Dominik Michalke

Arym Var


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Murdocs Karriere in der Garde beenden würde.

      Giebels machte einen Schritt und blieb stehen. »Scheiss’ auf den Zusammenschluss, scheiss’ auf den Fötus! Das wird mich ein Leben lang verfolgen, wenn ich jetzt nicht gehe!« schrie er und nahm mit schnellen Schritten den Weg in die andere Richtung wieder auf.

      »Giebels! Nein!« Murdoc wusste nicht was er machen sollte. Aufhalten konnte er ihn nicht mehr, hätte es jedoch sowieso nicht geschafft, denn Giebels war fest entschlossen. Er bewegte sich erstaunlich schnell mit seinen Gravitationsstiefeln, die Waffe starr nach vorne gerichtet.

      Sofort ertönte erneut Dr. Adelfings geifernde Stimme im Interstellar-Kom der Soldaten. »Giebels! Das wird fatale Konsequenzen nach sich ziehen! Seien sie sich darüber im Klaren, Giebels!«

      Nach einer kurzen Pause sagte Adelfing: »John Casper Murdoc! Sie wissen was zu tun ist. Erfüllen sie die Erwartungen der Andragon-Kantone!«

      Murdoc fluchte in Gedanken und setzte sich in Bewegung. Bei einem Blick auf das Vis zeigte das Umgebungssonar, dass sich an der Umgebung nicht viel verändert hatte und dass keine Wächter in Sicht waren. Er setzte seinen Weg zähneknirschend fort. Die Angst erfüllte ihn zunehmend, der einzige in diesem komplexen System aus Höhlengewölben und kleinen Verbindungstunneln zu sein.

      Warum beschaffen sie sich ihren verdammten Fötus nicht selbst, dachte er.

      Doch ihm fiel ein, dass er sich in einem Asteroiden mitten im Aaron-Schwarm, einem riesigen Asteroidenfeld in der Nähe von Infidelis, befand. Eine riesige Olympfregatte, noch dazu eine wie die Marx, konnte unmöglich in dieses Asteroidenfeld fliegen, ohne Schaden zu nehmen.

      Teleportation – eine erst vor kurzem errungene Technologie – funktionierte nur auf extrem kleine Distanzen, weswegen das Team überhaupt nötig war.

      Der Flottenkreuzer, auf dem Murdoc stationiert war, hatte bei der Missionsplanung eine Oberflächensonde zur Erkundung geschickt. Diese hatte bei einem Topografie-Scanvorgang einen Hinweis auf das große Gewölbe geliefert, in das sich Foster mit seinem Team vom Perser-Transportshuttle aus hatte hinein teleportieren können.

      Teleporter benötigten immer klare Informationen über das exakte Zielgebiet, da sonst leicht schwerwiegende Unfälle passieren konnten. Die Technologie basierte auf Raumkrümmung, da ein tatsächlicher entmaterialisierter Transport eines Objektes von einem Punkt ohne Verbindungslinie zu einem anderen Punkt unmöglich war. Der Raum wurde mit immensem Energieaufwand phasenweise verändert, so dass sich ein Spalt bildete – eine Art Miniaturwurmloch – durch das das Objekt oder die Person bewegt werden konnte. Der Teleportationsspalt zwang über sehr kurze Zeit das Raumkontinuum, sich an den gewünschten Stellen zu nähern – dem Eintritts- und dem Ausgangspunkt.

      In dieser kleinen Zeitspanne musste sich das Teleportationsobjekt durch den Spalt bewegen.

      Es gab noch keine bekannten Generatoren oder Energiespeicher, die eine so große Kapazität an Energie aufbrachten, als dass man größere Distanzen hätte überwinden können. Deswegen waren die herkömmlichen Methoden immer noch unabdingbar.

      Murdoc überprüfte regelmäßig sein Vis und bewegte sich auf sein Ziel zu.

      Schließlich gelangte er zu einem Durchgang, durch den aus fünf anderen Seitenhöhlen kommend Rinnen mit grünlichem Schimmerlicht flossen. Diese verschwanden im Gewölbe dahinter. Murdoc wusste, dass sich dort ein Fötus befinden musste, doch er blieb stehen und sprach über sein Team-Kom.

      »Giebels, kannst du mich hören? Giebels?«

      Lediglich das endlose, leise Rauschen war in Murdocs Helm zu vernehmen.

      Das Wellensignal musste durch die Wände bereits abgeschirmt werden. Oder war Giebels bereits tot? Murdoc versuchte den Gedanken zu verdrängen, doch er hatte den fünften Wächter nicht vergessen, der ihnen entwischt war. Angst überkam ihn und er fühlte sich allein. Ganz allein in der Dunkelheit. Sein Umgebungssonar hatte nicht mehr genug Energie, um in einem größeren Radius zu scannen, weil Murdoc es nach dem Kampf mit den Wächtern zu oft benutzt hatte. Er hoffte, dass sich Giebels bereits außerhalb des kleineren Scanradius befand und deswegen nicht zu erkennen war.

