Dominik Michalke

Arym Var


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Glaubst du ernsthaft ich fürchte mich?« Giebels realisierte, dass er alleine in seinem Helm brüllte und nichts nach draußen drang. Hektisch schwenkte er die Waffe hin und her und beleuchtete die Wände. Da war nichts.

      »Ausgeburt der Hölle. Leg dich nicht mit Onkel Alfred an ...«, murmelte er nun unsicher und setzte seinen Weg fort. Während er voranschritt, drehte er sich mehrmals um und beleuchtete den Weg, den er gekommen war.

      Langsam aber sicher wurde sich Giebels seiner Situation wieder bewusst und der Hochmut und die Wut wichen der heranschleichenden Angst.

      Er durchschritt einen Durchgang und kam in ein hufeisenförmiges Höhlengewölbe. Er machte einen weiteren Schritt und stockte erneut. Der Gravitationsstiefel schien in etwas Weichem zu versinken. Doch bevor Giebels seine Pulslampe nach unten richten konnte, fiel der Lichtschein quer durch den Raum und ließ seinen Blick erstarren.

      Murdoc fiel als erstes die Erhöhung des Bodens zentral in der Mitte des Gewölbeabschnitts auf. Mehrere Rinnen mit grünlicher, fluoreszierender Masse führten die Erhöhung von allen Seiten hinauf und liefen direkt im höchsten Punkt in einer Art Becken zusammen. Murdoc hatte mittlerweile die grünliche Masse als ungefährliche, eiweißhaltige Nährlösung identifiziert. Die genaue Funktion in Verbindung mit den Föten war ihm jedoch unbekannt.

      In dem Becken in der Mitte der Erhöhung befand sich ein Objekt.

      Murdoc wurde klar, dass es sich um einen Fötus eines Zodiacs – eines Sucherwesens aus Arym Var – handeln musste. Er führte einen letzten Sonarstoß aus, der keine Bewegungen zeigte. Nur die roten eierförmigen Objekte lagen unbeweglich wie pulsierende Bluttropfen auf Murdocs imaginärem Bild.

      Den Blick starr auf das Zentrum des Gewölbes gerichtet, fasste sich der Soldat mit der einen Hand an den Rücken, wo sich der Kompaktbehälter befand. Mit der anderen Hand ließ er sein Neutronengewehr los, das langsam durch das Vakuum zu Boden sank.

      Bei dem Kompaktbehälter handelte es sich um ein Transportgefäß, das alle Arten von Objekten transportieren konnte. So wie der Cheops Mark IV Kampfanzug gegen negative externe Einflüsse schützte, so konnte der Kompaktbehälter auch verstrahlte Objekte und ähnliche Dinge transportieren und nach außen abschirmen. Rein theoretisch konnte er sogar ein kleines schwarzes Loch transportieren. Er war nicht größer als ein normaler Spiel-Würfel und entfaltete bei Druckausübung auf eine der Würfelseiten sein volles Volumen.

      Mit diesem Stück Technologie konnte Murdoc den Fötus transportieren.

      Er entfaltete den Kompaktbehälter und nahm ihn am Griff, der sich nach dem Transformationsprozess an der oberen Seite des kubusartigen Objektes gebildet hatte.

      Langsam bewegte er sich auf den Fötus zu und streckte seine rechte Hand aus, während er in der linken den Öffnungsschalter des Kompaktbehälters an dessen Griff betätigte.

      In diesem Moment wurde Murdoc ruckartig nach hinten gerissen, so dass es ihm sämtliche Luft aus den Lungen presste. Völlig überrascht und fassungslos schaute er in die pechschwarzen Augen und das wulstige Gesicht eines Wächters – des fünften Wächters – der sich über seinem zu Fall gekommenem Körper aufbaute wie ein dunkles Gerüst aus Spinnenbeinen.

      Wie ist er so schnell hergekommen, schoss es Murdoc durch den Kopf. Meine Waffe, ich brauche meine ...

      Der markerschütternde Schlag eines Spinnenbeins traf seinen Helm und rammte ihn mit einem Krachen gegen den Boden des Gewölbes. Murdocs Kopf wurde gegen die Innenwand des Helms geschleudert.

      Ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Doch er wollte nicht sterben. Nicht hier, im düsteren grünlichen Licht der Höhle eines Asteroiden irgendwo im Aaron-Schwarm. Er fuhr seine Talusklinge aus, während der Wächter ihm mit seinen Spinnenbeinen zusetzte.

      Er wollte zuschlagen, doch sein Arm bewegte sich nicht. Er stellte fest, dass der Wächter mehrere seiner Spinnenbeine auf seine Hand stemmte.

      Murdoc biss die Zähne zusammen. Die Hand ließ sich nicht bewegen, der Wächter war zu stark. Murdoc wartete auf weitere Schläge auf seinen Helm, doch der Wächter schien seine ganze Taktik geändert zu haben. Langsam sank die graue Masse auf Murdoc herab, die den Körper des Wächters darstellte.

