Dominik Michalke

Arym Var


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      »Bald wird die Hitze schon so groß werden, dass das Flimmern der Luft die Sicht darauf wieder verschwimmen lässt. Deswegen ist es tagsüber fast nicht zu erkennen.« Grinsend wandte sich Kargan wieder Anjiara zu. »Na gut. Und was ist nun dein dunkles Geheimnis?«

      Anjiaras zufriedener Gesichtsausdruck wurde traurig und sie zog langsam ihre Hand von Kargans Schulter. Schweigend blickte sie zu Boden.

      Kargan wollte etwas sagen, doch bevor er zu Wort kam, ertönte ein lautes summendes Geräusch. »Der Generator. Er funktioniert wieder. Anscheinend hat der Techniker doch eine Nachtschicht eingelegt und ihn gleich repariert.«

      Anjiara lächelte wieder, sagte jedoch nichts. Kargan merkte, dass er gerne ihr Lächeln sah. Viel lieber als den traurigen Gesichtsausdruck, den er gerade bemerkt hatte.

      Sie standen noch eine Weile schweigend auf dem Balkon und betrachteten den Horizont, bis Kargan wieder das Wort ergriff. »Langsam bekomme ich Kohldampf. Was hältst du von einem wunderbaren Frühstück? Na ja, wunderbar ist auf Andragon Outrange 15 ja eher ein Fremdwort, aber ...«

      Anjiara kicherte. »Ja, lass uns frühstücken. Aber davor sollte ich mich erst mal umziehen.«

      Sie gingen durch die Glastür in die Station hinein. Kargan versuchte sich darin, noch den einen oder anderen amüsanten Kommentar über die Station abzugeben, bevor sie sich im Gang zu den Schlafquartieren trennten.

      Der Nexus wanderte langsam über die Teneib-Wüste von Infidelis und ließ sie in gleißendem Licht erstrahlen. Die Hitze erzeugte eine verschwommene Wahrnehmung in der Ferne. Doch etwas in dieser Wahrnehmung war nicht natürlichen Ursprungs. Etwas Unbekanntes befand sich reglos dort in der Wüste und schien den Raum um sich herum zu verzerren wie die Hitze die Luft über der Wüste. Das Unbekannte schien sich ausschließlich auf Andragon Outrange 15 zu fixieren.

      Der Sucher

      Ich habe den Schmerz gespürt, als es passiert ist. Wir Hüter von Arym Var sind mental miteinander verbunden. Mental auf einer Ebene, wie die Beute es nie verstehen wird. Es war auf einer von Mahibs Quellen, einer Brutstätte der letzten Sucher von Arym Var.

      In mir findet eine Wandlung statt. Diese Wandlung hat begonnen, als sie die Quelle Mahibs zerstört haben.

      Nicht nur, dass sie alle Nachkommen der Sucher vernichtet haben, auch haben sie einen Sucher selbst vernichtet. Ein junger Sucher, aber viel versprechend und sehr talentiert. Er war ein guter Freund von mir.

      Der Schmerz war unerträglich, als die Brutstätte zerstört wurde. Ich spüre ihn noch jetzt durch und durch in meinem ganzen Körper. Dieser Schmerz hat die Wandlung hervorgerufen.

      Bisher hatte ich nur ein Ziel vor Augen: Die Jagd. Doch jetzt hat sich das Ziel verändert, oder vielmehr erweitert: Die Jagd nach dem Verantwortlichen.

      Auch wenn die gesamte Beute der Menschheit es verdient hat, gejagt zu werden, so muss ich mein Ziel spezifizieren. Ich spüre, dass sie danach rufen. Die verstorbenen Söhne von Arym Var rufen es mir zu.

      Deshalb werde ich nun anders agieren. Ich werde alles daran setzen, den Ursprung des Vergehens an Mahib zu finden und auszulöschen. Ich werde mich Dorimor im Antlitz eines Menschen stellen und in seinen Abgrund zurücktreiben, aus dem er aufgefahren ist.

      Die Menschen sind feige. Sie fallen einem in den Rücken und benutzen faule Tricks. Sie stellen sich nicht und Kämpfen nicht ehrenvoll mit ihrem Gegenüber. Stattdessen verkriechen sie sich in ihren Maschinen, verbergen sich hinter ihrer Technologie und benutzen sie rigoros ohne nachzudenken.

      Doch der Einklang zwischen Geist und Körper übersteigt die Barriere der Materie. Ihre Raumschiffe und Energiewaffen werden mich nicht aufhalten, wenn ich wie eine Faust mit Mahibs Zorn auf sie herabschmettern werde.

      Ich werde nachforschen an den Orten die mir Mahib zuflüstert und ich werde töten, wo Mahib mir Zorn einflößt. Ich werde nicht ruhen, bis die Wurzel des Übels gefunden wurde. Dann werde ich Rache walten lassen.

      Ich befinde mich noch auf Ar-Evariem in meinem Reich. Doch schon in wenigen Tagen werde ich aufbrechen und auf die Eingebungen Mahibs hoffen.