      Fest umklammerte er sein Neutronengewehr und schritt durch den Durchgang.

      Giebels war wütend.

      Mit eingeübten Bewegungen ging er so schnell wie es mit Gravitationsstiefeln möglich war den senkrechten Tunnel hinauf, den Murdoc und er vor nun mittlerweile fast zwei Stunden heruntergekommen waren. Immer wieder aktivierte er nun auch Umgebungssonarstöße, um das Umfeld nach Lebensformen abzuscannen. Noch war nichts zu erkennen außer den Föten, die sich unter ihm langsam entfernten. Und da war noch etwas dazwischen. Es musste dieser Jungspund von Murdoc sein, der lieber den Befehlen von Dr. Adelfing folge, als seinen Teamkameraden zu helfen. Doch er würde es noch spüren, was schlimmere Konsequenzen als jene von Befehlshabern für einen Menschen bedeuten konnten. Gefühle, mit denen man selbst zu ringen hatte, Tag für Tag.

      Gesichter, die einen anstarrten, wenn man nachts die Augen schloss. Stimmen, die man hörte, wenn es keine anderen Geräusche in der Umgebung zu hören gab. Murdoc würde es noch spüren, früher oder später. Das war der Fluch einer Karriere als Soldat in der Kantongarde. Es würde immer so weit kommen, dessen war sich Giebels sicher.

      Ihm waren die Drohungen von Adelfing egal. Selbst wenn ihm Ravenberg persönlich den Befehl geben würde umzukehren, würde er ihn jetzt nicht befolgen. Er hatte sowieso vor, aus der Garde auszusteigen. Lieber würde er ab jetzt in einer Erzmine auf Mol Ondune schuften, als weiterhin derartigen Konflikten ausgeliefert zu sein.

      Giebels erreichte die Eingangsstelle, die in den Abstiegtunnel zu den Föten führte und bewegte sich in Richtung des Extraktionspunktes des Teams zurück.

      Als er damals im zweiten ‚Erbe des Lichts‘-Konflikt seinen Kameraden hatte zurücklassen müssen, war Giebels ein anderer Mensch geworden. Er erinnerte sich zurück.

      Der Reaktor der Gefechtsstation ‚Terra 7‘ auf dem dritten Jupitermond im ‚Erbe des Lichts‘-System drohte nach einem Bombenbeschuss zu kollabieren.

      Sein Soldatenkollege und Freund Mark Soldner befand sich noch im Isolationsraum um den Reaktor. Doch es konnte sich nur um Erdsekunden handeln, bis der Reaktor explodieren würde, einen Riss in die Hülle der Station reißen und alle 100 Soldaten der Station in den Weltraum schleudern würde. Deswegen hatte Giebels handeln müssen. Er hatte den Reaktorraum per Fernschaltung isoliert und den kollabierenden Reaktor mit einem Kühlplasmid, einer kühlenden Substanz, zum Stillstand gebracht. Die Substanz war in den Raum eingedrungen, hatte das Problem gelöst und seinen Freund vor Giebels Augen zu Eis erstarren lassen. Der flehende Gesichtsausdruck Soldners, der vor dem Fenster der Isolationstür zu Grunde gegangen war, hatte sich in Giebels Gedächtnis eingeprägt wie eine Gravur.

      Seitdem war Giebels anders. Nach außen war er immer noch der spöttische Kettenraucher Giebels, doch innerlich hatte er sich verändert. Sein Handeln war das Produkt dieser Änderung.

      Er erreichte das riesige Gewölbe, in das sich das Soldatenteam zu Beginn der Mission teleportiert hatte und wählte den Eingang in das Höhlensystem, das Foster mit Lanzett und Akriba genommen hatte. Giebels sendete Sonarstöße und entdeckte drei Objekte in mehreren hundert Metern Entfernung. Er setzte seinen Weg hastig fort und achtete kaum auf die Umgebung.

      Er war gefeiert worden, hatte einen Orden für seine grandiose Rettungsaktion gekommen. Es hatte ihm absolut nichts bedeutet. Giebels hatte sich selbst versucht einzureden, dass er das Richtige getan hatte. Er hatte sich und alle anderen gerettet. Doch er wusste es jetzt besser, wie man sich fühlte. Er würde lieber selbst sterben als nochmals einen Freund im Stich zu lassen. Foster war sein Freund. Sie hatten schon viel zusammen durchgemacht. Giebels würde es sich nicht verzeihen können wenn ...

      Er stockte.

      War da gerade eine etwas vor seiner Pulslampe vorbeigehuscht?

      Giebels hatte keine Angst. Er war einfach nur verdammt sauer. Auf Adelfing und die ganzen Andragon-Kantone, auf Murdoc, den Feigling, auf diese gottverdammte stinkende Höhle und auf das, was auch immer Fosters