      Weitere Spinnenbeine schienen ihn von allen Seiten zu umfassen, so dass sich Murdoc nicht mehr rühren konnte. Er war gefangen im festen Griff des Wächters.

      Dann kam der Schmerz.

      Murdoc schrie, bevor er realisierte, woher dieser kam. Der Wächter zog mit aller Kraft seine Spinnenbeine an sich, um ihn zu zerquetschen.

      Der robuste, aber dennoch elastische Cheops Kampfanzug war aus einem Material, das jegliche Projektilkugel sowie diverse energetische Geschosse ohne weiteres abblocken oder absorbieren konnte wie eine kugelsichere Weste. Das Material verhärtete sich in dem Moment wo eine Kugel einschlug mit einer Geschwindigkeit, die schneller als die der Kugel selbst war und ließ diese einfach abprallen. Geschosse aus Energiewaffen, ob mit Plasma betriebene Waffen oder Tachyonlanzen, wurden weitestgehend absorbiert und nach Möglichkeit sogar in Anzugenergie umgewandelt.

      Doch bei langsamem aber festem Druck wie in diesem Falle interpretierte der Anzug keine Gefahr.

      Murdoc bekam keine Luft mehr. Sterne tanzten über sein Blickfeld.

      Jetzt mach was, Soldat. Handle, sonst verreckst du. Die innere Stimme durchwehte Murdoc wie die Luft, die seinen Lungen entwich.

      Der Anzug. Was kann man mit dem Anzug anstellen?

      Wie in Zeitraffer spielten sich die verschiedenen Funktionen und Anwendungen des Cheops Mark IV Kampfanzuges in Murdoc Kopf ab, die von einem Techniker während seiner Ausbildung einmal erläutert worden waren.

      Projektilschutz, Strahlenschutz, Kom-Einheit, Vis-Einheit, Skin-Connector, Umgebungsanpasser, Gravitationsstiefel ...

      Umgebungsanpasser. Das war die letzte Möglichkeit. Der Umgebungsanpasser war ursprünglich eine automatische Funktion des Anzugs, seine Oberfläche der der Umgebung anzupassen. Dies allein ermöglichte dem Benutzer von den vielen Anwendungsbereichen des Anzugs zu profitieren. Man konnte sich auf einem Gasriesen aufhalten, in Säure baden oder auf einem Eisplaneten übernachten. Der Anzug produzierte immer genau die Gegenmaßnahme, die zum Überleben notwendig war. Befand sich Säure auf dem Anzug, wurde sofort eine starke Base zur Neutralisation generiert. Genauso kühlte der Anzug bei enormer Hitze ab und fing weis zu glühen an, wenn die Temperaturen unter fünftausend Grad Celsius gingen.

      Der Umgebungsanpasser konnte manuell beeinflusst werden, was jedoch nicht ratsam war, da es dem Anzug permanenten Schaden anrichten oder sogar zur Kollabierung des elastischen Exoskeletts führen konnte, wenn die äußeren Einflüsse der Umgebung nicht der Wirkung des Anpassers entgegenwirkten.

      Doch dies war ein Notfall und Murdoc musste es riskieren, denn er hatte keine andere Wahl.

      Eine erneute Woge der Schmerzen überfloss ihn, doch Murdoc hatte keine Luft mehr zu schreien. Er versuchte das Knacken einiger Rippen in seinem Oberkörper zu ignorieren, schloss die Augen und aktivierte sein Vis.

      Alles geschah in weniger als einer Sekunde.

      Murdoc betätigte per Gedanke die manuelle Umgebungsanpasser-Bedienung und erhöhte die Außentemperatur seines Anzugs auf tausend Grad. Ein Warnsignal, das die Umrisse des Exoskeletts seines Anzugs orange blinkend darstellte, erschien in seinem Sichtfeld.

      Murdoc ignorierte es.

      Es funktionierte. Der Wächter lockerte seinen Griff um Murdocs Oberkörper. Doch er ließ nicht ganz von ihm ab. Einige Spinnenbeine lösten sich von Murdoc und begannen wilder denn je auf seinen Körper einzuschlagen. Die wulstige Fratze des Wächters hatte sich zu einem verzerrten Gebilde verändert und der Mund des Wesens war zu einem schwarzen Loch aufgerissen.

      Murdoc biss die Zähne zusammen dass es knirschte und erhöhte die Temperatur auf dreitausend Grad. Die orange blinkenden Lichter des Exoskeletts in seinem Blickfeld wurden mehr und die Umgebung um Murdoc erstrahlte in einem gelben Licht. Der Anzug schien sich knisternd zusammenzuziehen, doch was Murdoc hörte waren lediglich die Schläge des verschmorenden