Dominik Michalke

Arym Var


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die Talusklinge in das rechte Auge des Wächters. Die Kreatur zuckte und vollführte mehrere unkoordinierte Hiebe mit seinen vorderen Spinnenbeinen. Diese Zeit nutzte Murdoc aus, um sich aufzurichten. Er reduzierte die Außentemperatur seines Anzugs augenblicklich auf Normaltemperatur und stellte den Umgebungsanpasser auf Automatik.

      Er stellte fest, dass die äußeren Enden der Spinnenbeine des Wächters vollkommen verschmort waren und seine wulstigen Körper langsam zu Boden zwangen.

      Voller Aggression hieb Murdoc mehrfach auf das Torso des Wächters ein, ohne auf die dunkle, zu allen Seiten wegspritzende Flüssigkeit zu achten.

      Der Wächter sackte in sich zusammen und bewegte sich nicht mehr.

      Keuchend stand Murdoc mit ausgefahrener Talusklinge über dem Kadaver und starrte immer noch voller Rage nach unten. Er merkte, dass er am ganzen Körper zitterte und sein Oberkörper verursachte stechende Schmerzen.

      Ein leiser Schrei entwich seinem Mund, als das Karndalf-Signal ertönte.

      »Verflucht noch mal! Erschrecken sie mich nicht schon wieder so!«, platzte es aus ihm heraus, bevor sich Dr. Adelfing zu Wort melden konnte. Dieser ignorierte seinen Gefühlsausbruch und sprach mit seiner markanten giftig klingenden Stimme. »Gute Arbeit, John Casper. Wir dachten schon kurzzeitig sie würden ... uns enttäuschen. Ihre Lebenszeichen waren vorübergehend ... bedenklich«.

      Murdoc ballte die Hände zu Fäusten und ließ seine Talusklinge am rechten Arm einfahren.

      »Und nun beenden sie ihre Mission. Beschaffen sie einen Fötus und vernichten sie die anderen«, fuhr Adelfing fort.

      »Vernichten sie die ... anderen? Meine Mission lautete ...«

      »Ihre Mission«, schnitt Adelfings Wort durch Murdocs Satz wie ein Messer, »wurde soeben aktualisiert.«

      »Warum müssen sie zerstört werden? Was spielt es für eine Rolle ob ...«

      Adelfings Stimme erhob sich. »Widersetzen sie sich nicht länger den ausdrücklichen Befehlen des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses! Bringen sie drei Sprengladungen an geeigneten Positionen an und begraben sie damit die restlichen Föten! Wenn sie ein weiteres Mal die Befehle des Zusammenschlusses in Frage stellen, bringe ich sie vor das Kriegsgericht!«

      Die Verbindung wurde beendet.

      Murdoc war wütend, doch er hatte keine Wahl, er musste gehorchen.

      Er führte mehrere Sonarstöße aus, bevor er sich erneut dem Zentrum des Raums näherte.

      Dieses Mal wurde er nicht völlig unerwartet nach hinten gerissen und er konnte sich dem Fötus nähern. Er verstand nach wie vor nicht, wie der Wächter seinem Sonar hatte entgehen können. Doch das spielte jetzt keine Rolle.

      Vorsichtig berührte er den Fötus an der Unterseite mit seinem Handschuh.

      Er fühlte sich sehr weich und zerbrechlich an. Langsam aber bestimmt hob er das eierförmige Objekt, das mit einer grünlichen Maserung überzogen war und führte es in den Kompaktbehälter ein. Grünlich, fluoreszierende Tropfen schwebten langsam aus dem Becken in das Gewölbe. Murdoc verschloss den Behälter und befestigte ihn wie einen kleinen Rucksack an der dafür vorgesehenen Halterung am Rücken seines Anzugs.

      Die Energie seines Anzugs hatte besonders unter dem Modifizieren des Umgebungsanpassers gelitten und betrug nur noch vierundzwanzig Prozent. Sonarstöße mit großer Reichweite waren für Murdoc nun sowieso außer Frage, nur noch kleine Reichweiten und wenige gezielte Topografiescans blieben ihm noch übrig. Er konnte froh sein, wenn er lebendig aus der Höhle kommen würde, gerade jetzt, wo er noch die Sprengladungen anzubringen hatte. Ihm lief die Zeit davon und er wusste nicht, wie lange die Energie des Anzugs ihn noch mit Luft und Strom für die Gravitationsstiefel versorgen würde. Er musste sich beeilen.

      So schnell er konnte suchte er sich mit einigen gezielten Topografiescans Positionen aus, an denen er drei Sprengladungen platzieren konnte und setzte sich dann in Bewegung.