      Er wird mich führen und mir den Pfad zu Dorimor zeigen.

      Dies wird meine letzte Prüfung sein, der ich mich zu stellen habe. Ich werde sie meistern und zu Mahib zurückkehren, koste es was es wolle.

      Ich betrete meine Gebetshalle und bete zu Mahib, dass er mich leiten soll und mir den richtigen Pfad zeigen soll. Anschließend öffne ich die versiegelte Tür zu meiner Sucherkammer. Dort werde ich meine notwendigen Utensilien sammeln, um den Kampf gegen Dorimor aufzunehmen. Wir Sucher benutzen auch Technologie, doch wir wissen die Geschenke Mahibs zu schätzen und angemessen einzusetzen. Wir verstecken uns nicht hinter den Kriegsgeräten und Maschinen wie der Mensch, sondern wir benutzen sie gezielt für Mahibs Zwecke.

      Ich nehme meinen Karmakern und die dazugehörige Energiemunition, sowie meinen Ritualdolch. Ich ziehe meinen Phaseninvertierer über und reaktiviere die Langzeitenergiezellen. Zusätzlich nehme ich den Energiewerfer und verstaue ihn in meinem Schwerelosträger. Nun werde ich die Flügel Mahibs betreten und die Utensilien unterbringen. Es gibt noch viel Weiteres zu tun, bis ich mit den Flügeln Mahibs in den Weltraum aufsteigen kann, um Dorimor entgegenzutreten.

      3

      Kargan entschied, sich noch zügig zu rasieren, bevor er den Speisesaal betreten würde. Er hasste automatische Rasierer, deswegen benutze er einen alten Nassrasierer. Als er gerade in Gedanken über den sabotierten Generator grübelte, schnitt er sich mit dem Rasierer ins Kinn. Er fluchte, als er bemerkte, dass ein Bluttropfen aus dem kleinen Schnitt hervorquoll.

      Warum bist du nur immer so ungeschickt, dachte Kargan und kramte nach einem Taschentuch in seinem Spind.

      Langsam aber sicher merkte er, wie Müdigkeit über ihn kam. Er würde sich heute beherrschen müssen, im Kom-Tower nicht einzuschlafen.

      Nachdem er sich gewaschen und seine stoppeligen braunen Haare kurz durchfrisiert hatte, verließ er das Quartier und steuerte die Treppe an, die in das Erdgeschoss führte.

      Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich die Tür eines anderen Schlafquartiers öffnete und eine Frau mit langen blonden Haaren und einem Duschhandtuch herauskam. Er wusste, dass es sich um die Ärztin handeln musste, aber ihm war nicht nach Grüßen zumute. Zügig ging er die Treppe hinunter und betrat den Gemeinschaftsraum.

      Anjiara war noch nicht da, aber Barg-Sa Gerents, der Sicherheitsoffizier, stand an der Theke und blickte zu Kargan auf. In der einen Hand hielt er einen halb gegessenen Kompaktriegel, während er mit der anderen so schnell mit dem Löffel in einer Tasse Kaffee herumwirbelte, dass braune Tröpfchen an den Rändern der Tasse herausspritzten.

      Er kniff seine kleinen Augen zusammen und verzog sein rundes Gesicht zu einem Grinsen. »Morgen, Herr Funkoffizier! Gut geschlafen?« Er war kaum zu verstehen, weil er hektisch an einem Stück Kompaktriegel kaute. Kompaktriegel waren die Standard-Mahlzeit für Missionen wie diese. Sie hatten hohe Haltbarkeit und waren reich an ‚wichtigen‘ Nährstoffen, wie man so schön sagte. Zudem waren die Riegel, wie ihr Name schon verriet, sehr kompakt und somit in rauen Mengen zu lagern.

      Kargan fand sie total öde.

      »Morgen Barg-Sa. Geschlafen? Du bist gut. Wenn ich einmal aufgewacht bin, kann ich nicht mehr so schnell einschlafen. Aber wie ich mitgekriegt habe, funktioniert der Generator schon wieder.« Kargan stand vor der Theke und überlegte sich, ob er sich Kaffee oder einen Tee machen sollte. Im Grunde war es ihm einerlei, weil auf Andragon Outrange 15 eh alles nach Rotsand schmeckte, wie er fand.

      Barg-Sa gab ein rohes Lachen von sich und trank aus seiner Kaffeetasse, ohne den Löffel herauszunehmen. »Ja, Mario hat die Sache erstaunlich schnell hinbekommen. Allerdings hatte er auch keine genaue Ahnung, wie so etwas entstanden sein könnte.«

      »Warum wundert mich das jetzt nicht«, murmelte Kargan so leise, dass Barg-Sa es nicht verstehen konnte. Angesichts der Lautstärke, mit der Barg-Sa stets sprach, zweifelte Kargan sowieso daran, dass der ein besonders sensibles Gehör besaß. Er entschied sich