzeigen der Person und dem Status des Cheops Mark IV, der Adelfing