      Murdoc verstand nun noch weniger, was das alles zu bedeuten hatte. Er kannte Missionen durch Erzählungen in der Kantongarde, bei denen die Teams für Wissenschaftler unter gefährlichen Situationen Gesteins-oder Pflanzenproben beschaffen mussten. Doch immer dienten diese Beschaffungen einem klaren Zweck. Die Erforschung einer Pflanzenspezies, die Herstellung eines Krankheitsheilmittels. Doch die Beschaffung eines lebendigen Objekts unter der Koordination des mysteriösen Dr. Adelfing war ihm von Beginn an seltsam vorgekommen.

      Doch warum mussten diese Objekte nun allesamt vernichtet werden? Was wurde dadurch bezweckt?

      Murdoc erreichte die erste Stelle und platzierte eine Sprengladung. Die Ladungen gehörten zum Standard-Equipment eines Karndalf-Soldaten und wurden normalerweise benötigt, um beispielsweise verschüttete Zugänge frei zu sprengen. Drei dieser Ladungen würden vollkommen ausreichen, um die komplette Struktur des Höhlensystems zu zerstören und alle Föten zu begraben, die sich darin befanden.

      »John.«

      Für einen entsetzlichen Moment dachte Murdoc, die monotone Stimme würde direkt in seinem Kopf erklingen, wie von einem Geist dort hinein platziert.

      Doch er überhörte nicht das leise Knistern des Team-Koms am Ende des Wortes.

      »Giebels? Giebels, sind sie das? Sagen sie was Giebels! Sprechen sie schon!«

      Das nervtötende leise, unaufklärende Rauschen des Team-Koms war fast schlimmer als die ausbleibende Antwort.

      Murdoc merkte, dass er die Luft angehalten hatte und atmete langsam aus, als wolle er damit vermeiden, die schreckliche Stille in seinem Helm und um ihn herum zu brechen.

      Das Vis alarmierte über die Zwanzig-Prozent-Grenze der Anzugenergie, die soeben erreicht worden war.

      Murdoc nahm ruckartig die zweite Sprengladung aus seinem Gürtel und setzte sich in Bewegung.

      Er passierte mehrere kleine Gewölbeabschnitte, in denen sich weitere Föten befanden, bis er an der nächsten geeigneten Sprengstelle ankam. In diesem Gewölbe waren besonders viele Rinnen mit grünlicher Masse, die den Raum heller beleuchteten als Murdoc es bisher gesehen hatte. Er platzierte die Sprengladung und ging zügig weiter.

      Als er die dritte Sprengladung anbringen wollte, knisterte sein Team-Kom kurz laut auf und ließ ihn zusammenzucken.

      »Giebels?«, flüsterte er kaum hörbar.

      Der Schein der Pulslampe auf seinem Helm schweifte über den Boden und entblößte eine Gesteinsformation, die Murdoc an eine Fratze mit Katzenohren erinnerte.

      Du bist der letzte! Alle sind Tot außer dir! Du bist ganz allein im Dunkeln und keiner wird dir helfen! Die Fratze schien Murdoc mit einer spöttischen Kinderlied-Melodie zu besingen.

      »Leck mich«, murmelte er und drehte sich in Richtung Wand, um die letzte Sprengladung anzubringen.

      Da er keine Befehle über einen Zeitcountdown erhalten hatte, hatte er bei sämtlichen Sprengladungen die Fernzündoption aktiviert. Sobald er den Asteroiden verlassen hatte, würde er die Ladungen per Gedankenbefehl über das Vis zünden. Er konnte nicht riskieren, noch länger auf dem Asteroiden zu verweilen. Drei Sprengladungen würden unter Umständen sogar den ganzen Felsbrocken zerschmettern.

      Seine Aufgabe hier war erledigt.

      So schnell Murdoc konnte machte er sich auf den Weg zu dem senkrechten Tunnel, den Giebels und er beim Abstieg heruntergekommen waren. Murdoc wollte nur noch weg von hier. Weg von der Dunkelheit, weg von den Föten, weg vom fluoreszierenden, grünlichen Licht. Er hastete so schnell es seine Gravitationsstiefel ermöglichten durch das verwinkelte Höhlensystem mit den vielen Föten. Immer wenn er einen Gang passierte, in dem keine Rinne mit grünlich schimmerndem Licht war, verspürte er das Bedürfnis, sich umzudrehen und den Weg abzuleuchten. Er hatte das Gefühl, als würde eine Präsenz, wie der düstere Schleier der Dunkelheit hinter ihm alles verschlucken und in Nichts auflösen.

      Einige Kurzstrecken-Umgebungssonarstöße zeigten nichts weiter als die ruhenden Föten. Doch Murdoc wusste immer noch nicht, was mit